"Das hat es seit mehr als hundert Jahren nicht gegeben", ist sich der pensionierte Steirer sicher. "Im 56er-Jahr, da war auch ein wildes Hochwasser – das was jetzt ist, sowas hab ich aber noch nie gesehen". Er zeigt von seinem Hof in Wagna bei Leibnitz in Richtung Süden, nur wenige Meter einen kleinen Abhang hinunter. Dort steht sein Wald, liegen seine Wiesen und Äcker – mehr als einen Meter unter Wasser. Die Kürbisse und die "Sterzbam", wie man in der Südsteiermark gern zum Mais sagt, "alles hin. Wenn jetzt noch ein Wind kommt, fliegen da unten der Reihe nach die Eschen und sicher auch ein paar Eichen."

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Evakuierte Häuser

Noch schlimmer als den Pensionisten hat es in seiner Umgebung viele getroffen. Wo seine Äcker und sein Wald liegen, stehen auch Häuser – ebenfalls mehr als einen Meter tief im Wasser. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden evakuiert. Als am Samstagnachmittag der Regen etwas weniger wird, machen sich dennoch zwei Menschen auf den Weg vom Dorf hinunter in Richtung Sulmspitz, dort wo Sulm und Mur zusammentreffen und ein riesiges Areal überschwemmt haben.

Zwei Menschen gehen mit kurzen Hosen durchs Wasser.
Zwei Personen gehen in Wagna in der Südsteiermark durchs Hochwasser noch einmal zu ihrem Haus, das sie am Vortag verlassen mussten, weil es überschwemmt wurde.
Guido Gluschitsch

Wenige hundert Meter weiter klagt eine Frau: "Vor ein paar Wochen habe ich eine neue Heizung und Pellets bekommen. Jetzt ist alles hin und ich hoffe, dass ich wenigstens irgendwas von der Versicherung kriege." Sie hat nur eine kleine Pension und quasi das ganze Ersparte für die Heizungsumstellung ausgegeben. Gegenüber ihres Hauses ist eine Bahnunterführung. Die ist fast bis oben hin voll mit Wasser. "Vor ein paar Stunden waren es noch 20 Zentimeter mehr. Das Wasser geht jetzt zum Glück eh zurück." Ihr Keller steht aber immer noch unter Wasser. Das Abpumpen ergebe keinen Sinn, erklärt ein Feuerwehrmann. Das Grundwasser ist so stark angestiegen, dass sofort wieder in den Keller rinnt, was die Feuerwehr abpumpen kann.

Eine Unterführung die überschwemmt ist.
Diese Unterführung in Wagna war am Samstag am Vormittag noch komplett überschwemmt. Bis zum Nachmittag ging das Wasser schon um mehrere Zentimeter zurück.
Guido Gluschitsch

"Wir pumpen im Kreis", beschreibt der Feuerwehrkommandant von Obervogau, Thomas Dworschak, die gleiche Situation in seinem Ort. Am Freitag um sechs Uhr früh rückten die Obervogauer das erste Mal aus, um im Nachbarort Ehrenhausen zu helfen. Nicht einmal vier Stunden später mussten sie im eigenen Ort die ersten Keller auspumpen anfangen. Kurz darauf waren sie mit drei Trupps im Einsatz – der dritte verstärkte Kolleginnen und Kollegen erst in Großklein, kurz darauf in Heimschuh – eine von mehreren Gemeinden in der Steiermark, die zum Katastrophengebiet erklärt wurden.

Drexler verspricht Hilfe

Am Samstagnachmittag besuchte Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) den Ort, dankte den Feuerwehrleuten und versprach rasche wie auch langfristige Hilfe – einmal durch Geld aus dem Katastrophenfonds, einmal durch Hochwasserschutzprojekte. Zu dem Zeitpunkt waren die Feuerwehrleute aus Obervogau noch in Heimschuh im Einsatz. Von einem ihrer Boote aus mussten sie einen Baum umschneiden, der auf eine Oberleitung gefallen war. Wenige Stunden davor retteten sie in Wagna, beim Silberwald, ein Pferd aus der Sulm. Am Abend evakuierten sie ebenfalls dort ein älteres Ehepaar aus ihrem Haus.

Christopher Drexler schüttelt einem Feuerwehrmann die Hand.
Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) reiste nach Heimschuh, um sich vor Ort ein Bild zu machen und den Einsatzkräften zu danken.
Guido Gluschitsch

"Das ist das schlimmste", sagt ein Feuerwehrmann, "wenn du einen alten Menschen aus seinem Haus holen musst. Du merkst ihnen an, dass sie nicht wissen, ob sie je wieder zurück kommen können und welche Angst sie haben." Wenige Häuser weiter von dem Ort, wo das alte Ehepaar evakuiert wurde, steht ein Mann in seinem Hof. Auch er musste am Freitag sein Haus verlassen. Nun betrachtet er den Schaden. "Am Anfang konnte ich mit meinen zwei kleinen Pumpen das Wasser im Keller noch in Schach halten. Aber als ich merkte, dass es gleich auch beim Kellerfenster reinrinnen wird, musste ich aufgeben." Er ist frustriert, sein Keller steht 150 Zentimeter unter Wasser – am Vorabend war es noch der gesamte Keller. "Beim Nachbarn ist das Erdgeschoss niedriger", sagt er und zeigt auf einen Bungalow. "Dort schwimmt überhaupt alles." Er erinnert sich, dass er 2014 schon Wasser im Keller hatte. "Seit damals reden sie, dass sie einen Damm machen wollen. Passiert ist nichts. Und jetzt stinkt mein ganzes Haus nach Heizöl."

Geplatzter Heizöltank

In der ganzen Gegend riecht es so. Ein paar Häuser weiter ist ein Öltank geplatzt, mit dem Hochwasser gelang das Heizöl auch in die umliegenden Häuser. Die Feuerwehr ist überzeugt, die Situation im Griff zu haben und den Umweltschaden möglichst klein halten zu können.

"Wir haben keinen großen Schaden", sagt ein junges Paar in St. Paul im Lavanttal. Auf der kärnterischen Seite der Soboth ist das Bild ein ähnliches wie auf der steirischen. Aus den Häusern ragen Schläuche, aus denen Wasser fließt. "Wir hatten zum Glück nicht viele Sachen im Keller und das was unten war, konnten wir nach oben bringen", sagen die beiden. Vor ihrem Haus liegen ein paar nasse Bretter. Der Haufen sieht aus, als könnten es die einstigen Kellerregale gewesen sein. "Wir haben Glück gehabt", sagen sie. Am Freitagabend stand der Keller noch mehr als einen Meter tief unter Wasser, nach dem Abpumpen sind es nun nur noch wenige Zentimeter, und es werden jetzt nicht mehr. Anders als bei der Nachbarin. Da wird das Wasser im Keller nicht weniger.

Ein Haus, aus dem zwei Schläuche ins Freie führen um Wasser abzupumpen.
Aus fast jedem Haus im Zentrum von St. Paul im Lavanttal führen Schläuche aus dem Keller auf die Straße.
Guido Gluschitsch

Das Problem, erklärt ein Feuerwehrmann der Stabstelle in St. Paul, war anfangs, dass der Pegel der Flüsse höher war als der Kanal. So drückte es das Wasser durch die Abwasserrohre in die Häuser. Nachdem am Samstag am Vormittag die Pegelstände langsam zurückgingen, war dieses Problem beseitigt. Es tat sich aber ein anderes auf – ähnlich wie in der Steiermark. Der Grundwasserspiegel war inzwischen so weit angestiegen, dass undichte Keller vollgelaufen sind. "Es ist fast sinnlos", sagt ein Feuerwehrmann, "Was wir aus dem Keller rauspumpen, landet eigentlich im Grundwassers – und das Wasser im Keller wird nicht weniger."

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Angst vor Erdrutschen

Auch in der Gemeinde St. Paul sind mehrere Feuerwehren im Einsatz. "Wir sind bereits dabei, die Schäden zu beseitigen", heißt es von der Stabstelle am Samstag am Vormittag. Man fürchtet aber, dass es durch die nassen Böden zu Hangrutschungen kommen könne. Dann wären die Kräfte wieder an anderer Stelle gebunden. "Es geht uns gut", sagt ein Feuerwehrmann in St. Paul, der aus einer Gemeinden in der Umgebung gekommen ist. "Wir konnten in der Nacht ein paar Stunden schlafen." Wie viele? "Ich glaub, so gegen vier Uhr war ich daheim, kurz vor acht Uhr sind wir wieder ausgerückt." (Guido Gluschitsch, 5.8.2023)