Ibiza-Video, ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer, der Bezirksvorsteher von Wien-Donaustadt Ernst Nevrivy (SPÖ) und eine Zigmillionenpleite: Das sind ein paar jener Fäden, die zusammengeknüpft die Causa Wienwert ergeben. Nun sind die jahrelangen Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) abgeschlossen, sie arbeitet an einem Vorhabensbericht in der Sache, bestätigt ein Sprecher dem STANDARD. Die Immobilienentwicklungsgesellschaft Wienwert ist 2018 mit lautem Getöse in der Insolvenz gelandet. Zurück blieben vor allem Anlegerinnen und Anleger, die in Anleihen investiert hatten, die Wienwert nicht mehr bedienen konnte. Sie hatte dafür bis zu sieben Prozent Zinsen versprochen.

"Loch auf, Loch zu"-Politik

Ab 2017 hatte es Sachverhaltsdarstellungen gegeben, etwa durch die Finanzmarktaufsicht (FMA), die WKStA nahm in der Folge Ermittlungen auf. Sie führt rund zwei Dutzend Beschuldigte, darunter den letzten Chef der Wienwert, und ein von ihr beauftragter Gerichtsgutachter identifizierte einen Schaden von bis zu 31 Millionen Euro und eine "'Loch auf, Loch zu'-Politik" der Manager. Der Fächer an strafrechtlichen Vorwürfen: Untreue, betrügerische Krida, schwerer Betrug, Bilanzfälschung, Korruption und Verletzung des Amtsgeheimnisses. In der Causa geht es auch um den Vorwurf überhöhter Bezüge, doppelter Vergütungen, Entnahmen und in den Sand gesetzter Angelder – also Geld, das für konkrete Projekte bezahlt wurde, dann aber verfiel, weil die Vorhaben nie umgesetzt wurden. Und um Spenden, Sponsorings und PR-Aufträge, bei denen Gutachter Matthias Kopetzky die Gegenleistung vermisst. Sie erweckten bei ihm den Eindruck eines "sehr offensichtlichen 'Sich-in-die-politischen-Zirkel-der-Stadt-Wien-Einkaufens'", was die Beschuldigten, notabene, bestreiten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Karl Mahrer
Mahrer
ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer wird im Zusammenhang mit dem Unternehmen seiner Frau als Verdächtiger geführt.
APA/EVA MANHART

Eine etwaige Anklage könnte für einige Aufregung in diesen politischen Zirkeln der Stadt Wien sorgen, denn es gibt Verbindungen zu gleich drei großen Stadtparteien. Da ist einmal der ehemalige Spitzenpolizist Karl Mahrer, der im Dezember 2021 Gernot Blümel als Chef der Wiener ÖVP folgte. Wie er ins Spiel kommt? Eigentlich über seine Frau, der die Charisma Gesellschaft für Handel und Öffentlichkeitsarbeit gehört. Die legte ab Juli 2017 Honorarnoten in Höhe von 10.000 Euro netto an Wienwert, insgesamt flossen 84.000 Euro brutto. Sie sollte den Kontakt zur ÖVP Wien herstellen, laut eigenen Angaben hat Frau Mahrer aber auch das neue Werbelogo der Wienwert kreiert.

Einstellung beantragt

Der Gutachter kam zu einem anderen Schluss: Der "Grad an nachvollziehbaren Leistungen" sei gering. Treffen und einen "regen Austausch via E-Mail" habe es vor allem zwischen Wienwert-Managern und Karl Mahrer gegeben, der jedoch abgestritten habe, für das Unternehmen seiner Frau tätig gewesen zu sein. Die WKStA ortet da Anstiftung zur Untreue. Für Manfred Ainedter, der Karl Mahrer und seine Frau vertritt, laufen die Vorwürfe ins Leere. Da stecke "nichts dahinter", sagt der Anwalt, weshalb er einen Antrag auf Einstellung der Ermittlungen gestellt habe.

Ein anderer Verfahrensstrang beschäftigt sich mit einem der mächtigsten Männer in der Wiener Sozialdemokratie: mit Ernst Nevrivy, dem Bezirksvorsteher der Donaustadt. Ihm wird vorgeworfen, dem Wienwert-Chef Vorhaben der Wiener Linien verraten zu haben. Der habe daraufhin Grundstücke rund um die Remise in Kagran erworben, die dann an die Wiener Linien weiterverkauft wurden – laut Stadtrechnungshof deutlich über dem Marktwert. Nevrivy bestreitet das, die Pläne der Wiener Linien seien öffentlich bekannt gewesen. Laut WKStA wurde in dem Verfahrensstrang schon vergangenen Herbst ein Vorhabensbericht erstellt.

Und dann geht es auch noch um die FPÖ: Die Wienwert, auf deren Bildmarke ein roter Stephansdom zu sehen ist, ließ nach einem "Spendenaufruf im Juli 2017" 10.000 Euro für den FPÖ-nahen Verein Wirtschaft für Österreich springen. Vermittelt worden sei das durch Johann Gudenus, damals nicht amtsführender Stadtrat in Wien und später einer der Protagonisten des Ibiza-Videos. In der Finca auf der Baleareninsel sprach der damalige Parteichef Heinz-Christian Strache davon, dass man die Partei mit Spenden an Vereine "am Rechnungshof vorbei" finanzieren könne. Nach Erscheinen des Videos im Mai 2019 identifizierte die WKStA den Verein Wirtschaft für Österreich als eines dieser Vehikel, die meisten Verfahren in diesem Konnex hat sie aber eingestellt. Derzeit ist das Oberlandesgericht Wien in der Causa Wienwert am Zug, es entscheidet über den Einstellungsantrag der Mahrers. (Renate Graber, Fabian Schmid, 1.8.2023)