Zwei Jugendliche küssen sich, aber nicht auf den Mund, sondern im Abstand von einem Meter
EBV kann das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen. Dieses wird auch "Kissing Disease" genannt, weil vor allem Jugendliche und junge Erwachsene daran erkranken. Eine Impfung gegen das Virus könnte das wahrscheinlich verhindern.
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Es klingt erst einmal recht harmlos, immerhin sind 95 bis 98 Prozent der Menschen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) infiziert. Etwa die Hälfte steckt sich bereits im Altern von unter fünf Jahren mit dem Virus aus der Herpes-Familie an. Und die meisten spüren es nicht einmal, die Infektion verläuft in der Regel umso harmloser, je jünger man ist. Doch vor allem Jugendliche und junge Erwachsene können nach einer Infektion Pfeiffersches Drüsenfieber entwickeln, etwa zehn Prozent dürften davon betroffen sein. Das Virus überträgt sich vor allem über den Speichel, weshalb das Drüsenfieber auch "Kissing Disease" genannt wird. Typische Symptome sind extreme Müdigkeit, Fieber, geschwollene Lymphknoten und Organe oder auch Hautausschläge und anderen Komplikationen. Oft dauert es Wochen oder sogar Monate, bis sich die Erkrankten wieder vollständig erholt haben.

Einmal infiziert, bleibt das Virus für immer im Körper, wie es generell bei Herpesviren der Fall ist. Mit einem gesunden Immunsystem erkrankt man in aller Regel nur einmal an Pfeifferschem Drüsenfieber. Doch EBV kann auch noch andere Krankheiten auslösen, in seltenen Fällen trägt es zur Entwicklung von einigen Krebsarten bei, wie etwa dem Burkitt-Lymphom oder gewissen Formen von Nasen- und Rachentumoren.

Und es kann auch das Immunsystem langfristig beeinträchtigen. Die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose kann nach einer EBV-Infektion folgen. Weiters steht sie im Verdacht, das chronische Fatigue-Syndrom ME/CFS auszulösen. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zuletzt als die schwerste Form von Post Covid mehr Aufmerksamkeit bekommen hat. Die Krankheit an sich gibt es aber schon viel länger, die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sie bereits im Jahr 1969 als eigenes Krankheitsbild beschrieben. Sie kann infolge jeder schweren Virusinfektion auftreten, die das Immunsystem angreift, etwa Influenza oder Covid-19. Viele schon länger Betroffene sind auch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert.

Bisher kein Schutz

Spezifische Behandlung gibt es gegen das Pfeiffersche Drüsenfieber nicht, in den meisten Fällen werden Schmerzmittel und Ruhe verordnet. Da die Infektion von Viren ausgeht und nicht von Bakterien, helfen Antibiotika nicht. Auch die gängigen antiviralen Mittel bringen wenig bis keine Besserung. Bisher gibt es auch keinen zugelassenen Impfstoff gegen das Epstein-Barr-Virus, und nur sehr wenige Kandidaten werden derzeit in klinischen Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit am Menschen überprüft. Doch nun gibt es vielversprechende Daten zu einem neuen Proteinimpfstoff, der in Mäusen eine umfangreiche Immunantwort gegen EBV auslöst. Die Studie einer australischen Forschungsgruppe rund um Rajiv Khanna wurde soeben im Fachjournal "Nature Communications" publiziert.

Umfangreiche Daten von Blutproben aus mit an Menschen angepassten Mäusen zeigen, dass sich durch das Vakzin sowohl Antikörper als auch spezifische T-Zellen gebildet haben. Letztere sind der ausschlaggebende Teil der natürlichen Immunantwort auf eine Infektion mit dem Virus aus der Herpesfamilie. Nicht untersucht wurde allerdings, wie wirkungsvoll die Impfung vor einer EBV-Infektion schützen kann.

Der getestete Impfstoff besteht aus drei Komponenten: einem Oberflächenprotein von EBV, einem Komplex aus 20 verschiedenen Virusabschnitten, die von T-Zellen des Immunsystems erkannt werden können und einem Adjuvans, also einem Wirkverstärker, namens AMP-CpG. Es soll dafür sorgen, dass die Impfstoffbestandteile besser in die Lymphknoten transportiert werden, damit sie vom Immunsystem effizienter erkannt werden können.

Unsichtbare Virusreservoirs

Was bedeutet das für die Impfstoffentwicklung? In der Forschung sind noch einige Fragen zu EBV offen, was auch die Vakzin-Herstellung erschwert. "EBV bildet für das Immunsystem unsichtbare Reservoirs in Körperzellen, die auch von T-Zellen, die für die Langzeitimmunität verantwortlich sind, übersehen werden. Die Vermehrung des Virus im Körper muss eine gewisse Stärke erreichen, damit das Immunsystem eine Infektion registriert und reagieren kann. Deshalb kann es natürlicherweise vorkommen, dass ein Mensch gleichzeitig mit verschiedenen EBV-Stämmen infiziert ist", erklärt Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Diese Ausgangslage macht es möglich, dass sich ein Mensch mehrmals mit EBV infizieren kann. "Hat eine Impfung also zum Ziel, das Virus vollständig aus dem Körper zu entfernen oder initial fernzuhalten und Reservoirs zu verhindern, müsste sie eine viel bessere Immunantwort hervorrufen können als natürliche Infektionen. Es ist sehr fraglich, ob so eine sterile Immunität erreicht werden kann."

Es gibt Hersteller, die bereits klinische Daten zu ihren Impfstoff-Kandidaten erheben oder schon präsentiert haben. Das Unternehmen Moderna etwa entwickelt mRNA-Impfstoffe für verschiedene Altersgruppen. Das US-amerikanische nationale Gesundheitsinstitut (NIH) untersucht zusammen mit dem Hersteller Merck Nanopartikel- und einen weiteren Proteinimpfstoff in klinischen Versuchen. Die jetzt präsentierte Studie sei ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Vakzin. Und sie trage dazu bei, die natürliche Antwort gegen EBV besser zu verstehen.

Schwierige Impfstoffentwicklung

Noch weiß man allerdings nicht, welche Antigene ein optimaler EBV-Impfstoff enthalten muss, sagt Wolfgang Hammerschmidt vom Helmholtz-Zentrum München, der selbst an der Entwicklung eines EBV-Vakzins mitarbeitet. "Alle Menschen bilden, wenn sie mit EBV infiziert sind, ein breites Spektrum an Antikörpern und T-Zellen mit antiviralen Eigenschaften. Zum Teil handelt es sich dabei um Immunantworten, die keinerlei erkennbare antivirale Funktion haben. Wir kennen das sogenannte 'correlate of protection' nicht." Alle Experten seien sich einig, dass T-Zellen mit antiviralen Effektorfunktionen entscheidend sind, doch die kritischen viralen Antigene sind nicht identifiziert – und genau das mache die Impfstoffentwicklung so schwierig.

Da die Maus vom Menschen entwicklungsgeschichtlich weit entfernt ist und nur relativ wenige Proteine und Virusabschnitte im nun vorgestellten Impfstoff enthalten sind, sei die potenzielle Bedeutung des Vakzins noch schwer abschätzbar, urteilt Hammerschmidt. Nun seien klinische Studien am Menschen nötig, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu überprüfen. "Der finanzielle, organisatorische und regulatorische Aufwand dafür ist sehr hoch, die Kosten bis zu einer eventuellen Marktzulassung dürften mindestens 500 Millionen Euro betragen."

Und er ergänzt, dass man bei Herpesviren generell – zu denen ja auch EBV gehört – wohl eher nicht davon ausgehen könne, dass ein Impfstoff eine Infektion verhindern und so eine sterile Immunität erzeugen kann. "Das hängt mit der perfekten Adaption des Virus an den Menschen während der Evolution der Primaten zusammen. Bestenfalls wird ein Impfstoff die immunologische Kontrolle über das Virus, das in allen EBV-Infizierten lebenslang persistiert, verbessern." Und es sei wahrscheinlich möglich, einen guten prophylaktischen Impfstoff gegen Pfeiffersches Drüsenfieber und Folgeerkrankungen wie Multiple Sklerose zu entwickeln. Ob das auch für Tumorerkrankungen gelingen könne, sei derzeit aber sehr unsicher. Und auch die Frage nach dem Zeitpunkt, wann es so weit ist, lässt sich derzeit noch nicht beantworten. (Pia Kruckenhauser, 8.8.2023)