Computerplatine eines IMB-Personal-Computers
Die Digitalisierung hat auch den Erwerb und die Verbreitung von "pornografischen Darstellungen Minderjähriger" erleichtert. Ein junger Mann sitzt deshalb vor dem Strafrichter.
Imago

Wien – Am 5. September wird Richter Stefan Apostol dem Schöffenverfahren gegen Florian Teichtmeister vorsitzen, im Prozess gegen den 26-jährigen Herrn H. urteilt er allein über die Anklage. Staatsanwältin Bettina Sommer wirft dem unbescholtenen Österreicher vor, zwischen 2018 und Sommer 2022 insgesamt 71 unterschiedliche Darstellungen des Missbrauchs Minderjähriger besessen zu haben, also "pornografische Darstellungen Minderjähriger", wie es laut Gesetz noch heißt. Zusätzlich soll der Angestellte eine Datei an einen Chatpartner weitergeleitet haben.

"Bekennen Sie sich schuldig, teilweise schuldig oder nicht schuldig?", fragt Apostol den ohne Verteidigerin erschienenen Angeklagten. "Ich habe es besessen, also schuldig", gibt H. zu. "Sie haben es auch weitergeleitet", korrigiert der Richter ihn. "Warum haben Sie das Zeugs gehabt? Sind Sie pädophil?", will Apostol weiter wissen. Der Angeklagte bestreitet das vehement – er sei seit fünf Jahren in einer Beziehung, erklärt er. "Das höre ich öfters", überzeugt er den Richter nicht wirklich. "Es gibt zwei Arten, wie man auf dieses Zeugs reagieren kann: Entweder es kommt einem das Kotzen oder man fühlt sich davon angesprochen. Was war es bei Ihnen?" – "Es hat mich fasziniert, es war ungewöhnlich", sagt H. zu den Machwerken, die diverse Sexualpraktiken mit teils Unmündigen zeigen. "Es war eher das Verbotene", bietet er als Erklärung.

"Haben Sie sich dabei einen runtergeholt? Wäre ja naheliegend", lässt der Richter nicht locker. "Nein, es wäre zwar naheliegend, aber so war es nicht", beteuert der 26-Jährige. "Und warum haben Sie eine Datei weitergeleitet? Das lässt sich ja technisch alles nachvollziehen." – "Es ist mir passiert. Eigentlich wollte ich nur mit jemandem chatten", lautet die etwas überraschende Antwort. Nach H.s Darstellung habe er einen ihm Unbekannten kontaktiert. "Diese Person hat gesagt, dass sie das öfters macht." – "Was?" – "Mit Minderjährigen schlafen." – "Ach? Und deshalb haben Sie ihm die Datei geschickt?", zeigt der Richter sich konsterniert.

Generalprävention spricht gegen Diversion

Eine diversionelle Erledigung kommt für Apostol aus generalpräventiven Gründen nicht infrage, stellt er klar. Da Anklägerin Sommer neben einer tat- und schuldangemessenen Strafe auch die Konfiskation der Datenträger fordert, muss der Richter dem Angeklagten erklären, was damit gemeint ist. "Das bedeutet, dass Sie Ihren PC und die externe Festplatte, auf denen die Dateien waren, nicht mehr zurückbekommen. Die waren Ihr Eigentum, oder?" – "Ja", gibt H. zu. In dem ihm zustehenden Schlusswort bittet der Angeklagte um eine milde Strafe: "Ich würde gerne das Gefängnis vermeiden", sagt er.

Ein Wunsch, den Apostol ihm erfüllt: Bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren verurteilt er ihn nicht rechtskräftig zu drei Monaten bedingter Haft. "Das scheint in einer Strafregisterauskunft nicht auf, falls Sie einmal eine benötigen. Aber Sie kommen in die Sexualstraftäterdatei, das sehen Einrichtungen wie Kindergärten schon", erläutert der Richter die Konsequenzen. "Ich gehe davon aus, dass es ein einmaliger Fehler war – er hat sich eh lange hingezogen", begründet Apostol seine Entscheidung.

Eine Bitte hat der Angeklagte am Ende noch: "Könnte ich aus dem CD-Laufwerk meine Spiele-CD wieder haben? Es ist entweder 'Empire Earth 2' oder 'Stronghold Crusader', ich weiß es nicht mehr genau." – "Ja, da die CD nicht Teil des PCs ist, wird sie von der Vernichtung ausgenommen. Ich schreib das in den Beschluss hinein, Sie bekommen dann einen Brief, wann Sie sich die CD holen können", kündigt der Richter an. (Michael Möseneder, 17.8.2023)