Mikroskopische Aufnahme des Virus im Körper
Das Coronavirus Sars-CoV-2 (auf der Mikroskopaufnahme in Gelb, die befallenen Zellen sind in Blau und Pink zu sehen) kann sämtliche Zellen und Organsysteme des Körpers schädigen. Besonders schwer sind postvirale Syndrome. Für Betroffene bedeuten diese langfristig Schmerzen, kognitive Probleme oder chronische Erschöpfungssymptome.
AP

Die Corona-Pandemie ist wohl zu Ende, doch viele der Auswirkungen von Covid-19 sind alles andere als vorbei. Das betrifft besonders all jene, die an einer Form von Long Covid (LC) leiden – laut internationalen Untersuchungen sind das zehn bis 20 Prozent aller Erkrankten.

Das Spektrum der Langzeitfolgen ist dabei sehr breit. Das Virus kann ja sämtliche Organsysteme des Körpers schädigen, die Probleme reichen von Herzinfarkt und Schlaganfall über Verschlechterung von Asthma bis zu Diabetes. Diese Langzeitfolgen entstehen durch die akute Schädigung während der Infektion. Dazu kommt die große Gruppe der postinfektiösen Symptome wie kognitive Störungen, Konzentrationsprobleme, generell Schmerzen oder auch die schwerste Ausformung, das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS.

Diese postvirale Langzeitfolge ist dabei nicht Corona-exklusiv, sie kann nach jeder schweren Virusinfektion auftreten. Bereits vor der Pandemie waren Schätzungen zufolge 30.000 Menschen in Österreich betroffen. Diese Zahl dürfte sich jetzt verdreifacht haben. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Das liegt an der schwierigen Diagnosefindung, es gibt keine klaren Biomarker für die Erkrankung, eine Diagnose wird durch den Ausschluss anderer Krankheitsbilder gestellt. Und nur wenige Ärztinnen und Ärzte sind überhaupt mit dem Krankheitsbild vertraut.

Deshalb ist es speziell für diese Gruppe von Long-Covid-Betroffenen sehr schwer, gute medizinische Versorgung zu erhalten. Der Bedarf sei enorm, berichtet die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS (ÖG ME/CFS), trotzdem wird die neurologische LC-Ambulanz am Wiener AKH Ende August geschlossen. Der Wiener Gesundheitsverbund begründet das auf STANDARD-Anfrage damit, dass zu wenig Nachfrage bestehe.

Schwierige Terminfindung

Betroffene berichten anderes. Im November 2022 wurde der ÖG ME/CFS auf Anfrage mitgeteilt, die Wartezeit auf einen Termin in der LC-Ambulanz betrage etwa ein Jahr. Noch im April 2023 wurde Betroffenen am Telefon gesagt, dass derzeit wegen Überlastung keine Termine vergeben werden könnten.

Dazu kommen die eng abgesteckten "Anforderungen", um überhaupt dort einen Termin zu bekommen, wie etwa ein auffälliger Befund eines Schädel-MRTs oder Probleme durch niedrigen Blutdruck. Das schließe viele ME/CFS-Betroffene von vornherein aus, berichtet eine Sprecherin der ÖG ME/CFS. Die Zuständigkeiten würden hin- und hergeschoben, die Betroffenen blieben dabei auf der Strecke, kritisiert sie.

Und nicht nur die Betroffenen stellen das fest. Auch Physio Austria, der Verband der Physiotherapeutinnen und -therapeuten in Österreich, berichtet, dass sie zunehmend Patientinnen und Patienten mit postinfektiösen Symptomen wie ME/CFS behandeln – und viele davon keine passende medizinische Versorgung bekommen. Man habe deshalb bereits im Jahr 2022 eine eigene Fachgruppe für multikomplexe Systemerkrankungen gegründet, die das Bewusstsein in der Berufsgruppe für dieses Krankheitsbild stärken soll.

Auch dem Gesundheitsministerium ist das Problem offensichtlich bewusst, auf STANDARD-Anfrage wird mitgeteilt, man habe die LC-Arbeitsgruppe nun um postvirale Syndrome erweitert. Auch die Behandlungsleitlinien zu LC in Österreich sollen um diese Syndrome erweitert werden. Der Betroffenenverband von ME/CFS wurde allerdings, trotz vorheriger Zusage, bis jetzt nicht in den Feedbackprozess zur Erstellung der Leitlinien eingebunden. Nach Übermittlung einer Stellungnahme im Juni wurde lediglich mitgeteilt, dass die Leitlinien bereits zur Publikation eingereicht seien und die Stellungnahme nicht mehr berücksichtigt werden könne. (Pia Kruckenhauser, 10.8.2023)