Das Bild zeigt die In-Ear-Kopfhörer WF-1000XM5 von Sony
WF-1000XM5: Die besten In-Ear-Kopfhörer von Sony klingen zum Glück deutlich besser als ihre sperrige Bezeichnung.
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Die 1000XM-Serie von Sony hat sich im Audiobereich über die letzten Jahre zu einer festen Größe etabliert. Wahlweise als Over-Ear (mit dem Präfix „WH“) oder In-Ear (mit dem Präfix „WF“) buchen die Wireless-Kopfhörer regelmäßig einen Stockerlplatz in den Bestenlisten ihrer Kategorie. Die neueste Generation der In-Ear-Kopfhörer scheint da keine Ausnahme zu sein. Die WF-1000XM5 (XM5) mögen im Vergleich zum Vorgängermodell spürbar geschrumpft sein, spielen im Test aber ganz groß auf. DER STANDARD hat zwei Wochen lang Probe gehört.

Beginnen wir einmal mit den schlechten Nachrichten: Die unverbindliche Preisempfehlung von Sonys neuer In-Ear-Meisterklasse liegt bei schwindelerregenden 320 Euro. Das ist ein Aufpreis von 40 Euro gegenüber der ursprünglichen UVP der Vorgänger WF-1000XM4 (XM4), die mittlerweile schon für rund 200 Euro zu bekommen sind. Wahlweise in Schwarz oder Hellgrau seit August erhältlich, sind im Lieferumfang der XM5 neben Ladecase und -kabel (ohne Netzteil) auch vier unterschiedliche Ear-Tips-Paare enthalten, um für jedes Ohr die passende Größe abzudecken.

Raum für Verbesserungen

Im Vergleich zum Vorgängermodell fällt zuerst auf, dass die XM5 deutlich kleiner geworden sind. Die Kopfhörer selbst sind um 25 Prozent geschrumpft und wiegen jeweils nur 5,9 Gramm, während das Ladecase auch deutlich kleiner ausfällt und knapp 40 Gramm auf die Waage bringt. Die kleinere und leicht tropfenförmige Bauweise erhöht den Tragekomfort enorm, der durch die Ear-Tips zusätzlich stabilisiert wird.

WF-1000XM5 von Sony
Ein (noch weißes) Gitter in den Ear-Tips sorgt dafür, dass sich kein Ohrenschmalz direkt an den Hörern sammeln kann.
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Anders als bei vielen Konkurrenten sind diese nicht aus Silikon, sondern aus Polyurethan („Memoryfoam“) gefertigt. Dieses Material passt sich besser an die Form des Gehöreingangs an und hat darüber hinaus den Vorteil, dass es auch besser abdichtet. Weniger überzeugend ist der Umstand, dass sich die Tips aufgrund ihrer Textur nicht so gut reinigen lassen und mit der Zeit selbst bei noch so gepflegten Ohren vermutlich einen unhygienischen Eindruck hinterlassen dürften.

Warum das schicke matte Finish des Ladecase nicht auch auf die Kopfhörer übertragen wurde, bleibt ein Rätsel. Gerade die seitlichen Stellen in Hochglanzoptik sorgen nämlich dafür, dass man beim Herausnehmen der XM5 aus dem Case immer wieder daran abrutscht. Eine unglückliche Design-Entscheidung, dafür sind die Kopfhörer nach IPX4-Norm spritzwassergeschützt, einem Einsatz beim Sport oder auch im Regen steht daher nichts im Wege, komplett ins Wasser fallen sollten sie besser nicht.

Neues Chip-Duo

Abgesehen vom Design wurde auch das Innenleben des Vorgängers einer Revision unterzogen. Unter der Bezeichnung "Dynamic Driver X" wird der Sound zunächst durch einen komplett neuen Treiber aufgewertet. Anstelle des Sechs-Millimeter-Treibers wie bei XM4 kommt nun ein Treiber mit einem Durchmesser von 8,4 Millimetern in den XM5 zum Einsatz. Das soll insbesondere beim aktiven Noise-Cancelling (ANC) Vorteile bieten, indem der Treiber bei niedrigen Bassfrequenzen bessere Signale zur Auslöschung der Umgebungsgeräusche aussenden kann, so Sony.

Ebenfalls überarbeitet wurde der Chipsatz, wobei der V1-SoC aus den XM4 durch die zwei neuen Chips V2 und QN2e ersetzt wird. Der V2 kümmert sich um die Audiosignalverarbeitung und die Bluetooth-Verbindung, während der QN2e die Signale der sechs Mikrofone steuert und das ANC regelt. Dieses neue Duo erhöht die Rechenleistung im Vergleich zum Vorgänger und soll laut Hersteller für nicht weniger als das beste ANC in diesem Kopfhörerformat sorgen.

Das Bild zeigt die In-Ear-Kopfhörer WF-1000XM5 von Sony
Mit dem Ladecase kann die Laufzeit der In-Ears ungefähr verdreifacht werden.
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Statt Bluetooth 5.2 wird nun Version 5.3 unterstützt, was sich in der Praxis mit einem geringeren Stromverbrauch des Empfangsgeräts auswirken soll. Ein positiver Einfluss auf die Reichweite war nicht festzustellen, im Gegenteil: Im Test konnte ein Stockwerk Unterschied bei einer Luftlinie von wenigen Metern zum Smaartphone schon für gelegentliche Aussetzer sorgen. Erfreulich hingegen die Unterstützung von Bluetooth-Multipoint, die bei den XM4 erst mit einem späten Firmware-Update nachgereicht worden war. Das gleichzeitige Verbinden und intelligente Priorisieren von zwei Bluetooth-Endgeräten funktioniert fehlerlos und will man nicht mehr missen, wenn man es einmal genutzt hat.

Flexible Steuerung vermisst

Die Steuerung der XM5 erfolgt wie gewohnt über eine Kombination aus Touchflächen an den Kopfhörern selbst und integrierten Sensoren. Über die In-Ears lassen sich an den Außenseiten verschiedene Funktionen wie Wiedergabe, Lautstärke und ANC steuern, wobei sich die Belegung eingeschränkt in einer App anpassen lässt. Ab Werk ist der rechte Ohrhörer für Wiedergabe zuständig, der linke für die Anpassung an die Umgebungsgeräusche.

Mit unterschiedlichen Antippkombinationen (ein- bis vierfaches Tippen sowie langes Drücken) lassen sich unterschiedliche Funktionen aktivieren, etwa Wiedergabesteuerung, Lautstärkeregelung oder das Aufrufen des Sprachassistenten. Eine Neuerung ist die vierfache Tippfunktion, die die Lautstärke verändert – in der Praxis funktioniert das leider mehr schlecht als recht, Fehleingaben sind vorprogrammiert. Zwischen vorgegebenen Profilen in der App kann man zwar wählen, leider aber nicht jede Touchkombination individuell belegen. Das wäre wünschenswert und wird in einem kommenden Update hoffentlich noch nachgereicht.

Kopfgesten zum Annehmen und Ablehnen von Anrufen sind auch möglich, was im Test überraschend gut funktionierte. Dank Näherungssensoren können die Ohrhörer zudem erkennen, ob sie sich im Ohr befinden oder nicht und dementsprechend die Wiedergabe pausieren oder fortsetzen. Die XM5 unterstützen auch eine Einzelnutzung, wobei die Steuerung gleich bleibt, egal ob man einen oder beide Ohrhörer verwendet.

Unverzichtbare App

Wie von anderen Kopfhörer-Modellen der 1000XM-Serie gewohnt, ist auch im Fall der XM5 die Nutzung der Sony-App "Headphones" mehr als nur eine Option. Sie gewährt Zugriff auf wesentliche Funktionen und Individualisierungsoptionen der Kopfhörer und ist somit – Hardware-Puristen werden das nicht mögen – absolut unverzichtbar.

Im oberen Bereich zeigt die App die Akkustände der Kopfhörer und des Ladecases sowie den gerade verwendeten Audio-Codec an. Über das Menü können Anleitung und Hilfe aufgerufen und die XM5 auch ausgeschaltet werden. Der darunterliegende Bereich der App ist nun in vier Tabs unterteilt. Der "Status"-Reiter informiert über die adaptive Geräuschsteuerung, derzeit gekoppelte Geräte und die aktuelle Wiedergabe.

Das Bild zeigt die App
Die App "Headphones" ist auch in diesem Fall unverzichtbar und ermöglicht viele Einstellungen. Verbesserungspotenzial besteht dennoch.
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Der "Sound"-Reiter ist am umfangreichsten ausgefallen und enthält Einstellungen zu unterschiedlichen Soundoptionen. Dazu zählen zunächst die Anpassung des ANC, die Speak-to-Chat-Funktion sowie ein Fünf-Band-Equalizer. Darüber hinaus findet sich dort das Setup für das 360-Reality-Audio-Setup, was nur mit einem Abo für Dienste wie Tidal Sinn macht, die dieses räumliche Musikformat unterstützen, und ein Equalizer-Assistent in der Beta-Phase. Schließlich lässt sich unter diesem Punkt je nach Bedarf auch DSEE Extreme zuschalten. Hinter dem Kürzel steckt die Bezeichnung "Digital Sound Enhancement Engine", die eine proprietäre Upscaling-Technologie des Herstellers zur Verbesserung komprimierter Audiodateien in niedriger Qualität umschreibt.

Der "System"-Reiter beinhaltet Einstellungen für Bluetooth-Multipoint, Sprachassistent, Touch-Steuerung, Kopfgesten, Auto-Pause und Firmware-Updates. Ein neu hinzugekommener Reiter namens "Services" ermöglicht die Verknüpfung mit externen Dienstleistungen, die derzeit auf eine entbehrliche Funktionalität für Spotify und Endel beschränkt ist. Ein Test zur Überprüfung des Sitzes der Ohrhörer (sowie zur Wahl der richtigen Ear-Tips) ist in der App ebenfalls integriert.

Starker Sound (für In-Ears)

Die XM5 unterstützen die Audioformate SBC, AAC und LC3, darüber hinaus gehört auch der Sony-eigene Hi-Res-Audio-Codec LDAC zum Portfolio. Die beste Klangqualität erhält man über ein Android-Smartphone, da Apple diesen Hi-Res-Codec von Sony nicht unterstützt. Generell ist der Klang von Sonys neuen In-Ears über LDAC ab Werk schon sehr klar und ausgewogen (getestet mit Youtube Music und Tidal). Im individuellen Testparcours, der hier abrufbar ist, konnten die XM5 jedenfalls über unterschiedliche Genres hinweg überzeugen. Teilweise überraschte die Wiedergabe mit Details, die bislang mit anderen In-Ears gar nicht herauszuhören waren.

Für ein zufriedenstellendes Ergebnis erschien ein Feintuning des Equalizers über die App notwendig: Richtig blamieren können sich die XM5 in der Werkseinstellung zwar nicht, der Klang erschien subjektiv gesehen aber zu basslastig. Nimmt man den Bass ein wenig zurück, sind Feinheiten detaillierter herauszuhören, die Dynamik ist sowieso hervorragend, und Stimmen bestechen durch Klarheit und Präsenz.

Wie viel Bass man sich über die XM5 zumuten möchte, ist je nach Musikgeschmack sicherlich bei jedem Träger unterschiedlich. Gemäßigt stiehlt er den anderen Frequenzen jedenfalls nicht die Show und bleibt dennoch kraftvoll. Er läuft aber auch nicht aus dem Ruder, wenn man die "Zügel" mal etwas lockert. Kurzum: Die XM5 liefern einen wirklich überzeugenden Sound ab, mit dem andere zur Verfügung stehende In-Ears unterm Strich nicht mithalten konnten, dazu später noch mehr.

Umgebung, dein Name ist Kusch

Ebenfalls brillieren können die XM5 bei der aktiven Geräuschunterdrückung. Sie sind in der Lage, sogar lauten Straßenverkehr so zu dämpfen, dass vorbeifahrende Autos kaum zu hören sind, obwohl plötzlich auftretende laute Geräusche dennoch wahrnehmbar bleiben. Gerade für In-Ear-Kopfhörer keine Selbstverständlichkeit. Im Test wirkten die XM5 zudem weniger windanfällig als ihre Vorgänger, hörbar waren Windgeräusche bei aktivierter Geräuschunterdrückung dennoch.

Das gilt auch für den Transparenzmodus, der in zwanzig Stufen justierbar ist. Hier ist auf höchster Stufe zudem ein leichtes Grundrauschen zu vernehmen. Mittlere Frequenzen kann das System verstärken, wodurch Nutzerinnen und Nutzer den Fokus auf Stimmen legen können. Die Geräuschunterdrückung macht sich offenbar auch bei Telefonaten bemerkbar und blendet die Umgebung des Sprechers nahezu komplett aus. Das hat zugleich den Nachteil, dass man sehr unnatürlich klingt – ein Feedback, das von allen gewohnten Gesprächspartnern kam. Allerdings erst nach Rückfrage, der Unterschied dürfte also nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.

Akkulaufzeit

Bei der Betriebsdauer geben sich die XM5 keine Blöße, im Gegenteil. Ohne ANC konnten sie im Test knapp 16 Stunden lang durchhalten, mit ANC war sogar eine halbe Stunde mehr drin als Sony offiziell angibt, nämlich acht Stunden und 30 Minuten. Das ist ein Fortschritt gegenüber dem Vorgängermodell XM4. Über das Ladecase kann die Akkulaufzeit der In-Ears noch mal auf mehr als 25 Stunden mit ANC verlängert werden.

Das Bild zeigt die In-Ear-Kopfhörer WF-1000XM5 von Sony
Im Vergleich zum Vorgängermodell XM4 ist auch das Ladecase deutlich geschrumpft.
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Wer es eilig hat, dürfte sich über die Schnellladefunktion der XM5 freuen: Drei Minuten Laden resultiert in einer 60-minütigen Wiedergabe, nach einer Viertelstunde sind die Kopfhörer bis zur Hälfte wieder aufgeladen. In der Verpackung enthalten ist übrigens ein sehr kurzes USB-C-Kabel zum Aufladen, Netzteil sucht man vergeblich. Alternativ dazu lässt sich das Ladecase auch kabellos über den Qi-Standard wieder "auftanken".

Ein Vergleich mit anderen Modellen

Und wie schlagen sich die XM5 im Vergleich zu anderen Modellen? Vergleicht man Sonys neue In-Ears mit dem Vorgängermodell XM4, fällt der Unterschied klanglich relativ gering aus. Die neuen Treiber wirken subjektiv eine Spur kraftvoller, der Klang minimal klarer. Am ehesten sticht die geschrumpfte Bauweise der XM5 heraus, je nach Anatomie des Ohrs dürften sie in den meisten Fällen angenehmer zu tragen sein als klobigeren XM4-Knöpfe.

Das Bild zeigt unterschiedliche In-Ear-Kopfhörer
Hinsichtlich des Tragekomforts schneiden nur die AirPods Pro besser ab. Auch deutlich zu sehen: Die XM5 sind deutlich kleiner als ihre Vorgänger.
STANDARD/Brandtner

Nicht so schwer haben es die XM5 gegen die AirPods Pro: Beide In-Ears verfügen grundsätzlich über ein sehr ausgewogenes Klangbild, das die meisten Hörerinnen und Hörer zufriedenstellen dürfte. Dennoch können sich die XM5 im direkten Vergleich durchsetzen, weil die Höhen und Mitten präsenter wirken und die Treiber im Bassbereich auf Wunsch deutlich mehr Punch entwickeln können, ohne dabei auch nur im Ansatz zu übersteuern.

In einem wesentlichen Punkt müssen sich die XM5 allerdings den AirPods Pro geschlagen geben: Zwar mögen die In-Ears von Apple ästhetisch anmuten wie geschrumpfte Aufsätze für eine elektrische Zahnbürste – hinsichtlich des Tragekomforts und der Tragesicherheit bleiben sie aber genauso ungeschlagen wie in Kombination mit anderen Apple-Devices.

Das Bild zeigt unterschiedliche Ladecases von In-Ear-Kopfhörern
Ein Vergleich mit anderen verfügbaren In-Ear-Kopfhörern lässt die XM5 zumindest klanglich als Sieger hervorgehen.
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Fast schon ein wenig unfair der Vergleich mit den Pixel Buds Pro, die natürlich eher im Midrange-Segment angesiedelt sind. Der Klang der Pixel Buds Pro wirkt eindeutig schaler und weniger kraftvoll, dafür kosten sie eben nicht einmal die Hälfte. Hinsichtlich der Passform sind die XM5 den Pixel Buds Pro gegenüber nur minimal im Vorteil, beide sind über längeren Zeitraum gut zu tragen, die Tränenform der XM5 wirkt subjektiv einen Hauch angenehmer.

Fazit

Guten Klang mag es für weitaus weniger Geld auch geben, keine Frage. Wer im In-Ear-Format ein nahezu vollständiges Paket – insbesondere fürs Musikhören – haben möchte, wird um die XM5 allerdings kaum herumkommen. Nicht nur, dass sie mit einer Reihe von Detailverbesserungen gegenüber dem Vorgänger punkten können – sie überzeugen vor allem dort, wo es am wichtigsten ist, nämlich beim Klang. In Kombination mit der App lieferten sie einen ausgewogenen und zugleich kraftvoll klaren Klang, den man in dieser Kategorie sonst nicht oft zu hören bekommen dürfte. Starkes ANC gibt es obendrauf.

Das heißt aber nicht, dass die XM5 absolut perfekt sind. Der Schaumstoff der Ear-Tips isoliert zwar gut, lässt sich aber aufgrund seiner Textur nur schlecht reinigen und dürfte nach mehreren Monaten des Tragens keinen allzu hygienischen Eindruck hinterlassen. Hinzu kommen kleinere Nachteile, etwa, dass der Träger beim Telefonieren zwar verständlich, seine Stimme beim Gegenüber aber unnatürlich verfälscht ankommt.

Weniger dramatisch ist, dass die In-Ears ab Werk ein wenig zu basslastig sind, das lässt sich mit der App rasch an den eigenen Geschmack anpassen. Das gilt auch für die mäßig flexible Touch-Steuerung an den Kopfhörern selbst, mit der man sich nach und nach arrangiert. Wäre nicht die hohe UVP von 320 Euro, könnte man über die zuvor genannten Kleinigkeiten hinwegsehen und eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen. (Benjamin Brandtner, 10.8.2023)