Porträt von Vlad III., dem Pfähler, in roter Kleidung mit edelstein- und perlengeschmückter Kopfbedeckung. Er hat lange, dunkle Haare und einen Schnurrbart.
Dieses berühmte Porträt von VladȚepeș (etwa 1431–1477) aus dem späten 16. Jahrhundert ist im Schloss Ambras in Innsbruck ausgestellt.
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Manchmal ist die Geschichte verblüffender als Geschichten. Die Gestalt des Dracula hat sich seit Bram Stokers gleichnamigem Roman in Sagenwelt und Popkultur festgesaugt, aber auch eine wichtige historische Persönlichkeit mit ähnlichem Namen schrieb sich in das Buch der Geschichte ein. Die Rede ist vom mittelalterlichen Fürsten Vlad III. Drăculea oder Dragul, der wohl zumindest namentlich ein rumänisches Vorbild für Dracula lieferte. Zwar galt er nicht wortwörtlich als Bluttrinker – im Gegensatz zur fiktiven frauenliebenden Steirerin Carmilla und zur ungarischen "Blutgräfin" Elisabeth Báthory, die Stoker ebenfalls inspirierten. Doch Vlad III. war für eine grausame Hinrichtungsmethode bekannt, die ihm nach seinem Tod den Beinamen Țepeș – gesprochen "Zepesch", übersetzt "der Pfähler" – einbrachte. Er ließ seine Gegner auf meterhohen Balken aufspießen, auf denen sie ihr Körpergewicht langsam und qualvoll Richtung Boden drückte und damit den Pfahl durch die Eingeweide schob.

Von dieser er- und abschreckenden Methode zeugen heute aufgestellte Puppen am Spieß vor der Ruine der Burg Poenari in Rumänien. Die mittelalterliche Festung wurde im 15. Jahrhundert von Vlad III. verstärkt und wurde zu einer der wichtigsten Burgen der Region. Das Fürstentum Walachei regierte er mit dem Titel des Woiwoden. Der Beiname "Drăculea", "Sohn des Drachen", weist wohl auf Vlads Vater Vlad II. hin, der dem Orden der Drachenritter des späteren römisch-deutschen Kaisers Sigismund angehörte. Krieg führte er vor allem gegen das Osmanische Reich. Der autoritäre Herrscher dürfte gewalttätig gegen Unbeugsame und Widersacher – übrigens auch im Zuge von Korruptionsbekämpfung – vorgegangen sein. Allerdings dürften auch Übertreibungen und politische Rufschädigungskampagnen zur Mythenbildung beigetragen haben. Zumindest gelten manche Quellen in Sachen Opferzahlen als unplausibel, wenn man die in die Zehntausenden gehenden Toten mit den damaligen Bevölkerungszahlen vergleicht. Er war wohl äußerst grausam, jedoch auch nicht der erste oder der letzte Machthaber mit erstaunlich sadistischen Mitteln und gewiss nicht der einzige zu seinen Lebzeiten.

Stiege führt zur Burgruine, daneben sind zwei Pfähle mit je einer mannequinartigen Puppe, die beide in graues Gewand gekleidet sind.
Beim Aufgang zur Burgruine Poenari in den Südkarpaten wird man von gepfählten Puppen begrüßt.
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Vor einigen Jahren wurde etliche Quellen über Vlad III. zusammengetragen und kommentiert als "Corpus Draculianum" veröffentlicht. Sein Zeitgenosse Bischof Nikolaus von Modruš beschrieb den Woiwoden als "nicht sehr groß, aber sehr stämmig und stark, mit einem grausamen und schrecklichen Aussehen, einer langen geraden Nase, geblähten Nasenlöchern, einem schmalen und rötlichen Gesicht, in dem die großen, weit geöffneten grünen Augen von buschigen schwarzen Augenbrauen umrahmt waren, was sie bedrohlich erscheinen ließ". Manchen Berichten zufolge sollen seinen Augen gar blutige Tränen entwichen sein, was obskurerweise an Wunder-volle Heiligenstatuen erinnert.

Genaue Briefanalyse

Doch dies könnte tatsächlich passiert sein, wie eine neue wissenschaftliche Studie über den Herrscher nahelegt. Das Ehepaar Svetlana und Gleb Zilberstein hatte bereits angekündigt, sich historisch-chemischen Analysen zu widmen, die Rückschlüsse auf Vlad Țepeș zulassen, DER STANDARD berichtete. Nun erschien die von ihnen unterstützte Arbeit einer italienischen Forschungsgruppe von der Universität Catania in Sizilien im Fachjournal "Analytical Chemistry". Für ihre "Wiederbelebung des Grafen Dracula" (wie der Studientitel ankündigt) nahmen sie Proben von drei Briefen aus der fürstlichen Feder.

Vlad III. verfasste und unterschrieb sie 1457 und 1475. In lateinischer Sprache bestätigte er dem Bürgermeister der transsilvanischen Stadt Sibiu (deutsch: Hermannstadt), Thomas Altemberger, etwa den Erhalt von Steuern. Die beiden jüngeren Briefe wurden seither im Stadtarchiv aufbewahrt und sind in tadellosem Zustand, der ältere Brief wurde in der rumänischen Hauptstadt Bukarest restauriert.

Mittelalterlicher Brief von Vlad Tepes in schwungvoller Schrift, unter dem neunzeiligen Text in dunkler Tinte sieht man ein rotes Siegel und zwei Stempel.
Spuren auf diesem Brief von Vlad Țepeș aus dem Jahr 1475 wurden für die Studie analysiert. Der Stempel rechts weist auf das Archiv hin, in dem sich das Dokument seit 500 Jahren befindet: In Hermannstadt (oder Sibiu) sprechen noch heute viele Menschen Deutsch, in der Region Transsilvanien oder Siebenbürgen leben etliche Siebenbürger Sachsen.
Gleb Zilberstein

Das Forschungsteam interessierte sich jedoch weniger für den Inhalt als für die organischen Partikel auf der Oberfläche des Papiers. Zunächst stellte es mittels UV-Licht fest, in welchen Bereichen der Briefe hohe Proteinkonzentrationen zu finden sind. Dann brachten sie für eine Stunde kleine befeuchtete Plättchen in Bereichen an, die die Dokumente nicht beschädigten. Später wurden die Proben, die die "Post-its" gesammelt hatten, ausgewertet.

Infekte und Haemolacria

Auf allen drei Briefen fanden die Fachleute Eiweißstoffe, die auf menschliche Proteine aus den Atemwegen oder Blutproteine zurückzuführen sind. Sie lassen Rückschlüsse auf diverse Krankheiten von Vlad III. zu – sofern sie tatsächlich von ihm stammen und die Briefe nicht durch Zeitgenossen "kontaminiert" wurden. Neuere Einflüsse auf die Proben konnten aufgrund der Zerfallsmuster der kleineren Eiweißstoffe, sogenannter Peptide, über die Jahrhunderte ausgeschlossen werden.

Demnach könnte der Woiwode beim Schreiben der Briefe an Entzündungen gelitten haben, die wohl Haut und Atemwege betrafen. Die Proben deuten auch auf eine genetische Störung namens Ziliopathie hin, die unterschiedliche Organe betreffen und dort Zellfunktionen beeinträchtigen kann, etwa die Netzhaut im Auge. Als besonders interessant stellten sich Peptide heraus, die nur in den Briefen des Jahres 1475 vorkamen. Sie lassen überraschende Rückschlüsse auf Augen und Tränen von Vlad III. zu: Der blutrünstige Herrscher könnte tatsächlich von der Krankheit Haemolacria betroffen gewesen sein, die dafür sorgt, dass sich der Tränenflüssigkeit Blut beimischt.

Unbekanntes Grab

Auch wenn die Analyse der Eiweißstoffe nur ein Indiz hierfür liefert, ist die Studie ein beeindruckendes Beispiel dafür, was sich noch nach Jahrhunderten auf einem Objekt nachweisen lässt. Selbst 20.000 Jahre alte Schmuckstücke liefern heutzutage Hinweise auf Menschen, die damit in Kontakt kamen. Abgesehen von menschlichen Peptiden fand das Forschungsteam Spuren von anderen Organismen, die gewissermaßen einen Blick auf die Umweltbedingungen in der Walachei während des 15. Jahrhunderts erlauben, schreiben die Fachleute. Einige Peptide aus den Proben seien typisch für Darmbakterien, sogar für den Pesterreger Yersinia pestis. Andere Eiweißstoffe ließen auf Viren schließen, die vor allem durch Zecken und Stechmücken verbreitet werden. "Das mögliche Vorhandensein von überreifen Früchten in der Umgebung dieser Briefe kann durch die Identifizierung zahlreicher Peptide bestätigt werden", heißt es in der Studie. Darauf deuten Stoffe hin, die auf bestimmte Pilze und Fruchtfliegen schließen lassen. Pflanzliche Spuren führen zur Gruppe der Reis- und Süßgrasgewächse, zu denen auch Getreide wie Weizen und Gerste gehören.

Damit lassen sich über schriftliche Quellen hinaus einige Vermutungen anstellen, in welcher körperlichen Verfassung der Herrscher der Walachei war. Sein Skelett lässt sich dafür nicht zurate ziehen: Wo Vlad III. bestattet wurde, ist nicht gesichert. Auch im "Dracula-Schloss" Bran findet man höchstwahrscheinlich keine organischen Spuren von Vlad Țepeș: Es ist fraglich, ob er das Karpatenschloss in Siebenbürgen betrat, womöglich übernachtete er einmal dort. Es wird eher mit dem Roman von Bram Stoker in Verbindung gebracht, dessen fiktives Vampirschloss sich den literarischen Beschreibungen zufolge in dieser Gegend befunden hätte. (Julia Sica, 13.8.2023)