Christian Haumer, Youtuber aus Leidenschaft
Christian Haumer redet online über alles, was ihn interessiert. Vor allem Games und Rockmusik.
Christian Haumer

1.629 Videos hat der Niederösterreicher Christian Haumer über einen Zeitraum von sieben Jahren produziert und damit gerade einmal 3.365 Abonnenten gewinnen können. Finanziell gelohnt hat sich der Aufwand also nicht, den der mittlerweile 40-Jährige sehr regelmäßig in sein Hobby steckt. Der Traum, den viele Teenager haben, mit Twitch, Youtube und Co reich zu werden, war allerdings nie die Triebfeder für Haumer. Die Liebe zum Medienmachen war von Beginn an die Motivation, und das ist sie bis heute.

Der STANDARD hat deshalb beim Content Creator nachgefragt, warum ein Dialekt in der schimmernden Videowelt nicht funktioniert, wie man sich so lange für ein Thema begeistern kann und ob Neid gegenüber anderen Content-Creators tatsächlich nie ein Thema war.

STANDARD: Wann hast du begonnen Videos zu machen, und was war die ursprüngliche Intention?

Haumer: Die ersten Videos machte ich bereits als Jugendlicher gemeinsam mit Freunden mittels einer modifizierten Überwachungskamera, die wir an einen Videorecorder angeschlossen hatten. Wir hatten damals in den frühen 1990ern ja nichts. Als ich mir einige Jahre später eine eigene Video-8-Kamera leisten konnte, wurde diese mein ständiger Begleiter. 2007 kam Youtube auf, und ich habe sofort alles gefilmte Material digitalisiert und hochgeladen. Meine Intention war damals eigentlich nur "Wahnsinn! Alle Menschen auf der Welt können jetzt meine Videos schauen!".

STANDARD: Welche Inhalte sollten Schwerpunkt sein? Welche Ideen hattest du schon bezüglich Inszenierung?

Haumer: Ich habe 2016 als den Höhepunkt des Youtube-Hypes in Erinnerung. Gefühlt alle, die eine Kamera auch nur im Ansatz bedienen konnten, machten plötzlich Vlogs auf Youtube und wurden reich und berühmt. Ich war regelrecht schockiert über die großen Reichweiten, die mit inhaltlich sowie technisch äußerst fragwürdigem Content erreicht werden konnten. Ich dachte mir nur: "Wenn die das können, kann ich das schon lange!", und begann selber damit, Videos zu veröffentlichen, auf die ich gerade Lust hatte. Ein richtiges Konzept hatte ich nicht, es musste mir einfach Spaß machen. Ich dachte damals, wenn ich einfach nur viel und regelmäßig veröffentliche und die Qualität halbwegs passt, dann werden die neuen Abonnenten schon von alleine zu mir strömen.

STANDARD: Stand dein Dialekt zur Diskussion?

Haumer: Ja, von Anfang an. Ich habe sogar eine Weile professionelles Sprachtraining auf mich genommen. Ich musste aber feststellen, dass sich Hochdeutsch zu sprechen für mich extrem unangenehm anfühlt. Als mein Sprachtrainer dann meinte: "Du hast 35 Jahre lang Dialekt gesprochen, es wird viele Jahre dauern, bis du das in den Griff bekommst", habe ich drauf gepfiffen und mich mit meinem Dialekt abgefunden.

Anfangs bekam ich wegen meiner Aussprache immer wieder böse Kommentare auf meine Videos. Das hat mich schon getroffen und verunsichert. Inzwischen habe ich aber sogar einige Stammzuschauer aus Deutschland, die meinen Dialekt sehr erfrischend finden und mir versichert haben, mich in meinen Videos gut zu verstehen. Das ist natürlich sehr motivierend. Trotzdem erwische ich mich auch heute immer wieder dabei, wie ich meinen Dialekt verfluche und mir wünsche, akzentfreies Hochdeutsch sprechen zu können.

STANDARD: Nimm uns ein wenig in deine Gedankengänge während der ersten Jahre mit.

Haumer: Mein Ansatz hat sich eigentlich bis heute kaum geändert. Ich möchte Videos machen, die mir Spaß machen und ich mir auch selber gern anschaue. Ich orientiere mich an Formaten, die mir gefallen und versuche, sie in meinem eigenen Stil umzusetzen. Ich erfinde das Rad natürlich niemals neu, bin aber auch keine unreflektierte Copycat.

Mir war außerdem bereits von Anfang an klar, dass meine Produktionsweise gestreamlined sein muss, damit der Prozess von der Videoidee über die Aufnahme bis zur Veröffentlichung möglichst schnell und reibungslos von der Bühne geht. Wenn ich eine Videoidee habe, dann brauche ich nicht erst eine Stunde lang Licht, Kamera, Mikrofon und Kulisse aufbauen und einrichten, sondern kann sofort loslegen. Mein kleines Arbeitszimmer ist ein jederzeit einsatzbereites und gut ausgerüstetes Videostudio.

STANDARD: Welche Entscheidungen wolltest du und welche musstest du treffen?

Haumer: Ich merkte bald, dass es mir am meisten Spaß macht und es sich am besten in meinen Tagesablauf einbinden lässt, wenn ich schnell produziere und häufig veröffentliche. Ich konnte hingegen nie die Motivation dazu finden, tagelang an Texten und Drehbüchern zu feilen, die als Grundlage für meine Videos dienen. Darum habe ich mich dazu entschieden, meine Videos ungescriptet und nur mit einer Handvoll Notizen frei zu improvisieren. Außerdem verwende ich kaum Effekte. Die vielen Schnitte, Zooms, Einblendungen und der ganze sonstige Firlefanz aktueller Internetvideos sind mir erstens zu zeitaufwendig und zweitens zu kindisch. Ein gut und auf den Punkt geschnittenes Video ohne Längen reicht meiner Meinung nach vollkommen.

STANDARD: Über die Jahre entstanden immer mehr Formate, beispielsweise "Das Medienformat" mit dem Theaterregisseur und ehemaligen Games-Redakteur Florian Scherz. Das letzte Video hatte knapp unter 100 Abrufe bei 700 Abonnenten und das bei Folge 38. Wie treibst du dich an, diese 100 Abrufe genauso wichtig zu sehen wie andere 10.000?

Haumer: Florian und ich reden in unserem Podcast "Das Medienformat" über mediale Themen, die uns beschäftigen und die wir öffentlich besprechen wollen. Diese Motivation ist vollkommen intrinsisch, deswegen machen wir es. Wäre unser Ziel, "mindestens 1.000 Zuhörer pro Folge" zu haben, oder einen Sponsoring Deal an Land zu ziehen, hätten wir vermutlich schon nach wenigen Folgen das Handtuch geworfen. Der Podcast wächst seit drei Jahren nur sehr langsam, aber wir wissen, dass wir einige treue Zuhörer haben, die uns regelmäßig positives Feedback zukommen lassen. Das motiviert uns, weiterzumachen.

Das Gleiche gilt im Prinzip auch für meine Youtube-Kanäle. Manche sind erfolgreicher, andere haben kaum Zuseher. Aber alle Videos sind aus Überzeugung gemacht, und jedes gut gemeinte Feedback gibt mir die Kraft, nicht aufzugeben.

Christian Haumer, Humaldo
Das Equipment für die Streams hat sich Haumer privat finanziert. Große Hardware-Deals hat er keine aufgebaut.
Christian Haumer/Humaldo

STANDARD: Würdest du trotzdem heute etwas anders machen?

Haumer: Ich habe 2016 auch deswegen mit Youtube angefangen, weil der Anspruch damals niedriger war als heute. Schnelle Meinungs-Vlogs im schlecht ausgeleuchteten Schlafzimmer reichten damals aus, um durchzustarten. Heute hat sich Youtube extrem professionalisiert und ist in so gut wie allen Nischen übersättigt. Die Zuschauer erwarten inzwischen inhaltlich sowie technisch geschliffene Hochglanzproduktionen. In Deutschland werden einige Youtuber sogar durch öffentlich rechtliche Gelder finanziert. Da kommt man als Freizeit-Einzelkämpfer qualitativ nur sehr schwer ran.

Will man mehr als 500 Abonnenten erreichen, sollte man Youtube heute wie ein Unternehmen aufziehen, nicht wie ein Hobby. Eigentlich bräuchte man eine Redaktion und am besten noch ein Produktionsteam. Mir gefällt es aber, dass ich Youtube als Ein-Mann-Team schmeißen kann. Würde ich heute vor der Wahl stehen, frisch mit Youtube anzufangen, würde ich es wahrscheinlich inzwischen eher sein lassen.

STANDARD: Warum hat es deiner Meinung nach nicht funktioniert, große Reichweite zu generieren?

Haumer: Das ist die große Frage! Ist mein Themenmix zu konfus? Schreckt mein österreichischer Dialekt viele Leute ab? Liegt es daran, dass ich meine Videos nicht minutiös scripte, sondern relativ frei rede? Ist es vielleicht mein Aussehen, mein Outfit, meine langen Haare und die Nerd-T-Shirts? Bin ich zu alt für Youtube? Habe ich es vielleicht einfach nicht drauf?

Wahrscheinlich liegt es zum einen daran, dass ich kein herausstechendes Talent habe, das ich verkaufen könnte. Mit Videos, wo ich auf einem Einrad Salti schlage während ich Feuer spucke und dabei auch noch gewitzt die Tagespolitik aufs Korn nehme, hätte ich sicher ganz gute Chancen. Aber das kann ich leider nicht. Zum anderen habe ich mich nie Trends angebiedert und besitze ein starkes Harmoniebedürfnis und klare Moralvorstellungen. Vielleicht bin ich einfach zu brav und unspektakulär für Youtube.

STANDARD: Denkst du, du hättest deine Reichweite bewusst steigern können, indem du mehr auf Clickbait und Trends gesetzt hättest?

Haumer: Auf jeden Fall. Ich bin aber niemand, der Trends hinterherläuft. Ich möchte schon gar nicht Leute durch Clickbait in die Irre führen. Wenn ich Beef mit irgendwelchen Celebrities angezettelt hätte oder lautstark die Empörungswellen über die aktuellsten Promi-Skandale mitgeritten wäre, dann hätte mir das sicherlich Reichweite gebracht. Aber das ist nicht der Content, den ich machen will.

STANDARD: Vielleicht liegt es auch daran, weil du immer einen Job parallel hattest und Youtube immer als Hobby konzipiert war?

Haumer: Hätte ich Youtube nicht als Hobby gesehen, hätte ich es von Anfang an wie ein professionelles Unternehmen mit Gewinnabsicht aufziehen müssen. Aber das stand nie zur Debatte. Es sollte immer ein Hobby sein, wo der ungezwungene Spaß im Vordergrund steht. Ich bin immer noch ein Freund des alten Youtube-Slogans "Broadcast Yourself". Ich mache Videos, die ich gut finde und die etwas über mich aussagen. Das taugt nicht unbedingt als Geschäftsmodell.

STANDARD: Lässt du Gefühle wie Neid zu, wenn du siehst, wenn andere Youtuber später starten und trotzdem schneller Reichweite generieren?

Haumer: Früher war der Neid in der Tat groß. Inzwischen habe ich mich im Großen und Ganzen damit abgefunden, ein kleiner Fisch in der Nische einer Nische zu sein. Ich habe eine Handvoll treuer Stammzuschauer, die jedes meiner Videos feiern. Das reicht mir, um weiterzumachen.

Aber ich muss schon so ehrlich sein und zugeben, dass mich die potenzielle Aussicht, den "Durchbruch" eines Tages doch noch zu schaffen, immer noch täglich motiviert und antreibt. Stillstand ist auf Dauer langweilig. Und Langeweile kann ich nicht leiden.

humaldo zockt!

STANDARD: Wie oft hast du schon überlegt, alles hinzuschmeißen, und warum hast du es nicht getan? Was ist dein Geheimnis dranzubleiben?

Haumer: Die Frage "Wie lange will ich mir das noch antun?" stelle ich mir sehr oft. Ich bin aber niemand, der so schnell aufgibt. Solange ich mir meine eigenen Videos mit gutem Gewissen anschauen kann, mir das Produzieren Spaß macht und ich meine paar dankbaren Stammzuschauer habe, werde ich auch weitermachen. Vielleicht kommen irgendwann mal weniger Videos, aber es ganz sein zu lassen, kann ich mir einfach nicht vorstellen.

STANDARD: Was sind deine Pläne? Was wäre dein Traumszenario?

Haumer: Mein einziger Plan ist eigentlich nur, mir den Spaß am Videosmachen zu erhalten und sofort die Reißleine zu ziehen, wenn sich auch nur der Ansatz von Burnout zeigen sollte. Mein Traumszenario wäre natürlich, kontinuierlich zu wachsen, endlich vier- oder sogar fünfstellige Abonnentenzahlen auf allen Kanälen zu erreichen. Außerdem hätte ich gerne die Gewissheit, dass es da draußen mehr als 25 Leute gibt, die gut finden, was ich mache, ohne dass ich mich verbiegen muss. Ja, das würde mich sehr zufrieden machen. (Alexander Amon, 19.8.2023)