Deutsches Braunvieh auf dem Weg vom Hof zur Weide
Woher kommt das Fleisch auf meinem Teller? Über die Frage, ob die Herkunft gekennzeichnet werden muss, ist eine Debatte entbrannt.
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Für

Die Wahrheit ist Konsumenten zumutbar. Das gilt für die Herkunft von Lebensmitteln in Supermärkten wie von denen in der Gastronomie. An höherer Transparenz führt in Österreich wie in der EU kein Weg vorbei. Sich dagegen zu wehren ist ein aussichtsloser Feldzug. Wirte täten daher besser daran, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, als in ein paar Jahren von der Entwicklung überrollt zu werden.

Nicht jeder Gast will wissen, woher das Rind im Gulasch, die Milch im Kaiserschmarren und die Eier zu den Knödeln kommen. Nicht jeder legt Wert auf Herkunft aus Österreich. Noch weniger, wenn diese ein Schnitzel um zwei bis drei Euro verteuert. Dennoch braucht es ein Recht auf Wahlfreiheit. Nicht nur Gemeinschaftsverpfleger, sondern die gesamte Gastronomie zur Kennzeichnung zu verpflichten ist ein erster wichtiger Schritt hin zu mehr Ehrlichkeit.

Das Bild des Bürokratiemonsters, das die Branche an die Wand malt und vor ausufernden Kosten warnt, wirkt vorgeschoben. Viel offensichtlicher ist: Die Verarbeitung von Hendln aus Polen, Kälbern aus den Niederlanden und Eiern unbekannten Ursprungs lässt keine Speisekarte glänzen. Wer heftet sich schon gern auf die Fahnen, großteils Importware zu verwenden, bei der vorwiegend der niedrige Preis zählt?

In der Schweiz ist die Herkunftskennzeichnung von Fleisch in der Gastronomie seit Jahren gelebte Praxis. Auch hierzulande zeigen tausende Wirte vor, dass sie von höherer Transparenz auf ihren Tellern profitieren. Entscheidend ist, ihnen die Angst vor unsicherer Versorgung zu nehmen: Österreichs Lieferanten sind gut beraten, auf stärkere Nachfrage zu reagieren. Gewinnt die Gastronomie als verlässlicher Abnehmer an Gewicht, sinkt die ungesunde Abhängigkeit der Landwirte vom hochkonzentrierten Lebensmittelhandel.

Angaben zur Herkunft von Rohstoffen finden Wirte auf Lieferscheinen. Diese auszuschildern ist Aufwand, der kleine Betriebe stärker belastet als große und den Gäste abgelten müssen. In den Ruin treiben wird es die Gastronomie aber ebenso wenig wie die Allergenkennzeichnung und das Rauchverbot.

Zumal es nicht an Schlupflöchern fehlt. Pauschale Mengenbilanzen erleichtern die Dokumentation ebenso wie die vage Identifizierung der Nationalität. Österreich, EU oder Nicht-EU reichen dem Gesetzgeber bisher als Information. Im Einzelfall tut es auch ein: Herkunft unbekannt.

Wider

Hand aufs Herz: Wie oft stellt sich bei der Einkehr ins Wirtshaus die Frage nach den Ingredienzien der Gerichte? Was, wenn ei¬nem angesichts schier endloser Listen über Allergene bis Herkunft der Appetit aufs Essen vergeht, ehe man überhaupt bestellt hat?

Wo fängt der Gastronom mit der Dokumentation an, wo hört er auf? Wird künftig auch ein Nachweis für die Brösel fürs Schnitzel und die Nationalität der Köche zu erbringen sein? Hut ab vor all jenen, die ohne Schaudern den Überblick über den Belag einer Pizza bewahren.

Die Regierung verspricht Unternehmen einfachere Verwaltung. Debatten über zusätzliche Kennzeichnungen von Lebensmitteln sprechen eine andere Sprache. Und diese klingt für viele nach Bevormundung. Die Wirte sollen offenbar nicht mehr selbst darüber entscheiden dürfen, wie tief sie ihre Gäste in ihre Töpfe blicken lassen. Groß ist die Angst, sich ob der Vorbehalte vieler Österreicher gegen Geflügel aus Taiwan oder Eier aus Polen nicht mit günstigen Rohstoffen aus dem Ausland eindecken zu können.

Den Ursprung der Primärzutaten auf Speisekarten auszuzeichnen ist machbar. Die Frage ist: Wie viel sind Konsumenten bereit für den höheren Verwaltungsaufwand zu zahlen? Der Zeitpunkt für derartige Experimente ist schlecht. Die Nerven vieler Gäste liegen infolge der starken Inflation und gepfefferter Preise in der Gastronomie blank.

Dass Landwirte die Pflicht zur Kennzeichnung der Herkunft von Rohstoffen fordern, liegt auf der Hand. Hegen sie doch Hoffnung, mehr Bewusstsein für regionale Lebensmittel zu schaffen, was die Preise ihrer Produkte zugunsten ihrer Einkommen hebt – zumindest so lange, bis der Markt auf den zusätzlichen Bedarf reagiert.

Gefährlich wird es, wenn Regionalität und Konsumpatriotismus zum Maß aller Dinge erhoben werden. Als starkes Exportland sitzt Österreich im Glashaus. Spanischen Schinken und französischen Käse madigzumachen wäre eine kulinarische Kapitulation. Einen Kulturkampf auf Ebene von Lebensmitteln zu führen ist ein Rückschritt. Noch mehr, da Nationalität nichts über Qualität aussagt. In der Haltung von Schweinen etwa hebt sich Österreich anders als bei Geflügel kaum von EU-Mindeststandards ab.

Heikel bleibt die Frage der Kontrolle. Experten bezweifeln, dass der bisherige Kontrollapparat ausreicht, um die Lieferketten aller Wirte auf Herz und Nieren zu prüfen. (Verena Kainrath, 24.8.2023)