Eurojackpot Lottoschein mit Kugelschreiber
Ein Eurojackpot-Lottoschein vor dem Ausfüllen. Wer die richtige Zahlenkombination errät, erhält 72 Millionen Euro.
IMAGO/osnapix

Wer Lotto spielt, tut das oft mit System. Manche geben mehrere Tipps ab, um ihre Chancen zu erhöhen, manche setzen auf ein einziges Los. Und auch die Auswahl der Zahlen überlassen viele nicht dem Zufall. Den richtigen Tipp abzugeben ist keine Kleinigkeit, immerhin geht es um viel Geld. Zuletzt waren es über 72 Millionen, die nun auf 38 Personen aufgeteilt werden. Es hatte sich um einen Gemeinschaftstipp gehandelt, der auf insgesamt 63 Anteilsscheine von je etwas mehr als 1,1 Millionen Euro verteilt war. Vier Personen erwarben mehr Lose und erhalten je 5,7 Millionen Euro.

Der Erfolg der Eignerinnen und Eigner dieser Anteilsscheine mag die Frage aufwerfen, ob es sich bei solchen Gemeinschaftstipps um eine nachahmenswerte Strategie handelt. Schließlich steigt mit jedem zusätzlichen Los die Chance auf den Hauptgewinn. Allerdings wird auch der Gewinn auf immer mehr Personen aufgeteilt. Auf lange Sicht gesehen handelt es sich offensichtlich, abgesehen von einer kleinen Einschränkung, um ein Nullsummenspiel. Die 38 Österreicherinnen und Österreicher hatten demnach einfach nur Glück.

Dass das so ist, ist kein Zufall. Es liegt in der Natur von Lotterien, dass sie sich nicht austricksen lassen. Wer gewinnt, soll rein durch Zufall entschieden werden. Mehr noch, jede Regelmäßigkeit, die sich ausnutzen ließe, wäre für Lotterien ein Problem von existenzgefährdendem Ausmaß. Ziehungen müssen daher mit geeichten Zufallsmaschinen unter notarieller Aufsicht erfolgen.

"Monte Carlo" in der Wissenschaft

Diese Abhängigkeit von reinem Zufall gibt es auch in Wissenschaft und Technik. Manche Computermethoden verwenden Zufallszahlen zur Berechnung von komplexen Problemen. Ein wenig ähnelt diese Taktik dem Schießen von Pfeilen in einem dunklen Raum. Wer genügend Pfeile schießt und kontrolliert, ob er etwas trifft, bekommt nach und nach ein Bild von den Dingen, die sich darin befinden. Das funktioniert dann gut, wenn die Richtung der Schüsse auch wirklich zufällig ist. Strategien nach diesem Muster bezeichnet die Wissenschaft treffend als Monte-Carlo-Methoden, benannt nach dem Glücksspielbezirk in Monaco.

Besonderes Gewicht hat Zufall in der Kryptografie. Beim Verschlüsseln von Daten braucht es Zahlen, die als Schlüssel fungieren und die nicht öffentlich bekannt sein dürfen. Es ist also entscheidend, dass die Auswahl von Schlüsseln keinem nachvollziehbaren System folgt. Das wird über computergenerierte Zufallszahlen erreicht. Der Prozess ist so wichtig, dass jedes Betriebssystem über einfache Befehle verfügt, eine beliebig lange Reihe zufällig verteilter Zahlen zu erzeugen. Tatsächlich ist es möglich, Verschlüsselungsverfahren über eine Kontrolle dieser Zufallszahlen auszuhebeln.

Warum das Unwahrscheinliche wahrscheinlich ist

Ist es also irrational, an unwahrscheinliche Ereignisse zu glauben? Ganz so lapidar lässt sich das nicht sagen. Tatsächlich sind wir ständig von äußerst unwahrscheinlichen Ereignissen umgeben. So geschah es etwa 2009 in der bulgarischen Lotterie, dass am 6. und 10. September zweimal in Folge exakt die gleichen Zahlen gezogen wurden, nämlich 4, 15, 23, 24, 35 und 42. Im US-amerikanischen Bundesstaat North Carolina geschah dasselbe am 9. und 11. Juli 2007, natürlich mit anderen Zahlen.

Der verblüffende Effekt, der hier am Werk ist, lässt sich auch beim Vergleich der Geburtstage in einer Gruppe von Menschen beobachten. Ein Jahr hat 365 Tage, zwei Menschen mit gleichem Geburtsdatum zu finden sollte also, intuitiv betrachtet, relativ selten sein. Doch schon bei einer Gruppe von 23 Personen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei am gleichen Tag Geburtstag haben, bei mehr als 50 Prozent. Dass man hingegen in einer solchen Gruppe eine Person findet, die denselben Geburtstag hat wie man selbst, liegt bei nur sechs Prozent.

Die Erklärung dafür liegt darin, dass wir Menschen dazu neigen, in Situationen wie dieser die Menge an möglichen Kombinationen zu unterschätzen. Im Fall von mehrfach gezogenen Gewinnzahlen bei Lotterien unterschätzen wir die Anzahl der weltweiten Lotterien ebenso wie die Zahl der möglichen Paarkombinationen. Wie bei Geburtstagen ist es viel wahrscheinlicher, zwei beliebige gleiche Gewinnzahlenreihen zu erhalten, als eine bestimmte Gewinnzahlenreihe zweimal. Ähnliches gilt auch für andere Häufungen an unwahrscheinlichen Ereignissen in unserer Umgebung, die wir oft "Schicksal" nennen. Wir haben keine rechte Vorstellung von der astronomischen Menge der Situationen, in denen etwas Unwahrscheinliches passieren kann.

Stapel mit Lottoscheinen
Lottoscheine in einer Annahmestelle am Stephansplatz.
www.corn.at Heribert CORN

Dass Unwahrscheinliches passiert, ist ziemlich wahrscheinlich, wir wissen nur im Voraus nicht, wo. In diesem Sinn täuschen wir uns auch gern, wenn wir einschätzen wollen, ob wir nah oder weniger nah an einem Gewinn waren. Einzelne Zahlen richtig zu haben ist relativ wahrscheinlich. Eine bestimmte Zahl, etwa die erste, richtig zu haben, ist schon viel unwahrscheinlicher. Diese Täuschung ist sicher ein Schlüssel für den Erfolg von Lotterien, deren Geschichte sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt. In Österreich führte Kaiserin Maria Theresia 1751 die erste Lotterie ein.

Glücksspiel als Problem

Glücksspiel kann dennoch, wie andere Täuschungen, denen wir gern auf großen Kinoleinwänden folgen, für wohligen Nervenkitzel sorgen. Doch es gibt auch eine ernste Facette. Laut Sozialministerium gibt es in Österreich zwischen 40.000 und 60.000 Personen, die von Glücksspiel auf Automaten oder in Casinos abhängig sind. Dazu kommen noch einmal 60.000 Personen, die in Bezug auf Onlineglücksspiel entweder abhängig oder zumindest gefährdet sind. Abhängigkeit von Glücksspiel ist oft ein existenzgefährdendes Problem, das die ganze Familie mit einbezieht. Wer sich Hilfe holen will, findet etwa auf der Website des Finanzministeriums Anlaufstellen. Beim Lottospielen ist die verhältnismäßig geringe Anzahl der Ziehungen – zweimal pro Woche – ein Schutz. Und auch der mögliche Gesamtgewinn, bei der Eurolotterie nicht immer gleich hoch, ist aus Spielerschutzgründen mit 240 Millionen gedeckelt. Der Gewinn wird dann an die Personen ausgeschüttet, die den richtigen Zahlen am nächsten kamen.

Zurück zur Frage nach dem Erfolg von Gemeinschaftstipps. Die Chance auf den Hauptgewinn beträgt in der Euromillionenlotterie etwa eins zu 140 Millionen. Auch größere Spielgemeinschaften machen den Gewinn also nicht sonderlich wahrscheinlich, es sei denn, Millionen Menschen würden sich zusammentun.

Die größten Gewinnchancen hätte hier eine Kooperation aller teilnehmenden Personen: Der Gewinn würde mit hundertprozentiger Sicherheit an diese Tippgemeinschaft gehen, die sich das Preisgeld dann aufteilen müsste. Jede Spielerin und jeder Spieler würde dann einen Teil des Gewinns bekommen, der in etwa dem Wetteinsatz entspräche. Nicht ganz, denn das ist die oben genannte Einschränkung: Ein Teil des Geldes wird von den Lotterien einbehalten. Wie schon im Casino gibt es beim Glücksspiel immer nur einen wirklichen Gewinner: den Betreiber. Nach dieser Logik wäre es am klügsten, das Geld für den Lottoschein zu behalten. Der Nervenkitzel würde dabei aber verlorengehen. (Reinhard Kleindl, 2.8.2023)