Laura Ludwig Beachvolleyball
Um alles zu schaukeln, kann Laura Ludwig auf ihre Eltern, ihren Mann und eine Freundin zählen.
IMAGO / Beautiful Sports

Es ist heiß, aber Laura Ludwig hat Eis mitgebracht. Mit den in ein Tuch eingewickelten Würfeln kühlt sie diverse Blessuren, die sie sich in der Sandkiste zugezogen hat. Die 37-jährige deutsche Beachvolleyballerin ist aktuell bei der EM auf der Wiener Donauinsel engagiert. Die Olympiasiegerin hat im November 2022 ihr Comeback nach der zweiten Babypause gegeben und versucht nun mit ihrem Mann und Trainer Imornefe Bowes, einem schottischen Ex-Volleyballer, und mit ihrer Partnerin Louisa Lippmann wieder in höhere Sphären vorzustoßen. In einem Interview mit der deutschen Sporthilfe sagte sie kürzlich: "Beim Thema Mütter im Leistungssport bekomme ich das Grauen". Mit dem STANDARD sprach sie über das Leben mit zwei Kindern (fünf Jahre bzw. 15 Monate alt) auf der Tour. Wie das funktioniert, erzählt sie sprudelnd wie eine Quelle. Es gilt, Zeit zu sparen.

STANDARD: Wie funktioniert das Leben als Spitzensportlerin auf Reisen und zweifache Mutter in der Praxis?

Ludwig: Oma und Opa sind wie hier in Wien immer wieder mal dabei. Auch eine Freundin hilft uns. So funktioniert das gerade echt gut. Während des Turniers sehe ich sie selten, aber wenn ich sie sehe, dann tut es mir gut. Ich habe auch Turniere, wo beide Kinder zu Hause sind. Dann ist auch mein Mann zu Hause, und dann haben Louisa und ich eine andere Trainerin. Dann kann ich Energie tanken, mich nur auf Beachvolleyball konzentrieren und muss mich nicht schon beim Frühstück um jemanden kümmern.

STANDARD: Wie läuft es zu Hause?

Ludwig: Dann gibt es den ganz normalen Alltagswahnsinn. Aber das ist gut organisiert und macht beides Spaß. Weil wir eben tolle Leute um uns herum haben, die uns unterstützen. Wir haben auch zwei Nannys, die abwechselnd da sind. Mit dem Kleinen fangen wir jetzt mit der Eingewöhnung für den Kindergarten an. Dann wird es vielleicht ein bisschen einfacher. Leider sind meine Eltern in Berlin, wir in Hamburg.

STANDARD: Müssen Sie Abstriche beim Training in Kauf nehmen?

Ludwig: Wir planen nach dem, was wir im Beachvolleyball brauchen. Mit der Sensibilisierung, dass auch mal ein Training spontan verschoben wird. Oder ich jetzt als alte Dame auch mal sagen kann: Okay, ein Training muss ich jetzt mal weglassen, damit ich wieder Energie tanken kann. Ich habe gelernt, dass ich auch mal Nein sagen muss. Das kommt einmal in drei Monaten vor.

STANDARD: Bleibt genug Zeit für die Kinder?

Ludwig: Die Zeit, die ich mit den beiden Lippen (Plappermäulern, Anm.) verbringe, ist die Quality-Time. Wichtig ist, dass ich auch auf mich achte. Dass ich mir auch die Zeit nehme, wenn ich mich ausruhen muss. Dann habe ich auch Energie für meine Kinder und kann 100 Prozent geben. Das geht halt nur, wenn ich bei mir bin, gut gegessen, geschlafen und alles erledigt habe, wie in einem normalen Achtstundenjob.

STANDARD: Hat die Doppelbelastung vielleicht auch einen positiven Effekt?

Ludwig: Ich finde es krass, dass alle Mamis fitter auf die Beach-Tour zurückkommen. Das muss vielleicht auch damit zusammenhängen, dass du alles zusammenbringen und gut organisiert sein musst, damit du auch beiden Leidenschaften zu hundert Prozent nachgehen kannst. Vielleicht ist auch mehr Entspanntheit dabei. Ich habe begonnen zu studieren, das ist nicht mein Ding, aber ich habe es für meinen Kopf anfangen müssen, damit ich nicht nur über Beachvolleyball nachdenke. Vielleicht ist das Mutterdasein auch eine gute Ablenkung.

STANDARD: Was haben Sie studiert?

Ludwig: Medienkommunikationsmanagement. Ich wollte es eigentlich weitermachen, aber dann sind die Kinder dazwischengekommen. Es hat aber Spaß gemacht, bis VWL kam, dann habe ich es gelassen. Ich habe auch noch die Ernährungs-B-Lizenz gemacht. Durch den Sport habe ich Interesse an der Ernährung, auch an der Psychologie. Mentale Sachen interessieren mich total.

STANDARD: Lassen sich etwaige Trainingsdefizite durch Routine kompensieren?

Ludwig: Ich mache genau das gleiche Trainingspensum wie vor den Kindern. Es ist ein bisschen anders strukturiert, aber vom Umfang wie das von Louisa. Ich habe jetzt auch mal Balleinheiten nahe beieinander, um danach für meine Kinder da zu sein. Oder ich mache Krafttraining um 20 Uhr im Keller, wenn sie im Bett sind. Man muss flexibler sein und sich anpassen.

STANDARD: Läuft alles wie geplant?

Ludwig: Es war einmal anders geplant, dass mein Mann mehr zu Hause mit den Kindern ist, nicht immer die Headcoach-Rolle übernimmt. Aber ich will es nicht ohne ihn machen. Ich habe ihn die vergangenen fünf Jahre sehr intensiv als Trainer erlebt, vorher nur als Privatperson. Ich möchte das gar nicht mehr anders. Das Training ist sehr komplex, was das Zurückkommen von der Schwangerschaft angeht, was die Athletik betrifft und wenn es darum geht, Louisa von einer Hallen- zu einer Beachvolleyballspielerin zu machen.

STANDARD: Wie schwierig war es, nach der Babypause wieder zurück zum Sport zu finden?

Ludwig: Ich habe mir keinen Druck gemacht. Step by step. Mein Mann hat einen guten, strukturierten Plan gemacht. Dem habe ich vertraut und war entspannter als nach der ersten Schwangerschaft. Damals habe ich mich viel zu sehr unter Druck gesetzt. 2016 habe ich mich unschlagbar gefühlt, und so wollte ich weitermachen. Nach der zweiten Schwangerschaft wusste ich, es braucht zehn bis zwölf Monate, bis ich sagen konnte: "I am really back." Es ist vom Kopf her noch schwieriger als vom Körper.

STANDARD: Braucht es mehr Verständnis und Unterstützung für Frauen mit Doppelbelastung?

Ludwig: Es muss sich generell erst noch in den Köpfen verbinden, dass Familie und Arbeit zusammenpassen können und dürfen. Man sollte ein bisschen Brainstorming machen, wie man das zusammenbringt. Es fehlt an vielen Ecken, diesbezüglich ist mein Kopf so voll, dass ich gar nicht die gewissen Beispiele parat habe. Aber man spürt, dass man Vorreiter sein muss, bis da wer aufwacht und merkt, da müsste man unterstützen. Auch in anderen Sportarten. Man verliert oft seinen Kaderplatz, wenn man schwanger war, und muss lange warten, bis man wieder finanzielle Unterstützung bekommt. Auf viele Sportlerinnen kann man aber nach dem Mamadasein zählen. Man muss sie nicht abschreiben. Sie sind fitter, organisierter, vom Kopf her erfahrener.

STANDARD: Hat man auch Ihnen als Olympiasiegerin und Weltmeisterin Steine in den Weg gelegt?

Ludwig: Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn mir was geschenkt wird und ich es bestätigen muss. Das funktioniert bei mir nicht so richtig. Aber in unserer Konstellation, Louisa als ehemalige Hallenspielerin und ich als Rückkehrerin von der Schwangerschaft, haben wir vergangenes Jahr keine Punkte gesammelt. Mit dem System bist du die ganze Zeit nur am Hecheln nach Punkten. Auf der Tour dreht sich gerade alles nur um die ersten zehn Teams und der Rest muss sich schlagen, um hochzukommen. Was auch richtig ist, aber irgendwie zerfleischen sich gerade alle in diesem Punktesystem. Ich will das aber nicht als Ausrede nehmen. Generell wäre wünschenswert, dass jemand an uns glaubt und denkt, wir schaffen das. Wir brauchen aber einen Prozess und Zeit dafür. Nicht dass es heißt, ihr habt doch schon fünf Turniere gespielt, da müssen doch jetzt mal Ergebnisse geliefert werden.

STANDARD: Mann und Trainer. Klingt praktisch. Ist es manchmal auch problematisch?

Ludwig: Jede Konstellation hat seine Vor- und Nachteile. Mit zwei Kindern alles unter einen Hut zu bringen ist schon eine große organisatorische Aufgabe. Aber ich liebe es, mit meinem Mann zusammenzuarbeiten, er ist der beste Trainer, den ich je hatte. Wir haben eine gute Balance gefunden. Manchmal haben wir uns aber richtig in den Haaren, dann hilft uns eine Psychologin, uns besser zu verstehen und nicht nur zu interpretieren.

Laura Ludwig (re.) mit ihrer neuen Beach-Partnerin Louisa Lippmann auf der Donauinsel.
IMAGO/Justus Stegemann

STANDARD: Welche sind die größten Schwierigkeiten bei der Umstellung von Hallenboden auf Sand?

Ludwig: Für Louisa ist es eine ganz neue Sportart. Sie muss erst mal lernen, was es bedeutet, allein auf sich gestellt zu sein, sich nicht auf andere verlassen zu können. Sie braucht eine neue Technik. Es ist komplett anders, wie man springt, wie man sich überhaupt im Sand bewegt. Da muss man sich reinfinden. Man hat keine Auswechselspieler, kann sich nicht ausruhen. Das ist eine harte Nummer. Wir spielen gemeinsam erst unser siebtes internationales Turnier. Müssen uns erst einmal finden, wie wir uns unterstützen können, wie wir überhaupt ticken. Wir müssen uns verstehen, wir müssen eine Sprache sprechen. Gerade Frauen interpretieren viel, da muss man erst mal gucken, dass man auf einen Nenner kommt und die Hosen runterlassen. Das ist eine sehr offene, intensive Zeit über zwei Jahre. Wenn wir es zu lange plätschern lassen und uns nicht intensiv austauschen, dann wäre es eine verlorene Zeit.

STANDARD: Wie zuversichtlich sind Sie hinsichtlich Olympia 2024?

Ludwig: Darüber darf man nicht nachdenken. Wir sind noch weit von Paris entfernt, und es ist noch ein schwieriger Prozess, weil wir noch in der Entwicklung sind, aber eigentlich Punkte erkämpfen müssen. Es fehlt immer mal wieder die Konsequenz und die Konstanz. Es ist das Gefühl da, dass keine Zeit ist, aber eigentlich sind die Turniere da, wo wir funktionieren müssen. Das ist vom Kopf her schwer. Aber wir haben die Challenge angenommen. Wenn wir aber darüber nachdenken, wie weit wir noch von Paris weg sind, dann nehmen wir uns so viel Energie, dass wir in das Turnier gar nicht mehr reingehen brauchen. (Thomas Hirner, 4.8.2023)