Francina Armengol nach ihrer Wahl zur Parlamentspräsidentin, auch Sánchez freut sich.
AFP/JAVIER SORIANO

Der spanische Sozialist Pedro Sánchez hat die erste Hürde genommen, um erneut mit seiner bisherigen Linkskoalition Ministerpräsident zu werden. Am Donnerstag trat das am 23. Juli gewählte Unterhaus, der Kongress, erstmals zusammen und stimmte über die Zusammensetzung des Parlamentspräsidiums ab. Dabei wurde Francina Armengol, die Kandidatin der sozialistischen PSOE, zur Parlamentspräsidentin gewählt, obwohl die PSOE aus den Wahlen nur als zweite Kraft hinter der konservativen Partido Popular (PP) hervorgegangen war. Der Grund: Auch kleinere Kräfte aus dem Baskenland und Katalonien stimmten für die Sozialistin.

Sie brachten damit ihre Ablehnung gegenüber der Politik der PP zum Ausdruck. Die Konservativen unter Alberto Nunez Feijóo hatten bereits vor den Wahlen angekündigt, eine Koalitionsregierung mit der rechtsextremen Vox anzustreben. Diese Formel regiert seit den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai in weit über 100 Gemeinden und in fünf autonomen Regionen, vergleichbar mit den Bundesländern. Überall wurden durch sie unter anderem Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten eingeschränkt.

Am Donnerstagabend beauftragte König Felipe VI. Feijóo, eine Regierung zu bilden, erklärte Francina Armengol. Die Chancen für den Konservativen stehen allerdings schlecht: er hat keine ausreichende Unterstützung anderer Parteien. Falls Feijóos Kandidatur im Unterhaus abgelehnt wird, wäre nach kurzer Zeit wohl Sánchez dran.

Die PP hatte mit ihrer Annäherung an die rechtsextreme Vox die Tür für ein breites Bündnis zu. Im Oberhaus, dem Senat, der Gesetze aus dem Kongress überprüfen und zu einer erneuten Bearbeitung zurückverweisen kann, hält die PP die absolute Mehrheit und erhielt damit auch den Vorsitz der dortigen Präsidiums.

Rückwärtsgang einlegen

"Sie forderten eine Mehrheit für den Rückschritt und bekamen diese nicht. Sie wollten den Rückwärtsgang einlegen und haben dabei geparkt", bekräftigte Pedro Sánchez am Vorabend der Abstimmung im Kongress. Er will jetzt die gleiche Mehrheit, die den Sozialisten zum Vorsitz beim Parlamentspräsidium verhalf, für seine Wiederwahl im Parlament zum Ministerpräsidenten zusammenhalten.

Kostenlos wird das nicht zu haben sein. Sánchez, der die bisherigen Verhandlungen mit den baskischen und vor allem katalanischen Parteien, die in Barcelona regierenden Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die Partei des im belgischen Exil lebenden einstigen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont, Gemeinsam für Katalonien – Junts per Catalunya (JxCat), völlig diskret führte, wird Zugeständnisse machen müssen. Bereits jetzt sicherte er den Vertretern der Basken und Katalanen zu, dass Spanien die Anwendung ihrer Sprachen in der Europäischen Union unterstützen wird. Baskisch, Katalanisch und auch Galicisch künftig werden im spanischen Parlament zugelassen. Außerdem sollen zwei parlamentarische Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, die zum einen das Ausspionieren der Handys von Vertreter von ERC und JxCat mittels der Software Pegasus und zum anderen den islamistischen Anschlag vor sechs Jahren in Barcelona und die Kontakte der Täter zu den spanischen Geheimdiensten zum Thema haben werden.

Puigdemont will reden

Es gilt als sicher, dass ERC und JxCat für die Wahl von Sánchez zum Ministerpräsidenten eine Amnestie für diejenigen verlangen werden, die wegen ihrer Beteiligung an der Organisation eine Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 gerichtlich verfolgt werden. Das betrifft – so die Angaben der Unabhängigkeitsbewegung – Tausende von Lehrern, Direktoren und Hausmeister, die halfen, öffentliche Schulen als Wahllokal einzurichten. Auch Puigdemont wird von der spanischen Justiz als höchster Verantwortlicher für die Volksabstimmung gesucht. Die bereits verurteilten Politiker wurden von der Regierung Sánchez in der vergangenen Legislatur begnadigt.

Außerdem werden die Vertreter der katalanischen Unabhängigkeit einen Dialog verlangen, der in einer Volksabstimmung in beiderseitigem Einvernehmen endet. "Überprüfbare Versprechen" nennt Puigdemont das, was er will. Alles deutet darauf hin, dass der im Exil lebende Politiker direkt mit Sánchez verhandeln will. Die PSOE von Sánchez hatte bisher – ebenso wie die spanische Rechte – eine mögliche Volksabstimmung über die Loslösung von Spanien unter Berufung auf die spanische Verfassung abgelehnt.

Nach den konstituierenden Sitzungen des Unterhauses und des Senats wird König Felipe VI. Gespräche mit allen Parteien führen und dann einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten benennen. Dies dürfte in einem ersten Anlauf Feijóo sein, dessen PP die Wahlen gewann. Zusammen mit den Abgeordneten von VOX sowie zwei kleinen rechten Regionalparteien kann Feijóo im besten Fall 172 Abgeordnete auf sich vereinen, die absolute Mehrheit liegt bei 176. In einem zweiten Anlauf wäre dann Sánchez an der Reihe. Sollte es ihm gelingen das Bündnis vom Donnerstag zu erneuern, wäre er mit 178 Stimmen alter und neuer Ministerpräsident einer erneuten Koalition aus Sozialisten und der linksalternativen Sumar. (Reiner Wandler, 17.8.2023)