Ihr Podcast "Dobar loš zao" ist nach dem Spaghettiwestern "The Good, the Bad and the Ugly" (deutscher Titel: "Zwei glorreiche Halunken") von Sergio Leone benannt. Auf satirische Art und Weise nehmen die beiden Autoren das autoritäre Regime des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić aufs Korn und bieten oppositionellen Stimmen eine Plattform, die in anderen Medien, die größtenteils von der Regierung kontrolliert werden, keinen Platz finden.

Nenad Kulačin und Marko Vidojković sind so etwas wie die Gebrüder Moped Serbiens. Doch weil Serbien nicht Österreich ist, sondern ein Staat, in dem kritische Journalisten, Künstler und Oppositionelle öffentlich niedergemacht werden, wurde es zuletzt für Vidojković zu gefährlich, in Serbien zu bleiben. Die Todesdrohungen waren konkret und die Medienkampagnen des Regimes so aggressiv, dass er sich ins EU-Ausland absetzte. Nun wird er per Videokamera zu der Show der beiden zugeschaltet, die oft 100.000 Zuschauer hat.

Das Online-Medium "Danas" kündigt an: "Marko Vidojković und Nenad Kulačin sprechen beim achten Valjevo-Protest gegen Gewalt."

Vidojković witterte die autoritäre Gesinnung der Vučić-Leute schon sehr früh und kritisiert sie seit zehn Jahren. Damals wurde der Bestsellerautor ("Krallen“ – 2004, "Rotkäppchen sind alle gleich" – 2006, "Müll" – 2020) noch oft interviewt. Doch als Vučić 2014 an die Macht kam, bekam Vidojković das sofort zu spüren und verlor einige Jobs. 2015 musste er sein Belgrader Apartment verkaufen, weil er nicht mehr ausreichend Geld verdienen konnte. "Wenn du das Regime kritisierst, bekommst du von kulturellen Institutionen keine Unterstützung mehr", erzählt Vidojković dem STANDARD.

Nachdem er auf die schwarze Liste gekommen war, wich er in den Nachbarstaat Bosnien und Herzegowina aus und machte beim Sender ATV in Banja Luka eine Show namens "390 Grad". Doch der Sender wurde 2016 an Leute, die dem rechtsradikalen Regime von Milorad Dodik in Banja Luka angehören, verkauft. Vidojkovićs Show wurde abgesetzt. Die US-Regierung verhängte übrigens im Jahr 2021 Sanktionen gegen den TV-Sender.

"The Good, the Bad and the Ugly"

Vidojković musste abermals ausweichen. Er und Kulačin entschieden sich für Šabac TV. Šabac war vor 2020 die letzte Stadt Serbiens, die noch nicht unter die Kontrolle von Vučićs Partei SNS geraten war. Die Show "Dobar loš zao" wurde erfunden. "Jene kritischen Stimmen, die in Serbien auf der schwarzen Liste stehen, werden zu uns in die Show eingeladen", erzählt Vidojković. Die beiden Autoren versuchen auch, die Pfeiler des illiberalen Systems auseinanderzunehmen; einmal geht es um die Rolle der ehemaligen Kriegsverbrecher, die in Serbien im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wie Geschichtslehrer auftreten, aber auch um die politisch nationalistische Rolle der serbischen Orthodoxie.

Weil die beiden den serbisch-orthodoxen Patriarchen Porfirije wegen frauenverachtender Aussagen kritisierten, wurden sie von Propagandamedien massiv angegriffen. Der Bürgermeister von Belgrad, Aleksandar Šapić, klagte sie dreimal – dabei geht es um viel Geld. Šapić selbst hatte im Sommer 2021 Vidojković gedroht, ihm "das Herz herauszureißen", wenn er ihn treffen würde. Daraufhin erstatteten Vidojković und Kulačin Strafanzeige gegen ihn, die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.

Präsident Aleksandar Vučić und Premierministerin Ana Brnabić als Häftlings-Pappkameraden
Eine Demo im vergangenen Juni, bei der Präsident Aleksandar Vučić und Premierministerin Ana Brnabić als Häftlingspappkameraden hochgehalten wurden.
EPA/ANDREJ CUKIC

Auch Präsident Vučić selbst, die Premierministerin Ana Brnabić sowie der frühere Innenminister und jetzige Geheimdienstchef Aleksandar Vulin sprechen öffentlich negativ über die beiden Satiriker. Vulin drohte mit einer Verhaftung der Satiriker. Die beiden haben dutzende Morddrohungen ("Kugel in den Kopf", "Zunge abschneiden") erhalten. Im November drohte man den Satirikern und anderen Journalisten ("Verrätern am serbischen Volk") das gleiche Schicksal an wie den Mitarbeiten des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo", die im Jahr 2015 einem Terroranschlag zum Opfer fielen.

Als die Drohungen Ende vergangenen Jahres immer schlimmer wurden, bat Vidojković um Hilfe. Der PEN-Club stellte sich hinter hin, andere Organisationen halfen mit Stipendien. Vidojković wurde wegen der unmittelbaren Gefahr, die ihm droht, außer Landes gebracht. Er war zuvor kaum noch außer Haus gegangen und hatte einige Male seine Adresse geändert. "Von der Regierung, die selbst mein Leben bedroht, will ich keine Hilfe", sagt er zum STANDARD. Immerhin stellte sich der ehemalige Präsident Boris Tadić (2004 bis 2012) hinter ihn. Vidojković und Kulačin werden öffentlich als Vaterlandsverräter gebrandmarkt, was im nationalistisch aufgeheizten Serbien besonders schlimme Konsequenzen hat.

Denunzierung und Mord

Denn die Kampagnen der Regimemedien sind brutal. Der TV-Sender Pink pflegt Filmchen gegen Kritiker zu zeigen. 2018 wurde der moderate kosovo-serbische Oppositionspolitiker Oliver Ivanović auf offener Straße in Mitrovica mit Maschinenpistolensalven niedergestreckt. Einige Wochen zuvor war ein gegen ihn gerichtetes Propagandavideo von TV Pink ausgestrahlt worden, in dem er als "Verräter" mit einer albanischen Flagge im Hintergrund gezeigt wurde.

The Good, The Bad, and the Ugly (1966) | Official Trailer | MGM Studios
Trailer von The Good, the Bad and the Ugly
MGM

Kulačin ist zwar weiter in Serbien, hat aber Kameras rund um seine Wohnung angebracht. Weil das zu unsicher ist, kann er aber nicht mehr allein herumspazieren. Er informiert seine Verwandten, wann immer er im Auto sitzt. Kulačin meint, dass Serbien weder eine Demokratie noch ein freies Land sei. "Deshalb sind freie Journalisten wie wir Staatsfeinde", sagt er zum STANDARD. Als die Popularität der Show "Dobar loš zao" zunahm, wurden die Drohungen stärker. Kulačins Mutter wurde in einer anderen Stadt in Serbien auf offener Straße angegriffen. Der Angreifer sagte der älteren Dame, dass ihr Sohn aufgehängt werden solle. Die Behörden beschwichtigten nur.

Kulačin will trotzdem weitermachen. "Als Journalist hat man die Verantwortung, auch für Menschen zu sprechen, die Angst haben und die nicht so frei sind", meint er zum STANDARD. Er habe sich als junger Mann gedacht, dass es niemals mehr so eine schlimme Zeit geben werde wie in den 1990er-Jahren unter Slobodan Milošević. Doch nun meint er, dass das Regime vielleicht bereits bedrohlicher sei. Er hofft, dass die jetzige Protestbewegung in Serbien, die nach den Massenschießereien im Mai entstand, im Herbst weitergehen wird. Das größte Problem für die Demokratie in Serbien sei, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seiner Aufgabe nicht nachkomme, glaubt Kulačin. "Es gibt keine Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition", kritisiert er. (Adelheid Wölfl, 16.8.2023)