Italiens Rechtsregierung steht vor einem schwierigen Herbst: Im Staatshaushalt für das kommende Jahr, der nach den Sommerferien ausgearbeitet werden muss, will Ministerpräsidentin Giorgia Meloni diverse Wahlversprechen einlösen, etwa die Senkung der Steuern auf Arbeit und die Verlängerung großzügiger Regelungen für die Frühpensionierung. Das aber kostet dutzende von Milliarden Euro, die die Regierung nicht zur Verfügung hat. Was liegt also näher, als das Geld dort zu holen, wo gerade die Gewinne sprudeln – also bei den Banken?

Mit einer Anfang August beschlossenen Übergewinnsteuer für die Geldinstitute im Jahr 2024 erhoffte sich die Regierung Zusatzeinnahmen von drei bis zu sieben Milliarden Euro: Die Banken verdienen wegen der Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) im Kreditgeschäft derzeit rund ein Drittel mehr als üblich, weil sie den Kreditnehmern die höheren Zinsen weitergeben, während auf Spareinlagen weiterhin keine oder nur minimale Zinsen gutgeschrieben werden.

Kurssturz an der Börse

Doch die Aktion, die die Vorsitzende der Fratelli d'Italia, Meloni, weder mit den Banken noch mit der EZB abgesprochen hatte, ist gründlich schiefgegangen: Allein schon die Ankündigung der Sondersteuer für Geldinstitute hat an der Mailänder Börse einen Kurssturz bei den Bankentiteln ausgelöst, bei dem rund neun Milliarden Euro an Börsenkapitalisierung vernichtet wurden.

Die Regierung ruderte in der Folge ein erstes Mal zurück und beschränkte den Maximalbetrag der zu entrichtenden Steuer auf 0,1 Prozent der Bilanzsumme der Banken und den Ertrag auf drei Milliarden Euro. Doch die massive Kritik an der Maßnahme legte sich damit nicht. Finanzexperten wie Francesco Giavazzi, früherer Wirtschaftsberater des Ex-Ministerpräsidenten Italiens und Ex-Chef der EZB, Mario Draghi, warnt, dass die Banken wegen der neuen Steuer ihre Zinsen und Gebühren anheben könnten und die Kreditbeschaffung für die Unternehmen damit noch komplizierter und teurer würde. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Banken weniger in Staatsanleihen investieren könnten. Das wäre fatal, weil die Kreditinstitute etwa ein Viertel der italienischen Staatsschulden halten und die EZB den Kauf der Anleihen eingestellt hat. "Die Steuer könnte zum Eigentor werden", betont Giavazzi.

Steuer gegen Steuergutschrift

Angesichts der Risiken wird die Regierung die Übergewinnsteuer nach italienischen Medienberichten in den nächsten Tagen nun aber weiter verwässern. Laut der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera will Ministerpräsidentin Meloni angesichts des akuten Geldbedarfs der Regierung zwar auf der Bezahlung der Steuer im nächsten Jahr bestehen, doch in den darauffolgenden fünf bis zehn Jahren soll die Sonderabgabe den Banken in Form von Steuergutschriften wieder zurückerstattet werden.

Damit würde die Steuer de facto zu einem Zwangsdarlehen der Banken an den Staat degradiert. Die Finanzinstitute könnten damit leben: "Ein Zwangsdarlehen wäre immer noch besser als eine Enteignung", zitierte der Corriere della Sera am Sonntag den Manager einer italienischen Großbank.

Flugpreisdeckel

Auch mit einem anderen Staatseingriff bewies Meloni kein glückliches Händchen: Eine ebenfalls Anfang August beschlossene Obergrenze für Flugticketpreise hat bei den Airlines harsche Kritik ausgelöst. Das Regierungsdekret verbietet es den Gesellschaften, die Preise für Flüge nach Sizilien und Sardinien über ein Niveau hinaus zu erhöhen, das 200 Prozent über dem Durchschnittspreis für Flüge zu den beiden Inseln liegt.

Ryanair-Chef Eddie Wilson bezeichnete die Maßnahme in der Folge als "lächerlich und illegal"; sie erinnere ihn an "sowjetische Verhältnisse". Dem Protest schlossen sich andere in Italien operierende Fluggesellschaften an, darunter Lufthansa und Easyjet. Sie bezeichnen den Regierungsentscheid als Verstoß gegen die Regeln des freien Marktes der Europäischen Union. Tatsächlich dürfte auch diese Maßnahme nicht lange Bestand haben.

Ryanair-Boss Wilson ist im Übrigen nicht der Einzige, der sich in Rom inzwischen an sowjetische Zustände erinnert fühlt. Der wirtschafts- und finanzpolitische Interventionismus der Rechtsregierung hat liberale Publizisten und Beobachter in ganz Italien bereits zu der – halb ironisch, halb ernsthaft gemeinten – Frage veranlasst, ob aus der Postfaschistin Meloni nun plötzlich eine Marxistin geworden sei. Tatsächlich können viele der jüngsten Regierungsdekrete unter das Motto von Robin Hood gestellt werden, das auch in kommunistischen Regimen Konjunktur hatte und dem auf Dauer kein Populist und keine Populistin widerstehen kann: Nimm das Geld von den Reichen und verteile es an die Armen. Oder tue zumindest so. (Dominik Straub aus Rom, 21.8.2023)

Ein Porträt von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die ein weißes T-Shirt und eine weiße Jacke trägt
Die Übergewinnsteuer, die Meloni und ihrer Regierung planen, sorgte für einen Kurssturz an der Börse.
AP/Evan Vucci