Da war wohl mächtig Alkohol im Spiel: Mindestens elf Menschen, darunter vier russische Soldaten, sollen bei einer Schießerei zwischen tschetschenischen und russischen Soldaten in einem Dorf bei Mariupol im Süden der Ukraine getötet worden sein. Dies berichtete die britische "Times", unter Berufung auf ukrainische Quellen. Iwan Topusow, der von Russland eingesetzte Chef der Region, bestätigte die Schießerei in den sozialen Medien. Tschetscheniens Informationsminister Achmed Dudajew indes bezeichnete die ukrainischen Berichte als "billige Lügen", so das Online-Medium "Meduza".

Ramsan Kadyrow gibt an, dass bisher rund 28.000 seiner Truppen ins Kampfgebiet entsandt wurden.
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Trotz dieser angeblichen Schießerei: Eigentlich stehen die Ahmat-Kämpfer des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow fest an der Seite der russischen Armee. Gemäß Kadyrows Pressedienst seien seit Beginn der Kämpfe mehr als 28.000 Soldaten, darunter 13.000 Freiwillige, aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien in das Kampfgebiet entsandt worden. Derzeit stünden über 7.000 Kämpfer an vorderster Front. "Tschetschenische Kräfte stellen einen relativ kleinen, aber prominenten Teil der russischen Streitkräfte in der Ukraine dar", so das britische Verteidigungsministerium.

Kadyrow glühender Fan der "Spezialoperation"

Ramsan Kadyrow gilt als glühender Befürworter der "Spezialoperation". Aber er hat auch seinen eigenen Kopf. Nach der ukrainischen Rückeroberung der Stadt Lyman ging Kadyrow den verantwortlichen russischen Befehlshaber direkt an. Dieser setzte Soldaten ein, so Kadyrow, versorgte sie jedoch nicht mit der erforderlichen Munition. Konsequenzen hatte eine derart harsche Kritik nicht. Im Gegenteil: Wegen seiner "Verdienste" in den Kämpfen wurde Kadyrow zum Generaloberst befördert. Russlands Präsident Wladimir Putin braucht Kadyrow. Er hält Tschetschenien fest im Griff, unterdrückt jede separatistische Bestrebung. Eine weitere militärische Front, ein abtrünniges Tschetschenien, kann sich Kremlchef Putin ganz gewiss nicht leisten.

Deshalb wird Kadyrow von Russlands Führung umworben. Anfang August reiste Juri Tschaika, Putins Gesandter für den Nordkaukasus, nach Tschetschenien, um Kadyrow einen Dankesbrief des Kremls zu überreichen. Kadyrows Mutter erhielt einen Ehrenorden, seine Frau die Auszeichnung "Mutter Heldin". Aber auch handfestere Belohnungen für die Loyalität Kadyrows gibt es. Sein Neffe Jakub Sakrijew, stellvertretender Ministerpräsident in Tschetschenien, übernimmt die Leitung von Danone Russland, so die Nachrichtenagentur Interfax. Der französische Konzern mit dreizehn Fabriken und 7.500 Mitarbeitern in Russland hatte sich aus dem Russland-Geschäft zurückgezogen.

Ramsan Kadyrow ist für seinen autoritären Führungsstil in Tschetschenien bekannt. Er folgte seinem 2004 ermordeten Vater Ahmat nach. Mitte der 1990er-Jahre kämpften Vater und Sohn Kadyrow noch im ersten Tschetschenien-Krieg gegen Russland. Im zweiten Tschetschenien-Krieg wechselten sie die Seiten, zu dieser Zeit begann auch der Aufstieg Ramsans. Er regiert die Teilrepublik mit eiserner Hand, vorgeworfen werden ihm Folter, Entführungen und Morde. Homosexuelle würden verfolgt und in spezielle Gefängnisse gesperrt. (Jo Angerer aus Moskau, 16.8.2023)