Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist am Sonntag zu einem Arbeitsbesuch in Budapest eingetroffen. In den Gesprächen mit dem gastgebenden ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gehe es darum, die "verstärkte strategische Partnerschaft" zwischen den beiden Ländern "auf eine neue Stufe zu heben", schrieb die türkische Staatsagentur Anadolu. Orbán trifft sich immer wieder mit Erdoğan. "Das undemokratische Regieren hat sie einander näher gebracht, zwischen den beiden besteht eine besondere Beziehung", sagt der ehemalige ungarische Außenminister Péter Balázs.

Ungarn bezieht knapp die Hälfte seines aus Russland importierten Erdgases über die Pipeline Turkish Stream, die durch die Türkei und den Balkan führt. Darüber hinaus ist Orbán mit Erdoğan über fragwürdige Oligarchengeschäfte verbunden. Der türkische Geschäftsmann Adnan Polat, von 2008 bis 2011 Präsident des Istanbuler Fußballvereins Galatasaray, ist sowohl ein Vertrauter Erdoğans als auch Orbáns.

Recep Tayyip Erdoğan und Viktor Orbán vor ihren Landesflaggen, mit freundlicher Mimik und beim Handshake.
Freundliche Nasenlöcher bei Recep Tayyip Erdoğan und Viktor Orbán.
EPA/VIVIEN CHER BENKO / HUNGARIA

In Ungarn mach Polat Immobiliengeschäfte im großen Stil, wobei er eng mit Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz kooperiert. Außerdem errichtet er Solarzellenparks. "Ein türkischer Oligarch macht in Ungarn abnormale Profite, indem er chinesische Technologie und öffentliche Gelder nutzt – und das alles mit dem Segen Orbáns", kritisierte das Portal valaszonline.hu.

Ein bizarres Zusammenspiel pflegt Orbán auch bei der Blockade des Nato-Beitritts von Schweden. Mit der Weigerung, diesen durch das Parlament ratifizieren zu lassen, lässt der Ungar seinen türkischen Freund nicht als einzigen Spielverderber dastehen. Eigene Forderungen an Schweden hat Budapest nicht. Als Erdoğan den Nato-Beitritt Finnlands zunächst blockierte und dann doch ratifizieren ließ, folgte ihm Orbán auf dem Fuß.

Im Falle Schwedens wird es sich analog abspielen: Sobald der Termin für die Ratifizierung im türkischen Parlament feststeht – voraussichtlich im Oktober –, wird das Budapester Parlament auf einen Wink Orbáns hin für die Annahme der Beitrittsprotokolle Schwedens stimmen. "Im Prinzip schwächt Orbán nur die Nato, indem er sich hinter Erdoğans Rücken versteckt", meint Ex-Außenminister Balázs.

Orbáns viele Freunde

Trotz EU- und Nato-Mitgliedschaft ist Ungarn heute im demokratischen Westen isoliert. Orbáns prorussische Haltung im Ukrainekrieg, sein autoritärer Regierungsstil und sein Dauerkonflikt mit der EU haben den "Viktator" den gewichtigen westlichen Partnern entfremdet. Seit Kriegsbeginn besuchten ihn aus der EU nur die Regierungschefs der Nachbarländer Österreich, Kroatien und Slowenien. Dennoch durfte er am Wochenende ein wahres Feuerwerk von hohen Staatsbesuchen genießen. Außer Erdoğan machten ihm der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der Separatist und Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik, der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew, der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew, der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow sowie der Präsident der russischen Teilrepublik Tatarstan, Rustam Minnichanow, die Aufwartung.

Viktor Orbán in freudiger Erwartung seines Freundes Tayyip Erdoğan.
AFP/PETER KOHALMI

Von der Terrasse seiner Residenz auf der Budaer Burg gaben sie sich mit Orbán dem Panoramablick über Donau und Pester City hin. Vorwand ihres Kommens war die Leichtathletik-Weltmeisterschaft, die am Samstag in Budapest begann.

Orbán, der davon träumt, die Olympischen Spiele nach Budapest zu holen, ließ auf der Donauinsel Csepel ein brandneues, hypermodernes Stadion allein zu diesem Zwecke errichten. Für rund 650 Millionen Euro erbauten es Firmen aus dem Dunstkreis von Orbáns Lieblingsoligarchen Lörinc Mészáros und Schwiegersohn Tiborcz. Es dürfte sich gelohnt haben: Erst vor kurzem wurde Mészáros fotografiert, wie er auf einer 62 Meter langen, 68,5 Millionen Euro teuren Luxusyacht – DER STANDARD berichtete – in den Gestaden vor Capri kreuzte. Die Yacht gehört der Tochterfirma einer Bankenholding, die die Orbán-Leute Mészáros zugespielt hatten. (Gregor Mayer aus Budapest, 20.8.2023)