Während man in unseren Breitengraden noch eher selten auf faltbare Smartphones trifft, sieht man sie in Südkorea im Alltag wesentlich öfter. Überbewerten sollte man den subjektiven Eindruck allerdings nicht. Laut "Financial Times" sind auch am stärksten Markt für Foldables bislang nur 3,8 Prozent der Smartphone-Nutzer umgestiegen.

Aber man wolle hoch hinaus, sagte TM Roh, Chef der Mobilsparte von Samsung, zur Vorstellung des Galaxy Z Fold 5 und Flip 5 Ende Juli. "Foldables sind nicht mehr nur für den Nischenmarkt oder bestimmte Regionen. Sie werden bald weltweit ein Mainstreamprodukt sein." Diese Hoffnung kommt nicht ganz von ungefähr, denn es wäre ein Markt, der von Samsung dominiert wird. Analysten schreiben dem koreanischen Elektronikriesen einen Marktanteil von 80 Prozent im Geschäft mit Falthandys zu – und das, nachdem er zuletzt sogar etwas gesunken ist.

IDC erwartet, dass 2027 mehr als 48 Millionen Foldables verkauft werden. Das wäre mehr als eine Verdreifachung der 14,2 Millionen Stück, die man für 2022 errechnet hat. Counterpoint Research geht davon aus, dass in vier Jahren 39 Prozent aller verkauften Handys im Premiumsegment ab 600 Dollar ein faltbares Display haben werden. Vieles wird auch davon abhängen, ob und wann Apple in dem Bereich mitmischt. Gerüchteweise wird 2024 oder 2025 das erste Foldable aus Cupertino auf den Markt kommen.

Das Samsung R&D-Zentrum in Seoul, Korea
Der Samsung Research & Development Campus in Seoul
DER STANDARD/Pichler

Eine große Wette

Samsung steckt jedenfalls viele Ressourcen in diese Perspektive und hat mittlerweile auch schon ein halbes Jahrzehnt Erfahrung in der Herstellung faltbarer Smartphones. Die Vorteile des veränderbaren Formfaktors liegen auf der Hand, die potenziellen Problemstellen aber auch. Die erste Generation des Galaxy Fold verspätete sich, nachdem an Tester gelieferte Geräte massive Probleme mit ihren Bildschirmen hatten. Dass man auch erst heuer ein Scharnier implementierte, mit dem Fold und Flip beim Zusammenfalten endlich bündig abschließen, zeigt, dass die Herausforderungen nicht ganz einfach zu lösen sind.

Dazu müssen die Geräte auch ergonomisch praktikabel bleiben und mit Software laufen, die die technischen Vorzüge und zwei Displays der Geräte in der Praxis gut nutzbar macht. Dafür zuständig ist bei Samsung der Bereich "Mobile Experience", kurz MX. Und den leitet seit Ende 2022 Hubert Lee. Er war zuvor Chefdesigner bei Mercedes-Benz in China. Gemeinsam mit Henry Kim, Leiter der Designstrategie und Markenkommunikation bei Samsung, und Tae-joong Kim, der seit über 20 Jahren im Konzern ist, stand er einer Delegation verschiedener Medien, darunter dem STANDARD, im Forschungs- und Entwicklungszentrum in Seoul Rede und Antwort.

Der Designprozess ist in seinen ersten Schritten ein freundlicher Schlagabtausch mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Denn die Vorstellungen der Designer und das, was zeitlich und technisch machbar ist, müssen abgeglichen werden.

Samsung Design-Session im R&D-Zentrum Seoul
Prototypen für das neue Scharnier und die Mechanik des Flip 5.
DER STANDARD/Pichler

Das erfolgt auch durch die Entwicklung von Prototypen, um ein Konzept zu erforschen. So gehört etwa zu den Kritikpunkten am Galaxy Fold 5, dass das Gehäuse selbst keinen Platz für den optional erwerbbaren Stift bietet, der stattdessen in die Schutzhülle eingesteckt wird. Unter den 3D-gedruckten Prototypen findet sich auch eine Variante, in der sich der Stift unterbringen lässt. Die Samsung-Designer waren damit aber nicht zufrieden, sie wäre zu dick ausgefallen und hätte dem ohnehin schon recht schweren Gerät weiteres Gewicht beschert.

Immerhin: Beim Formfaktor ist man sich sicher, mit Flip und Fold die beste Lösung für ein kompaktes Falthandy und ein Smartphone mit Tabletmodus gefunden zu haben. Ob sich das bewahrheitet, werden die kommenden Jahre zeigen, nachdem nun immer mehr Konkurrenten den Markt bevölkern.

Der praktische Nutzen muss zudem in eine markante Designsprache eingebettet werden. In den frühen Jahren moderner Smartphones war Samsung immer wieder vorgeworfen worden, bei Apple abzukupfern. Heute erkennt man die Smartphones des Konzerns aber gut an ihrem Äußeren.

Samsung Design-Session im R&D-Zentrum Seoul
Prototypen aus den Farb- und Materialtests für das Flip 5.
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Blick zur Konkurrenz

Wie sehr man auf die Konkurrenz schaut, wenn man an eigenen Produkten arbeitet, wollte DER STANDARD wissen. Die Antwort: Man fokussiere stark darauf, eigene Innovationen zu entwickeln und Identität zu kommunizieren. Aber, so Lee, man beobachte natürlich auch, was andere Unternehmen bieten, was für diese funktioniert und was nicht, um selbst davon zu lernen.

Teil des Designprozesses ist auch Marktforschung, um aktuelle Nutzervorlieben zu eruieren und herauszufinden, welche Zielgruppen welche Wünsche haben. Auf Basis dieser Ergebnisse legt man auch fest, in welchen Farben neue Handymodelle angeboten werden. So ermittelte man auch die "Signature Colors" für heuer, ein frisches Minzgrün und ein pastelliges Blau. Dazu müssen Materialien gefunden und lukriert werden, die sowohl den ästhetischen als auch den mechanischen Ansprüchen genügen.

Schon länger geht man zudem Lifestyle-Kooperationen ein. 2007, noch vor der Android-Ära, verpartnerte man sich etwa mit dem Kleidungs- und Accessoirehersteller Giorgio Armani. Heute setzt man immer wieder auf prominente Testimonials.

Samsung Design-Session im R&D-Zentrum Seoul
DER STANDARD/Pichler

Zu Besuch im "Samsung-Haus"

Eingebettet ist die Mobilstrategie in ein ganzes smartes Produktuniversum von Samsung. In einem Schauhaus auf dem Campus des Unternehmens in Suwon südlich von Seoul zeigt man über drei Stockwerke, wie man sich das Leben in der elektronischen "Smartthings"-Welt des Konzerns vorstellt.

Am vergleichsweise unspektakulärsten ist dabei der "Gaming Room". Hier findet sich ein PC-Setup mit zwei großen, gebogenen Bildschirmen Marke Samsung Odyssey. Das Zimmer daneben erinnert an eine kleine Lounge mit vernetzten Lautsprechern des Herstellers JBL und diversen smarten Leuchtmitteln der Philips-Hue-Serie. Auf Kommando lassen sich hier Musik und auch Videos auf einem Beamer abspielen.

Samsung Schauhaus am HQ Campus in Suwon, Korea
Im Samsung-Schlafzimmer liefert der Beamer am Morgen automatisch einen Nachrichtenüberblick.
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Im Schlafzimmer sind Leinwand und Beamer wiederum darauf eingestellt, am Morgen zur Weckzeit in Betrieb zu gehen und einen Nachrichtenüberblick zu liefern. Das Arbeitszimmer ist wiederum mit Tablet, Steuerkonsole, Laptop, smartem Display mit Webcam und anderen Geräten so eingerichtet, wie man es sonst nur aus Telekonferenzfotos hochrangiger Politiker kennt. Die Garderobe dient wiederum auch als Sicherheitszentrale mit einem Fernseher, der zeigt, was die Überwachungskameras sehen.

Die geräumige Wohnküche wiederum bietet neben Sofa, Sitzen und Kochgelegenheiten ebenfalls ein großes TV-Gerät. Per Sprachkommando können die Jalousien heruntergefahren werden, um bessere Heimkinoatmosphäre zu schaffen. Selbstredend sind auch die Kühlschränke smart, von denen einer dem in Korea hochpopulären Kimchi, einem Gericht mit fermentiertem Kraut und der landestypischen Gochujang-Chilisauce, gewidmet ist.

Samsung Schauhaus am HQ Campus in Suwon, Korea
Im Wohnzimmer können über ein vorab programmiertes Kommando für Kinoatmosphäre die Lichter abgedreht und die Jalousien herunter gelassen werden.
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Ein Handy spielt hier seine Rolle als Steuergerät. Entweder via App oder als Ersatz für einen smarten Lautsprecher, wenn man den Sprachassistenten Bixby verwenden will. Der stolperte aber auch bei der Demontration über den Vorführeffekt und hat, gerade in deutscher Sprache, noch viel auf Siri oder den Google Assistant aufzuholen.

Bewähren müssen sich Handys vor allem draußen, wo sie persönliche Kommunikationszentrale, Entertainmentgerät und Kamera in einem sind. Daran basteln Samsungs Designer auch weiter, wenn gerade neue Flaggschiffe erschienen sind. Der Fokus liegt nicht nur auf dem nächsten Produkt, das ansteht, sagen Lee und Kollegen. Man sitze schon eifrig an der Konzeption des Galaxy S25, das erst in anderthalb Jahren auf den Markt kommen wird. (gpi, 12.8.2023)