Horst Skoff
Skoff
Der Kickaufschlag zählte wie die Vorhand zu Horst Skoffs besten Schlägen. Der Kärntner brachte es auf vier Turniersiege.
Imago/Mary Evans

Da lag er nun. Hamburg, Anfang Juni 2008, eine laue Sommernacht am Hammer Steindamm. Offenbar gelang es den Rettungskräften noch, Horst Skoff zu reanimieren, als sie ihn in einem Hinterhof fanden. Der 39-Jährige wurde ins Krankenhaus St. Georg gebracht, wo die Ärzte um sein Überleben kämpften. 14 Stunden später war Skoff tot. Der unerwartete Tod legte in der öffentlichen Wahrnehmung einen Schatten über sein Leben und seine Karriere: Es war von einer Domina und Rotlicht und Erpressung die Rede. Der Boulevard hatte seine Schlagzeilen. Die Hamburger Polizei schloss nach der Obduktion Fremdverschulden aus. Akte zu, case closed. Zumindest für die Ermittler. Es bleiben viele Fragen offen. Die Erinnerungen verblassen, verlieren sich in den Spekulationen um Skoffs Tod.

Wenn einmal im Jahr, im Oktober, in der Stadthalle die ATP-Tour zu Gast in Wien ist, kommen die Rufe noch vereinzelt: "Hoooorsti!" hallt es dann durch die Halle. Lachen. Sie sind eine Hommage an einen einzigartigen Tennisspieler und seine mitunter bemerkenswertesten Erfolge. In Wien manifestierte sich Skoffs Rivalität mit Thomas Muster, sorgte für spektakuläre Ballwechsel, Erzählungen von Kampf und Krampf, Sieg und Niederlage, Steiermark gegen Kärnten, das Duell um Österreichs Tenniskrone. Wenn das Turnier zu Ende ist, schreit niemand mehr "Horsti".

Kärnten, Willkommen bei Freunden

Da stand er nun. Immer und immer wieder. Zuerst wohl am Zaun und dann auf dem Platz des Tennisclubs Kühnsdorf. Kühnsdorf, rund 1.500 Einwohner, östlich von Klagenfurt, in rund einer halben Stunde ist man mit dem Auto am Grenzübergang zu Slowenien. Kühnsdorf hat eine Pfarrkirche, die Pizzeria heißt Ristorante Pizzeria Bella Italia da Salvatore, ein paar Cafés, tiefstes Kärnten also. Und der Tennisclub Kühnsdorf. Horst Skoff wurde am 22. August 1968 in Klagenfurt geboren, wuchs in eher bescheidenen Verhältnissen nur einen Ballwurf von der Tennisanlage auf. Sein Vater spielt in seinem Leben keine Rolle, seine Mutter dafür eine umso größere. Skoff hatte zwei ältere Halbbrüder, mit vier Jahren stand der kleine Horst zum ersten Mal auf dem Platz, der für ihn zum Mittelpunkt werden sollte. Schnell war klar: Der Bub hatte großes Talent.

Wenn man Skoffs Leben in Wikipedia-Einträge gliedern müsste, sie in prägende Personen unterteilen würde, wären da zuerst die Bresnik-Jahre. Dann die Lutschinger-Jahre. Über allem steht die Beziehung zu seiner Mutter. "Er hat seine Mutter über alles geliebt. Und sie ihn auch", sagt Günter Bresnik heute.

Bresnik Skoff
Günter Bresnik: "Er hat seine Mutter über alles geliebt. Und sie ihn auch."
APA/EXPA/STEFAN ADELSBERGER

Da trainierten sie nun. Vorerst nebeneinander. 1982, Leistungszentrum Südstadt nahe Wien. Skoff war als 14-Jähriger dorthin gewechselt, aus dem Talent sollte ein gestandener Tennisprofi werden. Wären da nicht die körperlichen Defizite: "Zu klein" war anfangs das vernichtende Urteil für den Bub aus dem Süden. Nebenan Bresnik, 21 Jahre, Medizinstudent und Tennislehrer. Von Spitzensport hatte er keine Ahnung. Bresniks erster Mentor Eugen Gressl habe dann auf den Kleinsten in der Trainingsgruppe gezeigt: "Der Bub spielt geil, Günter, schau dir den an." Skoff wurde neben seiner Körpergröße auch für seine "Dackelhaxen" gehänselt. Bresniks Antwort: "Alle sagen, der hat keine Chance, der ist zu klein." Gressl wusste es besser: "Die haben keine Ahnung." Skoffs Tennis war eine Augenweide. Seine größte Waffe: die Vorhand. Sie hatte Power, Präzision. Ausbaufähig: der wacklige Topspin und eine schwächere Rückhand, die zu oft zum Slice wurde.

"Servas, i bin der Horsti", stellte sich Skoff in breitem Kärntnerisch vor. Die Vokale lungern an den weichen Konsonanten. "Da Hoasdi". Der Bub kam ungewöhnlich daher: drei verschiedene Rackets, eines von Kneissl, eines von Adidas, eines von Puma, in einer alten, verbrauchten Schlägertasche. Bresnik ließ sich auf einen Trainingssatz ein, kassierte ein 0:6. Der Grundstein für eine bemerkenswerte Zusammenarbeit war gelegt.

Das Leistungszentrum in der Südstadt Anfang der 1980er-Jahre: Skoff trainierte im Regelbetrieb unter dem Tschechen Jan Kukal. Und abends mit Bresnik. Leistungsinternate strotzten damals vor Tristesse. Es gab neben Tennis vor allem Tennis und sonst auch noch Tennis. Manchen Jugendlichen war dort, no na, stinkfad. 1984 warf man den 16-jährigen Skoff aus dem ÖTV-Nachwuchskader: Bier und Übernachtungen bei Mädchen sollen ausschlaggebend gewesen sein. Skoff reiste quasi auf Eigeninitiative zur Orange Bowl, dem wichtigsten Tennisnachwuchsturnier. Und gewann es.

Bauchlandung

1985, mit 17, spielte Skoff Jugendturniere und wagte die ersten Schritte im Erwachsenentennis. Er war nicht nur für seine Vorhand bekannt, sondern auch für seine Mätzchen, sein ungewöhnliches, teils ungehobeltes Verhalten auf dem Platz. Skoff legte sich auch in Monte Carlo mit dem Publikum an, das ihn gnadenlos auspfiff. Seine Reaktion: "The more you whistle, the better I play." Im Mai 1987 war Skoff die Nummer 25 der Welt.

Und dann verletzte er sich. So schnell der frühe Aufstieg Skoffs vonstattengegangen war, so hart war die erste Bauchlandung. Der 18-Jährige fiel aus den Top 50, konnte bis auf eine gute Woche in Monte Carlo keine nennenswerten Spieler mehr schlagen und wurde vom Verband wieder einmal rausgeworfen. Als Touring-Coach kam plötzlich Bresnik infrage. Es war eine ungewöhnliche Konstellation: Das ungehobelt wirkende, strauchelnde Talent und der Medizinstudent, der zum Tennislehrer und dann zum Trainer wurde. Die Zusammenarbeit begann im Sommer 1987. Und sie begann mit einem Rückzug nach Kärnten.

Einem Rückzug zu den Wurzeln. Skoff und Bresnik quartierten sich in Kühnsdorf bei Skoffs Mutter ein. Das Ziel: keine Ablenkungen, kein Drumherum, nur Bresnik, Skoff, ein Korb Bälle und die bescheidene Anlage des TC Kühnsdorf. Am Abend spielten sie im Café Billard und "aßen Schinkenkäsetoast", erinnert sich Bresnik in seinem Buch "Die Dominic-Thiem-Methode". Ziemlich gleichzeitig gab es nur ein ähnlich ungewöhnliches Gespann auf der Tennisbühne: Thomas Muster und Ronnie Leitgeb. Die Talente Muster und Skoff lernten einander früh kennen, von der späteren Rivalität war noch nichts zu spüren. Man verbrachte manche Abend miteinander, ging ins Kino.

Vorhand und Ego stärken

Da arbeiteten sie nun. Zuerst am Tennisplatz Kühnsdorf, dann wieder in der Südstadt. Bresnik sollte Skoff wieder auf Schiene, also zu Siegen bringen. Die Fitness war auch bei Skoff ein Thema. Aber was tun mit dieser laschen Rückhand, die in ihrer Durchschnittlichkeit so leicht erkennbar, so offensichtlich war? Die Vorhand stärken. Also fütterte Bresnik Skoffs Vorhand und sein Ego. Wenn Bresnik heute über seinen ehemaligen Schützling spricht, über seinen Freund und langen Weggefährten, ist nur manchmal, in kleinen Momenten, Wehmut erkennbar. Es ist ein offenes und ehrliches Gespräch. Ernst, aber nicht abgeklärt, auskunftsfreudig, aber nicht tratschend: "Horsti war ein blitzgescheiter Mensch. Und das ohne große Schulbildung. Er war interessiert, empathisch, humorvoll." Bresnik weiß aber auch von den zwei Seiten des Horst Skoff zu berichten: Dr. Horsti und Mr. Skoff. 1988 nannte Ivan Lendl Skoff "the biggest jerk in tennis".

Im Herbst 1988 folgte ein Match, das in die Geschichtsbücher einging. Skoff bezwang Muster im Finale von Wien. Es war eine Revanche, denn 1987 musste sich Skoff in der zweiten Runde von Wien Muster nach komfortabler Führung im ersten Satz noch geschlagen geben. 1988, im Finale, kam alles anders: Muster hatte eine Lebensmittelvergiftung, schleppte sich über den Platz, Skoff knöchelte um, humpelte über den Platz. Am Ende gewann Skoff 4:6, 6:3, 6:4, 6:2. Die Legende war Realität, wurde zur Geschichte. Skoff gewann als erster Österreicher das Turnier in Wien. Fortan sollten sie in der Stadthalle "Hoooorsti" schreien. Die beste Phase in Skoffs Karriere gipfelte 1989 in einer Partie, die noch bis heute unmittelbar mit seinem Namen verbunden ist: Im Wiener Dusika-Stadion lieferte er sich mit dem Schweden Mats Wilander, Nummer zwei der Welt, eine Davis-Cup-Schlacht. Sechs Stunden, vier Minuten dauerte es, bis sich der Kleine, Nicht-mehr-so-Blade, nach einem Fünfsatztriumph vom Platz schleppte.

Rockstar

Der 20-Jährige war mittlerweile bei den Bresniks in Niederösterreich eingezogen. Laut Bresnik war es ein Auf und Ab. Aus dem Jugendlichen wurde ein junger Erwachsener. Das hat Vorzüge, bringt aber auch Schwierigkeiten. "Meine Mutter war nicht besonders begeistert, als ihr beim Ausräumen von Skoffies Hosentaschen eine Rechnung über 3.000 Schilling von einem Gastronomiebetrieb namens 'Pussy Dolls' in die Hände fiel", erinnert sich Bresnik in seinem Buch an diese Zeit. Der Trainer konterte mit Kontrollwahn. Es fruchtete. Vorerst. Skoff benahm sich, "pinkelte nicht mehr in Hotelwaschbecken, zog sich ordentlich an, hatte Umgangsformen". In Hamburg erreichte er 1989 das Finale. Bresnik sagt noch heute, dass diese Woche das Highlight der gemeinsamen Zeit war. Sie endete abrupt in der Winterpause, als Skoff bei den Bresniks auszog, um fortan mit dem Manager Walter Lutschinger zusammenzuarbeiten.

"Der Horsti wollte mehr Freiheiten", erzählt Lutschinger. Er inszenierte Skoff als Popstar, schnelle Autos, die Beziehung zur steirischen Miss World Ulla Weigerstorfer passten ins Bild. Mit dem österreichischen Daviscup-Team zog Skoff 1990 ins Semifinale ein, zusammen mit Muster und Alex Antonitsch bildete er die "drei Musketiere". Skoff verlor die entscheidende Partie gegen Michael Chang. Laut Lutschinger ein Ereignis, "das ihn irgendwie gebrochen hat". Insgesamt holte er vier Titel, war 1990 18. der Weltrangliste. Skoff erregte noch einmal Aufsehen im Welttennis, als er die ATP nach einer verschlampten Dopingkontrolle verklagte und recht bekam. Nach seiner Karriere zog es ihn zurück zu den Wurzeln, also nach Kärnten. Laut Lutschinger träumte er von einer Zukunft als Biobauer. Die Beziehung zu Bresnik erholte sich nur langsam, aber doch. Im Juni 2008 klingelte Bresniks Telefon. Es war Skoff: "Wir müssen uns unbedingt treffen, ich fliege nur schnell nach Hamburg, dann besuch ich dich." Ein paar Tage später war er tot.

Da standen sie nun. Auf dem Friedhof in Kühnsdorf. Ein sonniger Tag, viele waren gekommen, um sich vom "Horsti" zu verabschieden. Und irgendwie trugen sie auch ein Stück österreichische Tennisgeschichte zu Grabe. Viele Gesichter hinter den Sonnenbrillen waren verweint. Am Dienstag wurde die im Egoth-Verlag erschienene Biografie Horst Skoff – Mehr als ein Rockstar (25,50 Euro) von Gernot Fleiss-Cianciabella und Egon Theiner präsentiert. An diesem Tag wäre Skoff 55 Jahre alt geworden. (Andreas Hagenauer, 22.8.2023)