Marco Koller, überfallener Trafikant aus Graz
Marco Koller hat die Trafik im Grazer Stadtteil Mariatrost erst vor zwei Wochen übernommen – und prompt einen Überfall erlebt. Hier im Bild mit seiner Ehefrau Veronika.
privat

Das Video von einem Raubüberfall, der sich am Mittwochabend in einer Grazer Trafik zutrug, hat schon jetzt das Zeug zum Kultstatus. Die Szene wurde von der Polizei veröffentlicht, um nach dem mutmaßlichen Serientäter zu fahnden – doch in diesem Fall machte der Mann trotz Bewaffnung keine Beute. Dafür sorgte ein Gespräch mit dem Trafikanten Marco Koller und seiner Mitarbeiterin, die den Räuber von der Aussichtslosigkeit seines Unterfanges überzeugten: Die Registrierkasse lasse sich nach Geschäftsschluss "leider" nicht mehr öffnen, beschied Koller dem verdutzten Räuber: "Da kann man leider nichts machen."

Video: Raubüberfall scheiterte an Kassaschluss (ORF)
Die steirische Polizei hat am Donnerstag das Video des Überfalles der Grazer Trafik veröffentlicht. Nach dem Täter wird gesucht.
ORF

Bemerkenswert an dem Video ist auch die Gelassenheit, mit der die beiden Überfallenen auf die Situation reagierten. "Da hättest eine Stunde früher kommen müssen", sagte Koller zu dem Mann, der eine Pistole in der Hand hielt. Wie wird man eigentlich so cool, und was hätte bei der Aktion schiefgehen können? DER STANDARD hat den 41-Jährigen, nachdem er am Samstagmorgen alle Tageszeitungen einsortiert hatte, für ein Gespräch erreicht.

STANDARD: Was haben Sie sich gedacht, als Ihre Angestellte "Chef, des is a Überfall" gerufen hat?

Koller: Ich habe im ersten Moment geglaubt, das ist ein Scherz. Als ich dann gesehen habe, dass da einer mit der Pistole steht, ist es schon ein bissl stressig geworden. Ich habe dann einmal versucht, dass ich durchs Reden die Waffe von der Gitti (der Trafikmitarbeiterin, Anm.) wegbringe, weil der Räuber ja direkt vor ihr gestanden ist. Als Vorgesetzter musst du bei sowas eingreifen und kühlen Kopf bewahren.

STANDARD: Sie wirken auf dem Video überhaupt nicht hektisch. Wurden Sie schon mal überfallen oder waren auf ein solches Szenario irgendwie vorbereitet?

Koller: Nein, die Situation war auch für mich völlig neu. Ich habe die Trafik erst Anfang August übernommen und bin neu in den Job eingestiegen. Es ist schon klar, dass so etwas in einer Trafik immer vorkommen kann, aber gleich nach einer Woche hätte ich nicht damit gerechnet. Auf der Trafikakademie wird gesagt, dass man bei einem Überfall am besten einfach das Geld hergibt, man ist eh versichert. Aber ich habe an der Stimmlage sofort gemerkt, dass der Bursche harmlos ist. Er hat herumgezittert, die Kameras haben ihn auch nervös gemacht. Darum ist mir vorgekommen, dass man bei ihm mit dem Reden besser aussteigt. Das funktioniert sicher nicht bei jedem: Wenn einer aggressiv ist, dann schaut die Welt ganz anders aus, da kann das schlecht ausgehen auch.

STANDARD: Wie sind Sie auf den Schmäh mit der Registrierkassa gekommen, die sich nach sechs am Abend nicht mehr öffnen lässt?

Koller: Das war spontan. Sehr spontan. Die Gitti hat von sich aus gesagt, die Kassa geht nicht auf, und ich habe im selben Moment auf die Uhr geschaut. Da war es gerade Punkt 18 Uhr, und ich habe mir gedacht: Das probiere ich jetzt.

STANDARD: Sie haben dem Räuber dann erklärt, er hätte "eine Stunde früher kommen müssen". Hatten Sie keine Angst, dass er nach so einem frechen Sager ausrastet?

Koller: Daran habe ich in der Situation gar nicht gedacht, aber die Atmosphäre war da schon relativ entspannt. Ganz angespannt war es eh nie. Wichtig war, dass die Gitti und ich nicht geschwächelt haben. Wir sind fest auf unserer Meinung gestanden, dass die Kassa nicht aufgeht und fertig.

STANDARD: Der Räuber geht dann kurz weg und kommt noch einmal zurück, um die Geschichte mit der Kassa zu hinterfragen ...

Koller: Ja, und ich bin weiter dabei geblieben, dass sie stimmt. Ich habe ihm auch angeboten, dass er nach hinten kommen und sich die Sache selber anschauen kann.

STANDARD: Und wenn er es sich angeschaut hätte?

Koller: Meine Überlegung war, dass ich ihn bei der Kassa hinten niederreißen und überwältigen hätte können. Aber ich wäre kein Risiko eingegangen, weil meine Frau und Tochter vor Ort waren.

STANDARD: Das Wort Gelassenheit ist groß in Mode: Viele wollen gelassener im Leben werden, überall werden Kurse dazu angeboten. Haben Sie vielleicht Tipps?

Koller: Ich möchte nicht behaupten, dass ich immer gelassen bin. Ich habe in meinem Leben auch schon die Nerven weggeschmissen. Aber im Prinzip geht es darum: mit einer Ruhe das Gespür für die Situation zu entwickeln, in der man sich befindet, sie so zu akzeptieren, wie sie ist, und dann das Beste daraus zu machen. Ich war früher Polier – das war mein Traumberuf, in dem hätte ich gerne bis zur Pension gearbeitet. 2019 habe ich mir aber bei einem Unfall die Ferse zertrümmert und die Achillessehne gerissen. Nach vielen Operationen war klar, dass die Verletzung nie wieder gut wird. Trotzdem bin ich jetzt in der Trafik mit genauso viel Elan bei der Sache.

STANDARD: Was ist das Schöne am Besitz einer Trafik – wenn man nicht gerade ausgeraubt wird?

Koller: Mir macht der Austausch mit den Kunden Spaß, das Tratschen mit den Leuten. Die ersten Wochen waren jetzt schon turbulent – wenn es ruhiger wird, passt das auch. (Theo Anders, 12.8.2023)