Graffito, Sacharow
Ein Graffito in Berlin zeigt den Sowjetdissidenten Andrej Sacharow.
APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

Moskau – Im Zuge ihres Vorgehens gegen Menschenrechtsorganisationen hat die russische Justiz die Auflösung des renommierten Sacharow-Zentrums angeordnet. Zur Begründung führte ein Gericht in Moskau am Freitag nicht genehmigte Konferenzen und Ausstellungen an. Das nach dem Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow benannte Zentrum gehörte zu den wenigen Organisationen, die die Sichtweise des Kreml infrage stellten – auch im Hinblick auf den Angriffskrieg in der Ukraine.

Bereits im Frühjahr dieses Jahres war das 1996 gegründete Sacharow-Zentrum unter Verweis auf das Gesetz zu "ausländischen Agenten" gezwungen worden, seine Räumlichkeiten in Moskau zu verlassen. Das russische Justizministerium hatte eine "Überprüfung" der Einrichtung eingeleitet, die seit 2014 als "ausländischer Agent" bezeichnet wurde.

Direktor kündigte Neugründung im Exil an

Der Direktor des Sacharow-Zentrums, Sergej Lukaschewski, der sich in Deutschland im Exil befindet, sagte damals der Nachrichtenagentur AFP, die Organisation werde sich im Falle einer Auflösung in Russland als "Kollektiv" neu gründen.

Das Gericht in Moskau, das nun die Auflösung des Sacharow-Zentrums anordnete, hatte im Jänner bereits das Verbot der Moskauer Helsinki-Gruppe verfügt, der ältesten Menschenrechtsorganisation in Russland. Im April wurde das Sowa-Zentrum aufgelöst, das sich auf die Untersuchung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit spezialisiert hatte.

Die Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich als wichtiger Pfeiler der Zivilgesellschaft etabliert hatte, war bereits Ende 2021 von den russischen Behörden aufgelöst worden – nur wenige Monate bevor Kreml-Chef Wladimir Putin Truppen in das Nachbarland Ukraine schickte.

Parallel zu seiner Offensive in der Ukraine nutzt die russische Führung ein Arsenal immer weiter reichender Gesetze, um jedwede Kritik von Einzelpersonen oder Organisationen am Kreml zu unterbinden. Die meisten Oppositionellen sitzen hinter Gittern oder sind im Exil. Nach dem Mord an dem führenden Oppositionspolitiker Boris Nemzow nahe der Kreml-Mauern 2015 hatten sich tausende Menschen vor dem Sacharow-Zentrum zum Gedenken versammelt. (APA, 18.8.2023)