In Kiew reagierte man am Montag euphorisch auf die Ankündigung Dänemarks und der Niederlande, der von Russland überfallenen Ukraine bis zu 61 Kampfjets des Typs F-16 zu liefern. "Luftüberlegenheit ist der Schlüssel zu Erfolgen auf dem Boden", sagte Yuriy Ihnat von der ukrainischen Luftwaffe. Von einem "Durchbruch" sprach Präsident Wolodymyr Selenskyj, der am Wochenende höchstselbst in der norddänischen Luftwaffenbasis Skrydstrup in einem F-16-Cockpit Platz nahm.

Selenskyj in einem F-16-Kampfjet.
Wolodymyr Selenskyj wirkt euphorisch, als er einen F-16-Jet in Dänemark begutachtete. Schon bald werden ähnliche Flugzeuge auch in seinem Luftraum unterwegs sein.
AFP/Ritzau Scanpix/MADS CLAUS RA

200 der US-Kampfjets standen ursprünglich auf der Wunschliste der ukrainischen Armee für die nun schon seit fast drei Monaten andauernde Gegenoffensive. Nun werden es vorerst höchstens 60 – und auch die kommen für die Bemühungen der Ukraine reichlich spät. Doch könnten die immerhin schon 40 Jahre alten Kampfjets überhaupt einen Unterschied machen, was den Kampf der Ukraine gegen die russische Invasion betrifft? Und warum hat es so lange gedauert, bis sich der Westen zu der Zusage durchringen konnte? DER STANDARD beantwortet einige der wichtigsten Fragen.

Video: Kurz erklärt: Das US-Kampfflugzeug F-16.
AFP

Frage: Wie ist der letzte Stand in Sachen F-16 für die Ukraine?

Antwort: "Historisch" nannte Selenskyj die Entscheidung der Niederlande und Dänemarks, bis zu 61 Kampfjets des Typs F-16 der Ukraine zu übergeben. "Die F-16 werden den Kämpfern und den einfachen Bürgern frisches Vertrauen und Motivation bringen", twitterte Selenskyj in der Nacht zum Montag. Dänemark wird insgesamt 19 Jets liefern, wie viele der 42 infrage kommenden niederländischen F-16 dazukommen, war am Montag noch unklar. Berichten zufolge ist derzeit nur etwa die Hälfte einsatzbereit. Rund um den Jahreswechsel sollen die ersten Flugzeuge den ukrainischen Luftraum erreichen, bis dahin sollen auch die ersten der derzeit insgesamt 70 ausgewählten ukrainischen Piloten ihre Ausbildung in Dänemark abgeschlossen haben. Vier bis sechs Monate, so Schätzungen, dauert die Einschulung erfahrener Piloten an der F-16, Selenskyj kündigte an, die Ausbildungszyklen so weit es geht zu beschleunigen. Eine wichtige Bedingung knüpfte Dänemark aber an seine Lieferung: Die Ukraine darf die F-16 nur auf eigenem Territorium zum Einsatz bringen, also nicht im russischen Hinterland. "Wir spenden Waffen unter der Bedingung, dass sie eingesetzt werden, um den Feind aus dem Gebiet der Ukraine zu vertreiben. Und nicht darüber hinaus", sagte der dänische Verteidigungsminister Jakob Ellemann-Jensen.

Frage: Warum braucht die Ukraine genau diesen Kampfjet?

Antwort: Die F-16 ist das Arbeitstier der westlichen Luftstreitkräfte und gilt als fliegendes Multitalent. Beinahe jeder fünfte aktive Kampfjet weltweit ist eine F-16. Mit über 4.000 produzierten Exemplaren ist die F-16 der am weitesten verbreitete Fighter der Welt. Das bedeutet für die Ukraine, dass die Versorgung mit Ersatzteilen aus den Nato-Staaten sichergestellt werden kann. Die F-16 wurde als Allzweckjet entwickelt, sie kann als Bomber ebenso eingesetzt werden wie als leichtes Jagdflugzeug. Mit Kosten von 63 Millionen Dollar pro Stück ist die F-16 auch vergleichsweise günstig. Für einen Eurofighter bekommt man etwa zwei F-16. Der Nachfolger der Fighting Falcon, die F-35, kostet sogar 177 Millionen Dollar pro Stück.

Frage: Wie steht es bisher um die Luftwaffe des angegriffenen Landes?

Antwort: Die kleine ukrainische Luftwaffe bestand vor dem russischen Angriff hauptsächlich aus MiG-29. Dabei handelt es sich um ein Mehrzweckkampfflugzeug, das Anfang der 1980er-Jahre als Antwort auf die F-16 entwickelt wurde. Dazu kommen noch eine niedrige zweistellige Zahl taktischer Bomber vom Typ Su-24 und 16 Bodenkampfflugzeuge vom Typ Su-25, die aber im Zuge des russischen Angriffs alle zerstört wurden. Die Ukraine verfügte außerdem über 29 modernere Su-27, wovon aber mindestens zwölf Stück im Zuge der Kampfhandlungen verloren gingen.

Frage: Warum haben die USA so lange gezögert, bis sie grünes Licht gegeben haben?

Antwort: Bis zum G7-Gipfel im japanischen Hiroshima Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden eine Lieferung der in den USA gebauten F-16 an die Ukraine strikt abgelehnt. Zu groß schien die Angst, in den Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden. Selbst will man ohnehin keine F-16 liefern. Nun lässt es Washington aber immerhin doch zu, dass seine Verbündeten dem angegriffenen Land die so sehnlich gewünschten Jets übergeben. Mitte August hat die US-Regierung formell die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den F-16-Maschinen in Dänemark gestattet und den Transport von Flugsimulatoren und Handbüchern in die Wege geleitet, mittelfristig dürfte auch in Rumänien ein Trainingszentrum entstehen. Ein Teil der ukrainischen Piloten muss aber vor dem Ausbildungsbeginn erst noch einen Englischkurs in Großbritannien absolvieren. Von einer Kehrtwende will man in Washington nichts wissen. John Sullivan, Bidens nationaler Sicherheitsberater, meinte, die USA hätten bisher alle von Kiew gewünschten Waffen geliefert, schließlich würden die F-16 der Ukraine auch nicht kurzfristig auf dem Schlachtfeld helfen, sondern seien Teil einer langfristigen Neuaufstellung der ukrainischen Armee. Die Prämisse, dass die US-Waffen nicht gegen russisches Territorium eingesetzt werden dürfen, sei bisher von Kiew genau eingehalten worden. Auch Belgien und Norwegen gelten als mögliche Lieferanten der US-Jets.

Frage: Wie hat Russland nun auf die Zusage reagiert?

Antwort: Mit der üblichen Warnung vor einer Ausweitung des Konflikts. Der Schritt werde zu einer weiteren Eskalation führen, erklärte der russische Botschafter in Dänemark, Wladimir Barbin: "Indem man sich hinter der Prämisse versteckt, wonach die Ukraine selbst die Bedingungen für einen Frieden bestimme, lässt Dänemark der Ukraine keine andere Wahl als weiter die militärische Konfrontation mit Russland zu suchen." In Moskau hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu bereits zuvor vor dem Risiko einer weiteren Eskalation der Gewalt gewarnt. Präsident Wladimir Putin und sein Vorgänger Dmitri Medwedew, der sich seit Kriegsbeginn mit besonders martialischer Rhetorik gegen den Westen hervortut, haben die Entscheidung bisher nicht kommentiert.

Frage: Ist die F-16 russischen Kampfjets überlegen?

Antwort: Bislang ging die F-16 aus jeder Begegnung mit russischen Kampfjets als Sieger hervor, wobei häufig ältere Modelle aus Sowjetzeiten, wie die Abfangjäger MiG-21, MiG-23 sowie taktische Bomber des Typs Su-24 abgeschossen wurden. Aber auch in Auseinandersetzungen mit moderneren Flugzeugtypen wie der MiG-29 oder dem Luftüberlegenheitsjäger Su-30 blieben F-16 siegreich. Der modernste verfügbare russische Kampfjet, die Su-35, gilt wiederum als der F-16 überlegen. All diese Vergleiche sind aber wenig seriös, da letzten Endes die Fähigkeiten des Piloten oder der Pilotin entscheidend sind. Um die Grundlagen zu erlernen, sind mindestens vier Monate nötig.

Das blasenförmige Cockpit der F-16 wird gemeinhin für die gute Rundumsicht geschätzt. Darüber hinaus ist es mit einer dünnen Goldschicht überzogen, um die Radarsignatur zu minimieren.
EPA/SOUTH KOREAN DEFENSE MINISTR

Frage: Wie ist die F-16 bewaffnet?

Antwort: Üblicherweise verfügt eine F-16 über mehrere Kurzstrecken-Luft-Luft-Raketen vom Typ Sidewinder sowie Mittelstreckenraketen vom Typ Sparrow. Modernere Varianten können auch mit neueren AIM-120 AMRAAM, einer Luft-Luft-Mittelstreckenrakete, ausgestattet werden. Insgesamt verfügt die F-16 über neun Außenlaststationen, an denen unterschiedliche Waffen angebracht werden können. Dies können ungelenkte Raketen, Luft-Boden-Flugkörper, Luft-Luft-Raketen, Lenkbomben oder Zusatzbehälter mit Aufklärungs- oder Stör-Equipment sein. Fest installiert ist an der F-16 lediglich die Bordkanone, eine M61A1 20-mm-Vulcan-Gatlingkanone.

Frage: Kann die F-16 auch russische Cruise-Missiles und Drohnen abwehren?

Antwort: Theoretisch ja. Mit den neuen Radarsystemen von Hersteller Northrop Grumman sollte es möglich sein, dass eine F-16 auch tief fliegende Objekte wie russische Raketen oder Drohnen erkennen und abschießen kann. Praktisch wird es dennoch nötig sein, diese kleineren Ziele mit anderen Mitteln aufzuklären, um den Piloten oder die Piloten der F-16 anzuleiten.

Die F-16 verfügt über insgesamt neun Außenlaststationen für unterschiedliche Bewaffnung.
EPA/SOUTH KOREAN DEFENSE MINISTR

Frage: Könnten die F-16 dazu genutzt werden, um Russland auf dem eigenen Territorium anzugreifen?

Antwort: Technisch ist dies zweifelsohne möglich, aber derartige Kapazitäten hat die Ukraine schon jetzt. So werden alte Su-24-Bomber verwendet, um westliche Marschflugkörper wie die britisch-französische Storm Shadow zu starten. Die Ukraine hat sich jedoch verpflichtet, die F-16 nicht zum Angriff auf russisches Territorium einzusetzen.

Frage: Werden die F-16 der Ukraine noch während ihrer Gegenoffensive einen Vorteil verschaffen?

Antwort: Dafür werden sie wohl zu spät kommen. Eine der größten Hürden für die ukrainische Armee in der seit zwei Monaten laufenden Offensive ist ihr Mangel an Luftabwehr, russische Kampfhubschrauber und -jets können die ukrainischen Verbände viel zu häufig schon vor den eigenen Linien treffen, an einen Durchbruch durch die ohnehin massiv ausgebauten Verteidigungslinien der Invasoren war bisher schon deshalb meist nicht zu denken. Moderne Kampfjets könnten dieses Missverhältnis ausgleichen. Außerdem verspricht sich die Ukraine von den US-Jets auch die Chance, die Raketen- und Drohnenangriffe auf zivile Städte endlich einzudämmen – für diesen Winter dürften sie allerdings ebenfalls zu spät kommen. (Florian Niederndorfer, Peter Zellinger, 21.8.2023)