Früher liefen die Kennenlerngespräche ungefähr so ab: Wo kommst du her? Aus Bosnien. Und du bist hier aufgewachsen? Nicht ganz, ich bin seit dem Krieg da. Daraufhin folgte ein mitleidiger Blick, verschämtes Nachfragen oder unangenehmes Schweigen.

Sei einigen Jahren sind die ersten Dialoge mit neuen Bekannten wesentlich unbeschwerter. Ah, cool? Wo genau in Bosnien? Wir fahren nämlich im Frühling zum Rafting an die Una!, rufen die Sportlichen aus. Die in Geografie weniger Begabten sagen dann Dinge wie: Ach, in Bosnien waren wir letztes Jahr, wir haben uns auf dem Weg nach Hvar diese Plitvica-Fälle angeschaut." Die Jungen mit viel Freizeit erzählen wiederum von ihren Rundreisen durch "den ganzen Balkan", schwärmen von den besten ćevapi in Mostar und dem Nachtleben in Belgrad.

Widersprüchliche Gefühle

Meine Reaktion auf ihren touristischen Enthusiasmus fallen nicht weniger betreten aus als in der Vergangenheit, als ich mich gezwungen sah, Instant-Analysen über den Ausbruch der Jugoslawienkriege abzuliefern. Wenn mir jemand von seinem geplanten oder vergangenen Urlaub in einem der ehemaligen Balkanländer abseits der kroatischen Küste erzählt, fühle ich sehr Widersprüchliches. Einerseits vollkommen unverdienten Stolz, andererseits undefinierten Neid, sehr oft Verwunderung und manchmal Ärger.

Ein Meme auf Instagram brachte mein Gefühlschaos kürzlich gut auf den Punkt: Wie meine Freunde Urlaub machen? Es folgten Schnappschüsse aus dem All-inclusive-Club, aus Disneyland, von der Tower Bridge oder vom Times Square. Wie ich Urlaub mache: Fotos vom Heusammeln, von Plastikstühlen in chaotischen Vorgärten oder Kindern, die in unbequemen Positionen auf kitschigen Hochzeitstafeln schlafen, während im Hintergrund Ethno-Musik dröhnt.

Langeweile am Dorf

Wenn man ein Migranten- oder Flüchtlingskind vom Balkan ist, macht man keinen Urlaub an den schönen Stränden Montenegros und Kroatiens oder wandert durch pittoreske Schluchten der Herzegowina. Nein, man besucht Verwandte, schaut den Erwachsenen beim Kaffeetrinken zu, langweilt sich in der dörflichen Einöde viel und ausgiebig.

Wassermelone im Balkan-Urlaub
Sommer am Balkan. Im Dorf gibts vor allem Hitze und Langweile.
privat

Als Jugendliche und Erwachsene emanzipieren sich einige von uns, wollen dann "etwas von der Welt sehen" und reisen weit weg vom elterlichen Heimatdorf. Rafting an der Una steht dann meistens nicht auf der Liste. Was sehr schade ist, denn es ist tatsächlich ein wunderschönes Naturjuwel, ein wilder Gebirgsfluss, auf dem jetzt Wiener Bobos raften und an dessen Ufer sie "authentisches Balkan-Essen" verspeisen, das es so in Wahrheit natürlich nur bei meiner Oma gab und ganz bestimmt nicht in überteuerten Touristenlokalen.

Ich freue mich natürlich für "unsere Leute", für meine ehemaligen Landsleute und ihre Nachkommen. Mit dem Tourismus kann man gutes Geld verdienen, und Infrastrukturprojekte werden eher umgesetzt, wenn es um Erschließung touristischer Ziele geht. Abgesehen von einigen vom Massentourismus verschandelten Stränden Kroatiens oder Montenegros gibt es am Balkan tatsächlich eine Menge beeindruckender Naturschönheiten, die derzeit lediglich von Einheimischen oder den Nachbarn aus den ehemaligen Republiken Jugoslawiens besucht werden. Das könnte sich bald ändern.

Sexy, wild und gefährlich

Von Bloggern und Reisejournalisten werden diese Destinationen seit Jahren fleißig beworben. Die Attribute, die man da zu lesen und hören bekommt, nähren mein eingangs geäußertes Unbehagen. Ein "Hauch von Abenteuer", liest man auf einem Portal für Wanderurlaube. Damit ist vermutlich die Fahrt mit dem Gastarbeiter-Buslinie Wien – Medjugorje gemeint. Sie bringt dich äußerst günstig in die sonnige Herzegowina, aber dafür musst du unterwegs zwölf Stunden lang Turbo-Folk hören, dir hunderte Fotos von Radenkas Enkelkindern ansehen und dir von Ismet alle Details über seinen neuesten Hauszubau anhören.

Besonders Mutige werden mit "sexy-gefährlichen Erfahrungen" gelockt, schreibt eine deutsche Tageszeitung. Ich unterstelle wohlmeinend, dass damit keine Ausflüge in frisch entminte Hügel Nordbosniens gemeint sind, sondern die waghalsige Fahrt über die schlecht befestigten Serpentinenstraßen mit dem gemieteten Golf 3. Die kulturhistorisch unbeleckten Blogger verwenden auch gerne Begriffe wie "wild" oder gar "archaisch-geheimnisvoll". Was genau damit gemeint ist, sollte aber wohl eher in einen Essay über Postkolonialismus geklärt werden.

Ehrlicherweise ist aber Stolz das dominierende Gefühl, wenn ein Balkan-Urlaub zur Sprache kommt. Einige Ecken kenne ich und gebe gerne Tipps. Alle anderen schönen Ecken würde ich gerne selbst besuchen und mache es auch jeden Sommer. Meine Kinder sollen sehen, dass sie Wurzeln haben, die über die Grenzen Österreichs hinausreichen. In einer Gegend der Welt, die wunderschön ist, eine schmerzhaft-tragische Geschichte hat, aber auch immer ein Teil unserer Familie sein wird.

Stolz der Kroaten

Bevor es hier allzu sentimental wird, will ich euch noch einen nützlichen Tipp für den kommenden Sommer geben: Erzählt eurem Stamm-Apartmentvermieter auf Hvar bloß nicht, dass Albanien und Montenegro auch interessant sein sollen. In der kroatischen Öffentlichkeit wird seit Wochen hitzig darüber diskutiert, ob die billigen Angebote, mit denen die benachbarten Balkanländer aufwarten, Kroatiens Tourismus ruinieren werden. Die Optimisten sagen Nein, denn Kroatien sei sauberer, die Infrastruktur besser ausgebaut, und überhaupt seinen Touristen, die in Kroatien urlauben, viel zahlungskräftiger. Also schweig lieber über die Urlaubstrends und gib Marin ein ordentliches Trinkgeld. (Olivera Stajić, 24.8.2023)