Es ist das politisch bestimmende Thema am Ende des Sommers: Wie umgehen mit Menschen, die hohe Kreditverpflichtungen eingegangen sind und nun wegen gestiegener Zinsen unter Druck kommen? Die SPÖ fordert ja einen Zinspreisdeckel, also eine Obergrenze für Kreditzahlungen. Die ÖVP lehnt das ebenso ab wie die Banken. Beide Seiten haben sich allerdings zu einem ersten Maßnahmenpaket durchgerungen, das am Mittwoch von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Erste-Bank-Chef Willibald Cernko in seiner Funktion als Bankensprecher präsentiert wurde.

Erste-Bank-Chef und Bankensprecher bei der Wirtschaftskammer, Willibald Cernko.
Erste-Bank-Chef und Bankensprecher bei der Wirtschaftskammer, Willibald Cernko.
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Gleich vorweg: Eine Bankensteuer ist nicht geplant, und auch einem Zinspreisdeckel erteilte Brunner erneut eine Absage. Ein Zinsdeckel sei schon wegen kartellrechtlicher Regelungen nicht möglich, so der Finanzminister. Auf Nachfrage konkretisierte er nicht, welche Regelungen das seien. Doch kündigte Cernko an, dass die Banken in den kommenden zwölf Monaten auf Mahnspesen und Verzugszinsen verzichten werden, wenn Kreditnehmer mit ihren Rückzahlungsraten in Verzug geraten. Das soll laut Cernko den Druck von Häuslbauern nehmen. Davon betroffen sind laut dem Bankchef aktuell nur wenige Kundinnen und Kunden, denn die Rate der Kreditausfälle ist aktuell tatsächlich niedrig und liegt unter zwei Prozent.

Video: Die heimischen Banken stellen Unterstützung für Kreditnehmende in Aussicht, die aufgrund der steigenden Zinsen unter Druck geraten sind.
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Und: Laut dem Banker arbeiten die Kreditinstitute auch an einem Topf in "zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe", um überforderte Kreditnehmer bei Rückzahlungen zu unterstützen. Angedacht sei hier vor allem eine Unterstützung für Familien. Später konkretisierte Cernko, dass es um 50 bis 100 Millionen Euro geht. Bis zum Oktober soll ein Paket stehen.

Wobei die Banken auch Bedingungen haben. Ein solcher Topf sei nur im Rahmen einer "Gesamtlösung" möglich, so Cernko, der die "KIM-Verordnung" der Finanzmarktaufsicht (FMA) ansprach. Diese "Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung" legt strengere Regeln bei der Vergabe von Immobilienkrediten fest. So dürfen die Rückzahlungsraten bei Vertragsabschluss nicht 40 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigen. Die Banken halten diese Regeln für zu streng. Kurzum: Es sieht so aus, als könnte der Topf kommen, wenn es hier eine Aufweichung gibt.

Die zweite Forderung dürfte auch umstritten sein: Der Bankenverband will, dass die Höchstgrenzen für Pönalen bei vorzeitigen Kreditrückzahlungen angehoben werden. Worum es geht? Bei einem fix verzinsten Kredit kann es sein, dass die Bank draufzahlt, wenn der Kunde vorzeitig das ganze Darlehen zurückzahlt. Denn auch Banken finanzieren sich langfristig, borgen also Geld für viele Jahre mit Zinsen her und holen sich andererseits Geld. Aktuell ist geregelt, dass Kundinnen und Kunden Beträge bis zu 10.000 Euro immer zurückzahlen können. Bei Rückzahlungen darüber darf die Bank maximal ein Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrages an Zusatzkosten verrechnen. Diese Regel wollen die Banken aufgeweicht sehen, um auch mehr verrechnen zu können.

Finanzminister Brunner kündigte an, dass Banken künftig bei der Oesterreichischen Nationalbank einmelden sollen, welche Zinsen sie für Spareinlagen mit verschiedenen Laufzeiten bieten. Die Nationalbank soll diese Daten publizieren, das soll den Wettbewerb zwischen den Instituten stärken. Und: Das Finanzministerium will erneut den Verkauf von Staatsanleihen an Privatkunden forcieren. Das ist schon aktuell möglich, dafür braucht es aber wie bei Aktien ein Bankdepot. Künftig soll es hier erweiterte Möglichkeiten geben, Details nannte Brunner noch nicht.

Gemischte Reaktionen

Die Reaktionen auf die angekündigte Unterstützung für Kreditnehmende sind gemischt ausgefallen. Die Maßnahmen würden das Problem hoher Kredit- und niedriger Sparzinsen nicht lösen, so die Oppositionsparteien. Hohe Überziehungszinsen und steigende Kreditraten seien der Bevölkerung schwer zuzumuten, so der Tenor. Das Paket liefere hier keine echte Lösung. Positive Reaktionen gab es hingegen von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV).

"Die Banken haben gemeinsam mit der Bundesregierung ein Paket ausgearbeitet, das Kreditnehmer:innen dann unter die Arme greift, wenn und wo es wirklich notwendig ist", so etwa WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf in einer Aussendung. "Damit muss auch das populistische Spiel einzelner Politiker auf dem Rücken einer gesamten Branche ein Ende haben." IV-Generalsekretär Christoph Neumayer schrieb in einer Aussendung: "Die aktuell vorgeschlagenen kurzfristigen und teils populistischen Eingriffe in den Bankensektor sind nicht zielführend und schaden dem Investitionsklima." Mit den Vorschlägen zur Transparenz der Verzinsung von Spareinlagen werde sichergestellt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger das Geld mit der jeweils besten Verzinsung anlegen kann, so Neumayer weiter.

Kritischer betrachteten die Neos die Maßnahmen: Dass die Banken betroffenen Kreditnehmern unter die Arme greifen, sei deren gutes Recht, merkten die Neos an. "Denn es ist nicht die Aufgabe der Politik, jeden Lebensbereich zu Tode zu regulieren, genauso wenig wie die Mieterinnen und Mieter durch ihr Steuergeld das Risiko von Wohnungseigentümern mit variablem Kredit übernehmen können", sagte Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker laut einer Aussendung. Allerdings müssten die Lohnnebenkosten gesenkt werden, damit die Bevölkerung über mehr Geld verfüge.

SPÖ fordert weiter Zinsdeckel

SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer wiederum forderte in einer Stellungnahme einen Zinsdeckel, damit die Kredite getilgt werden können. Als zumindest kleinen Erfolg verbuchte hingegen SPÖ-Niederösterreich-Vorsitzender Sven Hergovich die Pläne der Banken und der Regierung für sich. Nach seiner Forderung eines Zinspreisdeckels von drei Prozent sei die Problematik thematisiert worden, so Hergovich in einer Stellungnahme. Bei der FPÖ kann man den Maßnahmen nichts abgewinnen: "Unleistbare Kreditzinsen bleiben unberührt, es gibt keinen Zinsdeckel, keine Übergewinnsteuer, keine Erhöhung der Bankenabgabe und kein Ende der 'Scheingewinn'-Steuer auf Sparzinsen", erklärten laut Aussendung FPÖ-Parteichef Herbert Kickl und FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs. "Für die Sparer gibt es also genau nichts, und die Kreditnehmer sind bei Verzugszinsen und Mahnspesen Bittsteller der Banken."

Für den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) sind die Ergebnisse des Bankengipfels enttäuschend. "Die Problematik der hohen Zinsen für Überziehungskredite wurde nicht einmal angegangen", kritisierte ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth in einer Aussendung. Andere Länder hätten etwa Zinsobergrenzen für Kredite, ergänzte Schuberth. Unklar sei auch, wie die Zinszuschüsse für eine Eigenheiminitiative aussehen werden. "Man kann nur hoffen, dass hier rasch ein Konzept ausgearbeitet wird", so die Ökonomin.

Das Arbeiterkammer-nahe Momentum-Institut verweist in einer Aussendung wiederum auf das französische Modell und fordert Ähnliches für Österreich: Demnach erhalten Sparer in Frankreich derzeit auf Spareinlagen je nach Einkommen drei oder sechs Prozent Zinsen, wobei diese staatlich festgelegt werden.

Verbraucherschutzorganisationen orten Probleme

Aber auch bei den Verbraucherschutzorganisationen sind die Zinsen ein Thema: Die Rechtsschutzplattform Cobin Claims sieht Beratungsfehler, die Kreditnehmer teuer kommen. Aber auch bei den rund 45.000 derzeit noch offenen Franken-Krediten mit Endfälligkeit und Tilgungsträgern sieht Cobin-Claims-Obmann Oliver Jaindl Probleme: Hier sollte die Politik für ein Moratorium sorgen, um Notfälle und Zwangsversteigerungen zu verhindern.

Der Verbraucherschutzverein (VSV) kritisiert ebenfalls die Fremdwährungskredite und fordert eine Verlängerung der Verjährungsfrist für falsche Beratung von drei auf 30 Jahre sowie einen Unterstützungsfonds für Klagen und einen Härtefallfonds sowie die Umsetzung der EU-Richtlinie für Sammelklagen, um Betroffenen einfacher helfen zu können.

Der frühere Erste-Bank-Chef Andreas Treichl kritisierte im Vorfeld im Ö1-"Morgenjournal" das mangelnde Finanzwissen in Österreich, was zu gravierenden Fehlentscheidungen führen könne. (András Szigetvari, APA, 23.8.2023)