Frau betet mit Bibel und Rosenkranz auf dem Tisch
Wer religiösen Reizen ausgesetzt ist, weist eine bis zu 15 Prozent höhere Tendenz auf, Algorithmen zu vertrauen, so die Forscher.
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KI-Tools wie ChatGPT erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit unter vielen Nutzerinnen und Nutzern. Allerdings beobachten Forscher parallel dazu ein anhaltendes Misstrauen gegenüber Algorithmen. Dies gilt auch in Fällen, in denen bekannt ist, dass die Empfehlungen künstlicher Intelligenz (KI) besser sind als die von menschlichen Experten. Forscher haben nun einen überraschenden Zusammenhang in einer Studie entdeckt, wann die Skepsis gegenüber Algorithmen nicht so stark ausgeprägt ist.

Seit einigen Jahren wird das Phänomen der Algorithmusaversion intensiv untersucht, wobei der genaue Ursprung dieses Misstrauens bislang nicht abschließend geklärt ist. Ekaterina Jussupow und ihre Kollegen haben 2020 in einer Literaturstudie einige Faktoren identifiziert, die diese Abneigung beeinflussen können. Dazu gehören unter anderem die Autonomie von Algorithmen, die wahrgenommene Leistung der Algorithmen und der Grad menschlicher Beteiligung an der algorithmischen Entscheidung.

Widersprüchliche These

Ein überraschendes Ergebnis kommt nun von den Forschern Mustafa Karataş und Keisha M. Cutright. Sie stellen die These auf, dass Menschen, wenn sie an Gott oder religiöse Konzepte denken, ein stärkeres Bewusstsein für ihre eigenen Grenzen entwickeln. Dies könnte sie anfälliger dafür machen, Ratschlägen von Maschinen zu vertrauen. Diese These mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, wie die Autoren selbst zugeben. Schließlich wird eine tiefere Religiosität oft mit konservativen Ansichten und einer verringerten Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen in Verbindung gebracht.

Um ihre These zu überprüfen, führten Karataş und Cutright mehrere Experimente durch. In einem Experiment baten sie die Teilnehmer, ihre Gedanken zu Gott niederzuschreiben, während eine Kontrollgruppe über ihren Alltag schrieb. Danach wurden den Teilnehmern verschiedene Fragen gestellt, darunter auch, wie sehr sie verschiedenen Ratschlägen – sowohl menschlichen als auch maschinellen – vertrauen würden. Es stellte sich heraus, dass die religiös geprägte Gruppe den menschlichen Ratschlägen weniger vertraute als die Kontrollgruppe.

In weiteren Experimenten wurde die religiöse Einstellung der Teilnehmer durch unterschiedliche Methoden, wie etwa das Abspielen religiöser Musik oder das Befragen vor religiösen Orten, stimuliert. In allen Szenarien zeigte die Gruppe, die religiösen Reizen ausgesetzt war, eine zehn bis 15 Prozent höhere Tendenz, den Empfehlungen von Algorithmen zu vertrauen.

Die Forscher betonen jedoch, dass ihre Entdeckungen nicht als direkter Ansatz zur Steigerung der Akzeptanz von Maschinen in der Praxis gesehen werden sollten. Ihr Hauptziel ist es, das tieferliegende menschliche Verhalten und die psychologischen Mechanismen zu verstehen, die die Akzeptanz oder Ablehnung von KI-basierter Entscheidungsunterstützung beeinflussen. (red, 17.8.2023)