Bio ist in vieler Munde. Zusehends auch in der Gastronomie. Doch nicht alle Wirte und Hoteliers, die mit Bio auf ihren Speisekarten werben oder dieses in ihrem Namen tragen, kaufen Bio ein.

Gastronomie
Gastronomen und Hoteliers, die mit biologischen Lebensmitteln werben, sollen künftig mehr Einblick in ihre Beschaffung geben.
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Staatliche Kontrollen fehlen. Von Täuschung der Konsumenten durch schwarze Schafe und Wettbewerbsverzerrung im Wettlauf um Kunden ist in der Branche die Rede. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Auf jahrelangen Druck zahlreicher Biogastronomen quer durch Österreich will die Regierung das nun ändern.

Ziel ist eine verpflichtende Biozertifizierung. Wer angibt, Biologisches zu servieren, soll dies künftig auch transparent nachweisen müssen, erfuhr DER STANDARD.

Neue Regeln geplant

Das setzt Kontrollen staatlich anerkannter Stellen voraus. Ein entsprechender Entwurf liegt nach Abstimmung im Biobeirat im Gesundheitsministerium und soll auf breite Zustimmung der Branche stoßen. Die Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium laufen. Noch heuer soll eine Verordnung auf dem Tisch liegen.

Gut 850 Betriebe ließen sich bisher auf freiwilliger Basis zertifizieren und überprüfen. Rund 500 weitere Restaurants, Caterer und Hotels führen Bio zwar auf ihren Menüplänen, rechnet der Verein der Biowirtinnen vor. Einen Nachweis für ihren nachhaltigen Einkauf gibt es vielerorts aber nicht. Ob man sich biologischer Rohstoffe regelmäßig, sporadisch oder nur vermeintlich bedient, bleibt meist im Dunkeln. Die Probe aufs Exempel machen in der Regel nur wenige Konsumenten.

Er wolle keinen aus seiner Zunft in die Pfanne hauen, betont Christian Wandl. Aber seine Erfahrungen mit ihr seien nicht die besten. "Die Masse der Produkte in der Gastronomie, die Gästen als Bio verkauft wird, ist es nicht – weil es hier nach wie vor keine Kontrollen gibt."

Wandl zählt auf seinem Leutascherhof in Seefeld jährlich 22.000 Nächtigungen. Seit 15 Jahren verarbeitet seine Familie in dem Hotel ausschließlich Biologisches.

Sein Vater, ein Koch aus Leidenschaft, stellte aus Überzeugung um, nicht aus Gründen des Marketings, sagt Wandl. "Er wollte nicht länger mit Lebensmitteln aus aller Welt und konventionellem Fleisch arbeiten, bei dem allein der Preis zählt." Heute wisse er bei jedem Schnitzel, woher es komme und wie es erzeugt worden sei. "Viele Gäste schätzen das."

"Bewusste Irreführung"

Wandl kauft direkt bei Landwirten ein, zahlt für Bio im Schnitt um 30 Prozent mehr, als Branchenkollege für konventionelle Rohstoffe ausgeben. Alle Mehrkosten an Kunden weiterzureichen gebe der Markt jedoch nicht her, sagt Wandl. Sein Betrieb sei zertifiziert und werde kontrolliert. "Das ist nicht immer lustig."

Verständnis für Wirte, die dies locker handhaben, die sich vielleicht ein einziges Mal Biofleisch beschaffen, sich aufgrund dessen aber zehn Jahre lang auf ihrer Karte ein grünes Mascherl verpassen, hat der Tiroler daher nicht. "Das ist bewusste Irreführung und färbt auf die gesamte Branche ab. Worauf sollen sich Konsumenten in der Gastronomie dann letztlich noch verlassen können?"

Für Wandl führt an einer Pflicht zur Zertifizierung kein Weg mehr vorbei. Kein Hotel, kein Lokal, das Bio kaufe, werde dazu gezwungen – sofern es Speisen nicht als Bio anpreise, erläutert er. "Wer freilich mit Bio wirbt und sich dadurch wirtschaftliche Vorteile erwartet, soll sich gefälligst an die Regeln halten."

Wachsender Markt

Bio galt in der Gastronomie über Jahre als zartes Pflänzchen, das mit der Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel nicht mithalten konnte. Mittlerweile schlägt es aber weit über Wien hinaus kräftige Wurzeln.

2019 lag der Anteil entsprechender Lebensmittel in der Außerhausverpflegung bei sieben Prozent, erhob die AMA Marketing. Bis 2022 wuchs dieser auf neun Prozent und einen Umsatz von knapp 190 Millionen Euro an, zieht Simon Ziegler Bilanz. Ziegler arbeitet für den österreichischen Großhändler Biogast und berät das deutsche Landwirtschaftsministerium in Biofragen.

Als Triebfeder sieht der Experte zum einen die öffentliche Hand mit ihren verpflichtenden Biovorgaben zwischen 30 und 100 Prozent in der Versorgung von Schulen, Kindergärten, Spitälern und Heimen. Zum anderen rücke Bio auch in der Gastronomie und Tourismuswirtschaft in den Fokus. "Die Zeiten, in denen Bio sich in Hotels in Frühstücksecken versteckte und mittags auf Haferflockenlaibchen beschränkte, sind vorbei", ist Michaela Russmann, Obfrau des Vereins der Biowirtinnen, überzeugt. Die Corona-Krise habe Konsumenten umdenken lassen und Wirten Zeit für die Umstellung gegeben.

In Wien entschieden sich in den vergangenen zwei Jahren mehr als 50 Betriebe für eine Zertifizierung. Russmanns Erfahrungen nach wird dabei im Schnitt etwa die Hälfte der Bioprodukte regional beschafft.

Ziegler lässt keinen Zweifel daran, dass die Gastronomie ein hartes Pflaster ist; seit die starke Inflation die Kassen vieler Haushalte beschneidet, mehr denn je. "Wir wollen niemanden vernadern", meint er mit Blick auf Wirte, bei denen Bio mehr Schein als Sein ist. Auch gehe es um keine neuen Verbote, sondern um kluge Förderungen. "Wer ehrlich arbeitet, gehört unterstützt. Derzeit verleiteten Graubereiche jedoch zu unüberlegten Marketingaktionen."

Angst vor zusätzlichen Kosten

An heftigem Widerstand aus der Wirtschaftskammer gegen gesetzliche Regelungen zu einer Biozertifizierung fehlte es nicht. Zu groß war die Angst vor zusätzlicher Bürokratie und hohen Kosten. Geplante Förderungen für die Umstellungen sollen diese Hürden beseitigen.

Noch offen ist, welches Ministerium dafür seine Geldtöpfe öffnet. Ziegler und Russmann rechnen im Schnitt mit lediglich 1000 Euro pro Betrieb für Beratung und eine Kontrolle. "Es lässt sich viel auch mit geringem Einsatz von Mitteln erreichen." Ein besseres Image für Österreich als Tourismusstandort etwa – vor allem aber starken Einfluss auf die gesamte Bioproduktion, die auf vermehrte Nachfrage reagiert, sind sich Biogastronomen einig.

Um Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen, die kleine Betriebe nicht über Gebühr belasten wollen, sieht der Verordnungsentwurf vor, dass sich, wer im Jahr Bio um weniger als 10.000 Euro einkauft, nicht zertifizieren lassen muss. Pflicht ist in diesem Fall eine Meldung bei der Lebensmittelbehörde. Für Ziegler ist es eine praxisorientierte Lösung.

Nägel mit Köpfen wurden jüngst beim Österreichischen Umweltzeichen gemacht. Wer es tragen will, braucht seit Juni einen 30-prozentigen Mindestanteil an Bio beim Nettowareneinsatz. Er selbst habe das Zeichen 2012 als einer der wenigen Hotelbetriebe zurückgegeben, erinnert sich Biogastronom Wandl. "Es war reines Greenwashing, ein Wischiwaschi-Siegel." Die neuen Kriterien überzeugten ihn davon, es seit diesem Sommer wieder zu tragen. Auch wenn ihm für seinen Betrieb 30 Prozent Bio zu wenig seien.

Sorge, dass ihm Biolebensmittel ausgehen, hat Wandl nicht. Natürlich mache er da und dort Abstriche. "Aber wer sagt, dass ich Bioerdbeeren im Jänner brauche?" Seien kurzzeitig die Gurken knapp, verarbeite er eben mehr Zucchini. Und statt eines 280-Gramm-Schnitzels täten es auch 140 Gramm. (Verena Kainrath, 18.8.2023)