Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs könnte in Verbindung mit Urteilen des Europäischen Gerichtshofs weitreichende Folgen haben.
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Im Gastbeitrag erklären die Juristen Lukas Flener und Nikolaus Krausler, warum eine aktuelle Gerichtsentscheidung für Unruhe in der Immobilienwirtschaft sorgt.

Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten. Ein Grundprinzip unserer Rechtsordnung, kurz, klar und logisch. Aber sind Verträge das wirklich? Mitnichten gilt dies nämlich in jenen Angelegenheiten, in denen Juristen von einer "verdünnten Willensfreiheit" sprechen, also eine der Vertragsparteien klassischerweise der anderen Partei in irgendeiner Weise unterlegen ist und so daher möglicherweise Klauseln ungewollt akzeptiert.

Dies gilt im Besonderen im Mietrecht. Hier greifen gleich zwei sehr strenge Schutzregime zugunsten von Mietenden: Zum einen gilt in aller Regel das Mietrechtsgesetz (MRG). Zum anderen greift das Konsumentenschutzgesetz (KSchG), wenn es sich aufseiten der vermietenden Partei um ein Unternehmensgeschäft handelt, was bei natürlichen Personen ab fünf Wohnungen in der Vermietung angenommen wird und wenn der mietenden Partei aufgrund des Privatgeschäfts Konsumenteneigenschaft zukommt.

In dieser Konstellation hat der Mieter also einen besonderen Doppelschutz. Selbst wenn eine Klausel nicht gegen das ohnehin schon strenge MRG verstößt, so kann sie dennoch wegen Verstoßes gegen das Konsumentenschutzgesetz (KSchG) (und § 879 Abs. 3 ABGB) ungültig sein. Und eine jüngst ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) beflügelt hier ganz besonders die Fantasien der Mietenden: Ist die Mietpreisbremse gar schon da? Sind Indexierung und Betriebskosten passé?

"Intransparente" Vertragsklausel

In seiner Entscheidung vom 21. März 2023 (2 Ob 36/23t) hat der OGH gleich mehrere Klauseln als "intransparent" oder "gröblich benachteiligend" eingestuft: So erachtet es das Höchstgericht etwa als gröblich benachteiligend, der mietenden Partei generell zu verbieten, Fliesen im Mietgegenstand anzubohren. Hohe Welle schlagen aber vor allem die Ausführungen des OGH zu den Wertsicherungsklauseln (Indexierung) und zu den Betriebskosten, die der OGH ebenfalls für unwirksam erklärte.

Hintergrund ist, dass der OGH in seiner Judikatur zum KSchG und § 879 Abs. 3 ABGB stets die konsumentenfeindlichste Auslegung einer bestimmten Klausel annimmt und auf dieser Basis beurteilt, ob sie intransparent oder gröblich benachteiligend ist. Weitreichende Konsequenz dieser Beurteilung ist, dass die Klausel ungültig und damit zur Gänze nicht anwendbar wird. Und dies gilt auch für kündigungsgeschützte Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge nach MRG und wirkt sich somit bei diesen sehr langfristig aus. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel oder deren Ersatz durch eine dem Parteiwillen entsprechende Klausel findet nicht statt.

Unklarheit bei Index

Bei der zu beurteilenden Indexklausel ging es um zwei Dinge: Die verwendete Regelung zu einem "am meisten entsprechenden" Ersatzindex, der an die Stelle des klar vereinbarten Verbraucherpreisindex (VPI) treten sollte, wurde als intransparent angesehen. Neben der sachlichen Rechtfertigung der für die Entgeltänderung maßgeblichen Umstände müssen nämlich folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Zweiseitigkeit, Festlegung im Vertrag und Unabhängigkeit vom Willen des Unternehmers. Im Übrigen verstößt die Klausel laut OGH auch gegen § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG, weil bei "kundenfeindlichster (konsumentenfeindlichster)" Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte.

Und hier wird es im Lichte der Ungültigkeit einer Klausel spannend: Einige Kommentatoren gehen – unter Berufung auf die Entscheidung "Gupfinger" des Europäischen Gerichtshofs – davon aus, dass diese Beurteilung in künftigen Fällen dazu führen könnte, dass – selbstverständlich je nach individueller Ausgestaltung – die gesamte Wertsicherungsklausel ungültig ist, also auch jener Teil, der klar den anwendbaren VPI festlegt, wobei dieser VPI ja auch noch veröffentlicht wird.

Gute Argumente in beide Richtungen

Dies wäre insofern ein bemerkenswertes Ergebnis, als der OGH in just dieser Entscheidung doch ausdrücklich anerkennt, dass eine Wertsicherungsklausel "durch das legitime Bedürfnis des Vermieters gerechtfertigt [ist], das Entgelt – insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten – an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren". So hat der OGH in einer Entscheidung aus 2019 eine sehr ähnlich formulierte Klausel („oder dem an seine Stelle tretenden Index“) noch als wirksam angesehen. Einige Kommentatoren treten einer solch weitgehenden Auswirkung der jetzigen Entscheidung daher mit guten Argumenten entgegen. Überraschend kann eine solche Regelung jedenfalls in Österreich nicht sein, findet sie sich doch in der einen oder andere Form praktisch seit jeher in Mietverträgen.

In einer Entscheidung vom 24.5.2023 (8 Ob 37/23h) hat der OGH aber zur Ungültigkeit einer Wertsicherungsklausel in mietrechtlichen AGB mit Koppelung an den Richtwert nachgelegt: Da diese periodische Richtwertanpassung de facto praktisch nie mit dem Mietvertragsbeginn zusammenfällt, bezieht sich die erste Anpassung der Miete auf einen Referenzwert vor Mietvertragsbeginn und bezieht so zumindest teilweise auch Preisentwicklungen aus Perioden vor Vertragsabschluss mit ein. Dies sei benachteiligend (§ 879 Abs. 3 ABGB) und damit in diesem Fall unzulässig.

Ähnliche Fragen wegen Intransparenz stellen sich laut OGH auch bei Klauseln zu Betriebskosten, sollte aus der Klausel nicht hervorgehen, was unter "Betriebskosten" zu verstehen ist. Vielleicht hilft hier aber die gesetzliche Definition in § 21 Mietrechtsgesetz. Es bleibt jedenfalls spannend. Bei Neugestaltung von Mietverträgen gilt es einiges zu berücksichtigen und vielleicht zu verbessern. (Lukas Flener, Nikolaus Krausler, 6.8.2023)