Lörinc Mészáros, Ungarns reichster Mann, wurde zum Besitzer einer 68,5 Millionen Euro teuren Luxusyacht. Das hätte an sich keinen Nachrichtenwert – das Forbes-Magazin schätzt das Vermögen des Mannes auf rund eine Milliarde Euro –, wenn nicht bekannt wäre, dass Mészáros ein Kindheitsfreund von Ministerpräsident Viktor Orbán ist und es als kleiner Gasinstallateur in nur zehn Jahren zu sagenhaftem Reichtum brachte. Er selbst drückte es einmal so aus: "Ich verdanke das dem lieben Gott, dem Glück und Viktor Orbán."

Insofern erregte es in Ungarn große Aufmerksamkeit, als das unabhängige Nachrichtenportal 444.hu letzte Woche Fotos von Mészáros höchstpersönlich auf seiner neuen Yacht veröffentlichte. Die 62 Meter lange Rose d'Or, gefertigt vom italienischen Edelschiffbauer San Lorenzo nach Entwürfen des Nobeldesigners Officina Italiana, schwamm dem 444.hu-Fotografen Dániel Németh vor die Linse, als sie zwischen Neapel, Capri und Sorrento cruiste.

Ungarns Opposition hat Häme übrig.

Die Bilder zeigen den Oligarchen beim Besteigen des Deck-Pools und seine im Vorjahr geehelichte neue Frau, die Medienunternehmerin Andrea Várkonyi, beim Schlürfen eines Eiskaffees. In italienischen Gewässern sind solche Aufnahmen möglich. Dennoch bekam Németh Ungemach, als er vor drei Jahren den ungarischen Außenminister Péter Szijjártó auf der Vorgängeryacht, der um 20 Meter kürzeren Lady MRD, in der Adria fotografierte – die ungarische Regierung applizierte ihm in der Folge die israelische Spionagesoftware Pegasus auf sein Smart-Phone.

Staatliche Hilfen

Dass die neue, in Malta registrierte Luxusyacht tatsächlich Mészáros zuzuordnen ist, fand 444.hu mithilfe der maltesischen Daphne-Caruana-Galizia-Stiftung heraus. Diese identifizierte als formelle Besitzerin die ungarische Euroleasing AG, eine Tochterfirma der Ungarischen Bank-Holding (MBH), die wiederum Mészáros kontrolliert. Die MBH hatten Orbáns Leute durch die Fusionierung mehrerer Banken geschaffen. Sie päppelten sie mit erheblichen staatlichen Mitteln zum zweitgrößten Geldinstitut des Landes auf und spielten sie schließlich dem Lieblingsoligarchen des Regierungschefs zu.

Viktor Orbán hält sich die Nase zu.
Viktor Orbán hat ein System von Günstlingen etabliert.
imago/Belga

Mészáros gilt als schlichtes Gemüt und macht nach Ansicht von Beobachtern den Strohmann für die Orbán-Familie. Aus seinem Vornamen Lörinc leitet sich der höchst abwertende Spitzname Lölö ab, mit dem ihn jene bedenken, die in dem vom Installateur aus dem Dorf Felcsút bei Budapest zum Euromilliardär aufgestiegenen Märchenprinzen eine Marionette des Regierungschefs erblicken. Die in ihm eine Symbolfigur des von Orbán 2010 ausgerufenen "Systems der nationalen Zusammenarbeit" (NER) sehen. Neuerdings befindet sich sogar ein Orbán-Gefährte der ersten Stunde, der Dokumentarfilmer László Pesty, in dieser Gesellschaft.

"Lölö-Phänomen"

Auf einem Nebenpodium jener Veranstaltung in Rumänien, bei der Orbán jeden Sommer eine große Rede vor Angehörigen der ungarischen Minderheit schwingt, prangerte Pesty unvermittelt und überraschend das sogenannte "Lölö-Phänomen" an. "Dass wir quasi auf offener Bühne stehlen, betrügen, erpressen, das ist das Lölö-Phänomen in Ungarn", sagte er inmitten von und vor einem Publikum aus eingefleischten Loyalisten der Orbán-Partei Fidesz. Pesty ist selbst Fidesz-Urgestein. Von 1988 bis 1990 war er einer der Macher von Fekete Doboz" (Blackbox), einer Videofirma, die gewissermaßen die gesamte Wende in Ungarn – und zum Teil auch anderswo im Osten – dokumentiert hatte. Während sich viele seiner damaligen Mitstreiter vom Fidesz abwandten, als Orbáns autokratische Natur hervortrat, blieb Pesty bis heute bei der Stange. Als Propagandist für verschiedene Regimemedien dürfte er selbst nicht schlecht verdient haben.

Doch jetzt legte er in einem Interview mit dem oppositionellen Portal 24.hu sogar noch eins nach. Am "Lölö-Phänomen" störe den Durchschnittsungarn nicht, dass jemand reich wird, sondern "dass Ein-Byte-Intelligenz-Visagen enorme Vermögen besitzen", meinte er. „Warum muss das nationale Kapital so entstehen, dass die NER-Ritter ehrliche, sich bemühende und begabte Unternehmer demütigen und vernichten?" Täglich sei von Geschichten zu hören, wie "bestimmte Leute aus dem Clan auf ein schönes Haus zeigen, auf eine Pension, auf eine Firma, mit den Augen zwinkern und dem Besitzer ins Ohr flüstern: 'Lieber Freund, ein Teilhaber würde dir nicht schaden, damit sich deine Geschäfte weiter gut entwickeln.' Und das Opfer erschrickt, nimmt dann das Clan-Mitglied für ein paar Groschen in seine Firma hinein, und kaum hat er sich's versehen, ist er aus seinem mit Fleiß und Talent aufgebauten Unternehmen, Haus, Pensionsbetrieb etc. ausgebootet". Pesty erwähnte sogar das konkrete Beispiel eines mit ihm befreundeten Tiefbauunternehmers, eines treuen Fidesz-Loyalisten, der auf diese Weise seine Firma an einen Strohmann der Oligarchie verkaufen musste. (Gregor Mayer aus Budapest, 15.8.2023)