Schließlich ließ die Staatsanwaltschaft des US-Bundesstaates Georgia die Katze aus dem Sack – und zwar um 24 Stunden früher als ursprünglich damit zu rechnen war: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump wird auch in einem vierten Fall angeklagt. In einer vorgezogenen abendlichen Sitzung entschied in der Hauptstadt Atlanta eine Geschworenen-Jury am Montag, dass sich Trump vor Gericht verantworten soll wegen seiner Versuche, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 im Bundesstaat zu beeinflussen und nachträglich zu fälschen. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die mehreren US-Medien vorlag.

Neben Trump sind 18 weitere Personen angeklagt – darunter sein ehemaliger Rechtsanwalt Rudy Giuliani, der als New Yorker Bürgermeister nach den 9/11-Anschlägen weltweit bekannt wurde. Weiters angeklagt ist auch Mark Meadows, Trumps früherer Stabschef im Weißen Haus.

Bezirksstaatsanwältin Fani Willis bei einer Pressekonferenz
Bezirksstaatsanwältin Fani Willis bei einer Pressekonferenz nach Einreichung der Anklage gegen Donald Trump.
Joe Raedle/Getty Images/AFP

Trump nennt Anklage in erster Reaktion "Hexenjagd"

Die 98-seitige Anklageschrift in Georgia listet nun diverse Anklagepunkte auf – darunter ist ein Tatbestand, der üblicherweise bei Fällen organisierter Kriminalität zum Einsatz kommt. Dass ein Ex-Präsident wegen einer konkreten Straftat vor Gericht kommt, hatte es in der Geschichte der USA zuvor überhaupt noch nicht gegeben. Trump weist alle Vorwürfe zurück und wertet die Strafverfolgung gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn an einem Wiedereinzug ins Weiße Haus zu hindern. Trump bewirbt sich derzeit um die Kandidatur der Republikaner für die Wahl im November 2024.

Die erneute Anklage gegen ihn kritisierte Trump scharf. "Klingt für mich manipuliert!" schrieb er auf dem von ihm gegründeten Online-Netzwerk Truth Social. "Warum haben sie nicht schon vor 2,5 Jahren Anklage erhoben? Weil sie es mitten in meiner Wahlkampagne tun wollten. Hexenjagd!", so Trump weiter.

Baldiger Prozessbeginn?

Die für den Fall zuständige Bezirksstaatsanwältin Fani Willis strebt einen schnellen Prozessbeginn an: Einen Verhandlungstermin solle es bereits innerhalb der kommenden sechs Monaten geben, sagte sie am Montagabend bei einer Pressekonferenz. Der konkrete Zeitplan liege jedoch im Ermessen des Richters. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Prozess tatsächlich so zeitnah beginnen wird; er fiele mitten in die ersten Vorwahlen, in denen Trump sich gegen parteiinterne Gegner und Gegnerinnen wie Ron DeSantis oder Nikki Haley durchsetzen will.

Die Angeklagten haben nun bis zum 25. August – also zehn Tage – Zeit, vor dem Gericht in Atlanta zu erscheinen und sich zu melden, so Willis weiter. Auf die Frage nach Trumps Vorwurf, die Ermittlungen seien politisch motiviert, sagte die Staatsanwältin: "Ich treffe in diesem Amt Entscheidungen auf der Grundlage der Fakten und des Gesetzes, das Gesetz ist völlig unparteiisch. Auf diese Weise werden Entscheidungen in jedem Fall getroffen."

New York, Miami, Washington – und jetzt Atlanta

Auch auf Bundesebene muss sich Trump wegen seiner Rolle nach der Wahl vor Gericht verantworten. In den vergangenen Monaten war bereits in drei anderen Fällen in New York, Miami und Washington Anklage gegen den Republikaner erhoben worden.

Foto der Anklageschrift gegen Trump und 18 andere Personen
Erster Blick auf die 98-seitige Anklageschrift gegen Donald Trump und 18 andere Personen.
REUTERS/Julio-Cesar Chavez

Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Er weigert sich aber bis heute, seine Niederlage einzugestehen. Der 77-Jährige behauptet stattdessen unbeirrt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Weder Trump noch seine Anwälte haben Beweise für diese Behauptungen vorgelegt. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden nach der Wahl von Gerichten abgeschmettert, auch vom obersten US-Gericht. Trumps Feldzug gegen den Wahlausgang gipfelte am 6. Jänner 2021 in einem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol in Washington. Der Mob versuchte mit dem Gewaltausbruch, die formale Bestätigung von Bidens Wahlsieg im Parlament zu verhindern. Mehrere Menschen kamen damals ums Leben.

Georgia hatte zu den Bundesstaaten gehört, die für den Wahlausgang 2020 eine Schlüsselrolle spielten. Biden gewann in dem Bundesstaat damals nur ganz knapp mit nicht einmal 12.000 Stimmen Vorsprung. Trump bemühte sich, seine Wahlniederlage nachträglich noch ändern zu lassen. Unter anderem rief Trump den Chef der Wahlbehörde in Georgia, seinen republikanischen Parteikollegen Brad Raffensperger, unverblümt dazu auf, genügend Stimmen für ihn "zu finden", um das Ergebnis "nachzuberechnen" und zu drehen. "Ich will nur 11.780 Stimmen finden (...), weil wir den Bundesstaat gewonnen haben", sagte Trump in einem Telefongespräch, von dem später ein Mitschnitt an die Öffentlichkeit gelangte.

Wegen dieser und anderer Einflussversuche, die publik wurden, leitete die Staatsanwältin Fani Willis in Fulton County in Georgia 2021 Ermittlungen ein. Im Mai 2022 wurde zunächst ein Sonder-Gremium mit Geschworenen eingesetzt, das über mehrere Monate Dutzende Zeugen anhörte. Das Gremium schloss im Jänner 2023 seine Arbeit ab und legte einen Bericht vor, der allerdings weitgehend unter Verschluss blieb. Diese Sonder-Jury hatte keine Befugnis, bereits über eine mögliche Anklage zu entscheiden, sondern sollte lediglich Empfehlungen abgeben zur möglichen Strafverfolgung von Personen, die an den Einflussversuchen beteiligt waren.

Später beschäftigte sich eine reguläre Grand Jury mit dem Fall – sie entschied nun über die Anklage gegen Trump. Eine Grand Jury ist in den USA ein Gremium von Geschworenen, das nach der Vorlage von Beweismitteln durch die Staatsanwaltschaft Straftaten untersucht und entscheidet, ob Anklage erhoben werden soll.

Allein mit einem umgedrehten Ergebnis in Georgia hätte Trump die Präsidentenwahl 2020 zwar nicht gewonnen; allerdings bemühte er sich damals zeitgleich in mehreren Bundesstaaten darum, die dortigen Ergebnisse zu kippen und so in Summe genügend Stimmen für den Einzug ins Weiße Haus zu sammeln. (APA, red, 15.8.2023)