Schon seit Anfang August heißt es für viele Astronominnen und Astronomen trotz gebuchter Beobachtungszeiten: bitte warten. Denn ein rätselhafter "Cybervorfall" erzwang die Einstellung des Betriebs von insgesamt zehn Teleskopen in Chile und auf Hawaii. Wann es wieder weitergeht, ist derzeit unklar. Für Forschende mit zeitkritischen Vorhaben ist das ein enormes Problem.

Gemini North Telescope
Gemini North Telescope
Das Gemini North Telescope liegt auf dem Maunakea in Hawaii in 4.214 Meter Höhe. Seit Anfang August ist es offline.
International Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA/J. Pollard

Die Alarmmeldung kam vom US-amerikanischen Noirlab. Die Forschungseinrichtung der National Science Foundation ist für Betrieb und Koordination mehrerer Observatorien zuständig. Am 1. August vermeldete das Noirlab einen Angriff auf seine Computersysteme und musste daraufhin das Gemini North Telescope auf Hawaii offline nehmen. Offenbar bestand kurzzeitig sogar die Gefahr für physische Beschädigungen an dem 8,1-Meter-Spiegeltekeskop: "Durch die schnelle Reaktion der Sicherheitsteams und der Beobachterteams konnte ein Schaden am Observatorium verhindert werden", hieß es in einer Stellungnahme.

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Als Vorsichtsmaßnahme mussten jedoch bald weitere Teleskope offline genommen werden, darunter das Southern Astrophysical Research Telescope und das Victor M. Blanco Telescope (beide in Chile). Das Gemini-Zwillingsteleskop Gemini South, das sich ebenfalls in Chile befindet, war bereits zuvor aus Wartungsgründen vom Netz genommen worden. Insgesamt sind nun zehn Teleskope in Zwangspause, an einigen sind noch Beobachtungen vor Ort möglich. Eine Fernsteuerung ist nicht mehr machbar.

Darüber hinaus hält sich die Forschungseinrichtung über den Vorfall bedeckt, wie "Science" berichtet. Die Frage, ob es sich um einen Erpressungsversuch durch Hacker handle oder ob der Cyberangriff andere Hintergründe haben könnte, wollte Noirlab demnach nicht beantworten. Man arbeite jedenfalls "rund um die Uhr daran, die Teleskope wieder in den Himmel zu bringen", sagte ein Sprecher zu "Science". Betroffene Forschende sprachen von "vorbildlichem Verhalten" der Forschungseinrichtung, die versuche, einzelne Beobachtungsvorhaben zu retten. Je länger der Shutdown anhält, desto problematischer wird es allerdings für wartende Astronominnen und Astronomen.

"Weckruf" für die Forschung

Viele Beobachtungen mit bodengebundenen Teleskopen zielen auf exakt getimte Ereignisse am Nachthimmel ab. Schlechtwetter ist dabei immer ein Risiko, unvorhergesehene und wochenlang anhaltende Zwangspausen sind aber selten. Für lange geplante Vorhaben internationaler Forschungsteams, Datensammlungen für Publikationen und Dissertationsprojekte ist ein solcher Ausfall bitter.

Über die möglichen Hintergründe des Cyberangriffs herrscht derweil Rätselraten. Von Welch, der ehemalige Leiter des Cybersicherheitscenters der NSF, sieht in dem Vorfall einen Weckruf für die Wissenschaftscommunity, wie er zu "Science" sagte. Denn die Attacke ist nicht die erste dieser Art, im Vorjahr wurde das Alma-Observatorium (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) in Chile Ziel von Hackern. In der Wissenschaft sei Cybersicherheit eine besondere Herausforderung, die nicht so einfach durch Firewalls und Systemisolierung erzielt werden könne, sagte der Experte. Denn die Forschung lebe schließlich von Kollaboration und freier Verfügbarkeit von Daten. (dare, 22.8.2023)