Legale Shops verkaufen neuartiges Hanf wie H4CBD und versprechen, Käufer damit zu berauschen – ähnlich wie das verbotene Cannabis mit dem Wirkstoff THC. Experten sind beunruhigt
Erst im März hat das Gesundheitsministerium eine neuartige Substanz verboten.
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Bernhard kifft seit Jahren. Seit einiger Zeit kauft er seinen Hanf immer seltener illegal auf der Straße – und immer öfter in einem Geschäft, das direkt auf seinem Heimweg liegt. Dort kauft der Student Cannabisprodukte mit rätselhaften Namen wie "H4CBD" und "Delta8-THC" – und berauscht sich damit.

Wenn über Cannabis gesprochen wird, geht es meistens um Hanf mit dem psychoaktiven Stoff Tetrahydrocannabinol (THC). Dessen Kauf, Besitz und Verkauf ist gemäß Suchtmittelgesetz verboten. Daran will die Regierung – anders als zum Beispiel in Deutschland oder weiten Teilen der USA – nichts ändern.

Wieder neue Substanzen

Doch seit etwa einem Jahr taucht immer mehr Hanf mit alternativen Wirkstoffen im legalen Handel auf. Die Shops versprechen Konsumierenden den Kick einen Cannabisrausches, ohne sich strafbar zu machen. Die Produkte enthalten bewusstseinsändernde Substanzen – allerdings kein THC, und sie sind daher nicht verboten.

Für Bernhard ist das attraktiv: "Ich will was spüren, aber nicht in die Beschaffungskriminalität abrutschen", begründet er sein Interesse an den Produkten im STANDARD-Gespräch. "Außerdem muss ich keine Kontakte zu dubiosen Dealern pflegen", sagt er. "Ich kann einfach am helllichten Tag in ein normales Geschäft gehen", so, als ob er sich alkoholische Getränke kaufen würde.

Bei der Drogenberatungsstelle Checkit der Suchthilfe Wien stehen die Substanzen derzeit unter Beobachtung. In Beratungsgesprächen seien H4CBD, kurz für Hexyl-Cannabidiol, und Delta8-THC, kurz für Delta-8-Tetrahydrocannabinol, zwar noch kaum Thema gewesen, heißt es dort. Das sage allerdings wenig aus, da etwa H4CBD erst seit März am Markt sei, sagt Bettina Hölblinger, Leiterin von Checkit.

Im März verboten – und direkt ersetzt

Die Substanzen sind der jüngste Versuch, die Beschränkungen zu umgehen. Zuvor verkauften Hanfshops Cannabis mit dem Wirkstoff HHC. Dieser wurde im März verboten. Er gilt nunmehr als Neuer Psychoaktiver Stoff (NPS), verkündete damals das Gesundheitsministerium. Experten hatten immer wieder beklagt, dass HHC – im Vergleich zu THC und Cannabidiol (CBD) – kaum erforscht ist. CBD ist legal, gilt aber nicht als psychoaktiv.

Die Hersteller hatten das Aus wohl geahnt: Bereits einen Tag nach dem Verbot von HHC tauchten die ersten alternativen Substanzen auf. Und sie entwickelten sich schnell zum neuesten Verkaufsschlager. "Es ist sicher eines der besser verkauften Produkte", sagt der Betreiber eines Hanfshops, der anonym bleiben möchte, auf Anfrage.

Die Nachfrage sei so hoch, dass er mit dem Nachfüllen der psychoaktiven Substanzen in manchen seiner Automaten nicht nachkomme. Bei den CBD-Produkten sei das nie der Fall gewesen. Nachsatz: Dem Betreiber sei es lieber, wenn "die Medien das Thema nicht wieder so hochkochen lassen", sagt er in Hinblick auf ein mögliches Verbot der neuen Stoffe.

Den Bann von HHC hatte er zuvor zwar erwartet – schließlich hatten andere europäische Länder es bereits verboten. Er moniert aber, dass es damals keine Übergangsphase gab. "Von einem Tag auf den anderen war der Verkauf untersagt", sagt er.

Kaum Studien, keine Qualitätskontrollen

Welche Risiken bergen die neuen Substanzen aber überhaupt? Bei H4CBD handelt es sich um einen "halbsynthetischen" Stoff. Es entsteht durch chemische Prozesse und wird dann beispielsweise auf Cannabisblüten gesprüht. Oder er wird als Öl oder Vape Pen, der die Substanz verdampft, zur Inhalation verkauft.

Die Grundproblematik bei dem neuen alternativen Wirkstoff ist ähnlich wie beim nun verbotenen HHC: Die Studienlage ist sehr dünn, "es gibt keine valide Datenlage", sagt Checkit-Leiterin Hölblinger. Verunreinigungen, die bei der Produktion entstehen – wie es bei Cannabis am Schwarzmarkt vorkommt –, sind nicht auszuschließen, sagt sie. "Eine offizielle Qualitätskontrolle für legalen Hanf gibt es nicht." Grundsätzlich gelte: Nur weil eine Substanz aufgrund rechtlicher Graubereiche nicht verboten ist, heiße das nicht, dass sie weniger Risiken birgt.

Illegales THC ist besser erforscht

Gerade die fehlende Datenlage zu den Substanzen bereitet der Fachwelt aktuell Sorgen – und hat erst zum Verbot von HHC geführt. Ist es am Ende also sogar sicherer, illegales, aber erforschtes THC zu konsumieren, anstatt die legalen Alternativen aus dem Hanfshop? "Es gibt keinen risikofreien Konsum", sagt Hölblinger. "Aber ich kann das Risiko besser minimieren, wenn ich mehr Infos habe, und zu THC gibt es in diesem Fall mehr Infos."

Das bedeute allerdings im Umkehrschluss auch nicht, dass der Konsum der illegalen Substanz sicherer ist: Gerade am Schwarzmarkt könne man nie wissen, unter welchen Bedingungen das Cannabis hergestellt wurde. Auch werde illegal beschaffenes Hanf teilweise mit synthetischen Substanzen gestreckt. Hinzu kommen die bekannten Risiken von THC – etwa für die Psyche und vor allem für die Entwicklung des Gehirns junger Menschen.

Aktuell ist unklar, ob die neuen Substanzen diese oder andere Gefahren bergen. Jenen, die das legale Cannabis dennoch konsumieren wollen, rät Hölblinger zur Einhaltung allgemeiner Richtlinien zum sicheren Konsum: nur in kleinen Mengen konsumieren, Wirkung abwarten und aufhören, falls diese ungewöhnlich erscheint. Wichtig sei auch, die Stimmung in der Situation zu ertasten, in der der Stoff etwa geraucht wird. Von Mischkonsum mit anderen legalen und illegalen Drogen rät Hölblinger ab, ebenso davon, Cannabis alleine zu konsumieren. (Muzayen Al-Youssef, 2.8.2023)