Vor wenigen Wochen wurde Südafrikas "Mother City" Kapstadt in Großbritannien noch zum reizvollsten Reiseziel der Welt gekürt – vor wenigen Tagen sah sich die Londoner Regierung gezwungen, eine Reisewarnung über den Touristenmagneten zu verhängen.

Der dramatische Reputationsumschwung wurde von nichts Geringerem als dem Ausbruch eines Krieges ausgelöst: keinem herkömmlichen Waffengang zwischen Staaten oder Völkern, sondern einem bewaffneten Konflikt zwischen Minibusfahrern und den Ordnungshütern der Kommune, der schon zu fünf Todesopfern, zahlreichen Verletzten und mehr als 120 Gefangenen geführt hat. Tag für Tag verwandeln sich Kapstadts Straßen in Schlachtfelder, auf denen Fahrzeugblockaden errichtet, Autos gehijackt und Busse angezündet werden. Innerhalb einer Woche brannten zehn Busse eines privaten Transportunternehmens bis aufs Gerippe aus, 116 Fahrzeuge wurden beschädigt.

Buskrieg Kapstadt
Ein ausgebrannter Bus in Kapstadt.
REUTERS/ESA ALEXANDER

Weil die Fahrer der Taxis genannten Minibusse Stadtautobahnen blockieren und private Autofahrer mit Steinen bewerfen, ist der Verkehr in der Stadt zum Erliegen gekommen. Eine halbe Million Schüler wagen den Weg zur Schule nicht mehr, Dutzende von Lehranstalten sind seit Tagen geschlossen. Geschäfte sind verrammelt, Angestellte kommen viel zu spät oder gar nicht zur Arbeit, das wirtschaftliche Leben der Stadt steht still. Selbst der Flugverkehr ist betroffen, weil die Zufahrtsstraße zum Airport immer wieder blockiert wird. Ein Autofahrer erschießt mit seiner Pistole einen Steinewerfer, ein zweiter wird schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht.

Minibusse beschlagnahmt

Ausgelöst wurden die Kampfhandlungen durch einen Konflikt, der in anderen Ländern höchstens zu einem lauten Wortwechsel oder dem Gang vor Gericht geführt hätte. Die Stadt Kapstadt ging in den vergangenen Monaten zu einer strikten Ahndung der Verletzungen von Verkehrsregeln über, beschlagnahmte Minibusse, die nicht verkehrstauglich waren oder wenn ihr Fahrer keinen Führerschein vorzeigen konnte.

Derartige Verstöße wurden bisher höchstens mit Strafzetteln geahndet, die in vielen Fällen ohnehin nicht bezahlt werden. Seit Anfang des Jahres beschlagnahmte die Stadtpolizei aber monatlich mehr als 1.000 Minibusse und zog damit den Zorn der Taxibesitzer auf sich. Denn ein beschlagnahmtes Fahrzeug wieder in Besitz nehmen zu können, ist eine kostspielige Angelegenheit: Neben einer saftigen Abschleppgebühr wird dabei auch die Bezahlung des Strafzettels fällig.

Buskrieg Kapstadt
Ein weiterer Bus, der gerade von der Feuerwehr gelöscht wird.
REUTERS/ESA ALEXANDER

An dieser Stelle sind nähere Kenntnisse der Macht südafrikanischer Taxi-Eigentümer nötig. Das private Transportwesen war eine der wenigen Branchen, in der Dunkelhäutige schon zu Zeiten der Apartheid unternehmerisch tätig werden konnten. Der Geschäftszweig war bitter umkämpft, weswegen sich die Minibusbesitzer in Vereinigungen zusammenschlossen, zwischen denen es etwa bei der Vergabe von Routen regelmäßig zu gewalttätigen Konflikten kam. Vergleiche mit der Mafia wurden gezogen: Jedenfalls wagen es Politikerinnen und Politiker des regierenden ANC nicht, sich mit den Bossen der Vereinigungen anzulegen, manche sollen mit ihnen auch unter einer Decke stecken. Jedenfalls sind es die Paten nicht gewohnt, dass ihnen jemand in die Quere kommt.

DA regiert in Kapstadt

Doch Kapstadt und die umliegende Westkap-Provinz werden anders als fast alle anderen Regionen des Landes nicht vom ANC, sondern von der oppositionellen Demokratischen Allianz (DA) regiert. Sie genießt den nicht unverdienten Ruf, von Weißen kontrolliert zu sein. Der DA war die Macht der Taxivereinigungen schon lange ein Dorn im Auge: Nun ließ es Kapstadts weißer Bürgermeister Geordin Hill-Lewis auf einen Showdown ankommen. Dass die rollende Mafia diesen nicht zimperlich führen würde, musste der 36-Jährige wissen.

Als sich die Stadtregierung am Sonntag mit den Repräsentanten des Dachverbands der Taxivereinigungen, Santaco, zu Verhandlungen traf, seien einige der Minibusbesitzer mit russischen Schnellfeuergewehren aufgetaucht, berichtet ein Vertreter der Stadt. Außer einem Stopp der Beschlagnahme ihrer Minibusse forderte Santaco, dass die Fahrer künftig auch jenseits des gelben Streifens auf der Standspur fahren dürfen: Das machen sie zwar ohnehin schon, mussten aber bislang mit einem Strafzettel rechnen. Kein Wunder, dass die Gesprächsrunde platzte: Der Taxikrieg geht weiter.

Inzwischen mischte sich auch die nationale Transportministerin Sindisiwe Chikunga (ANC) – natürlich auf der Seite der Taxivereinigungen – ein. Sie nannte die Beschlagname von Minibussen "rechtswidrig", wurde von Bürgermeister Hill-Lewis allerdings darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung Teil der nationalen Transportgesetze sei, die eine Verkehrsministerin eigentlich kennen und beachten sollte. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 9.8.2023)