Marco Ebenbichler vor dem 50-Meter-Sportbecken, in dem etliche Schwimmer unterwegs sind.
"Es ist nicht mehr nur das Wetter, das unser Geschäft schwer planbar macht, es ist die Wirtschaft insgesamt": Marco Ebenbichler, Pächter und Chef des Schönbrunner Bads.
Regine Hendrich

Heiß soll es in Wien werden an diesem Dienstag, um 8.30 Uhr ziehen schon erste Badegäste im Sportbecken des Schönbrunner Bads ihre Bahnen. Baden sie? Schwimmen sie? Schwimmen sie richtig? Das mag Marco Ebenbichler beurteilen, der das Sommerbad mitten im Park des Schloss Schönbrunn seit rund 20 Jahren betreibt.

STANDARD: Was machen Sie im Winter?

Ebenbichler: Urlaub.

STANDARD: Den ganzen Winter?

Ebenbichler: Ja. Wir beginnen die Saison in der ersten Märzwoche mit den Vorbereitungen. Ab da geht es für meine Frau und mich nonstop durch bis Ende Oktober, Montag bis Sonntag, 90 Stunden pro Woche. Den Winter verbringen wir in Teneriffa, wo ich windsurfe.

STANDARD: Obwohl Sie beckenrandschwimmergleich in Strandnähe bleiben, weil Sie Angst vor Haien haben?

Ebenbichler: Die wenigsten mögen Haie, und ich seh gern den Boden unter mir. Trotzdem bin ich extremer Windsurfer.

STANDARD: Sie waren 15-mal Staatsmeister in 50 bzw. 100 Meter Delphin, hatten von 2000 bis 2010 ein Fitnesscenter. Was heißt das, wenn so jemand "extremer Windsurfer" ist?

Ebenbichler: Dann ist's ganz extrem.

STANDARD: Sie betreiben seit 2002 eines der wenigen Privatbäder in Wien. Was ist der größte Unterschied zu städtischen Bädern?

Ebenbichler: Wir leben vom Bad, das macht den Unterschied zu Geschäftsführern eines städtischen Bads. Ich bekomme keine Subventionen und muss meinen Betrieb aus den Eintrittsgeldern erhalten. So ein Betrieb verschlingt sehr viel Geld, unsere Fixkosten sind enorm. Energie-, Wasser- und Personalkosten sind drei riesengroße Brocken – und die Erhaltung der Anlage.

Ein Umkleideraum des Schwimmbads mit braunen Holzkästchen.
Pro Jahr kommen rund 50.000 bis 60.000 Gäste ins private Sommerbad im Schlosspark.
Regine Hendrich

STANDARD: Das Schönbrunner Bad ist quasi 187 Jahre alt, damals schrieb der spätere Kaiser Franz Joseph seinem Bruder Maximilian, er habe im Wasserreservoir beim Obelisken schwimmen gelernt. Wie schwimmt es sich mit so viel Geschichte?

Ebenbichler: Sehr angenehm. Jeder, der hier reinkommt, genießt es. Ich habe als Schwimmer sehr viele Bäder gesehen in meinem Leben, zu viele. Normalerweise geht man dann in kein Bad mehr, aber so eines wie hier, mitten in einem kaiserlichen Schlosspark, in der Stadt, per U-Bahn zu erreichen und mit einem 50-Meter-Becken: So etwas habe ich nirgendwo in Europa gesehen.

STANDARD: Eine Tageskarte für ein Paar mit zwei Kindern im Alter von sieben bis 18 Jahren kostet 64 Euro. Sie betreiben eine Hochpreispolitik, warum?

Ebenbichler: Das ist keine Hochpreispolitik, das ist eine Politik, damit das Unternehmen weiterhin bestehen kann. Ich mache auch nicht so viele Millionen Verluste wie städtische Bäder, bekomme auch keine Subventionen. Ich arbeite viel, hab keinen Ferrari draußen stehen …

STANDARD: Apropos: Haben Sie noch Ihre zwei alten VW-Käfer?

Ebenbichler: Ja, habe ich noch.

STANDARD: Der schwarze mit Audi-Q-3-Motor hat 180 PS. Geschwindigkeit hat es Ihnen wohl angetan, auch beim Schwimmen?

Ebenbichler: Es geht im ganzen Leben um Geschwindigkeit. Es bewegt sich alles schneller und schneller.

STANDARD: Delphin ist aber nicht die schnellste Lage beim Schwimmen?

Ebenbichler: Die Geschwindigkeit des Delphinschwimmers ist extrem hoch. Kraulen, Delphin, Rücken und Brust: So geht die Reihenfolge. Ein guter Delphinschwimmer kommt auf kurzen Strecken fast mit einem Kraulschwimmer mit, je länger die Strecke, desto besser ist aber der Kraulschwimmer, weil der Kraftaufwand geringer ist. Wenn ich delphinschwimme und Sie daneben gehen, sind Sie sehr flott unterwegs.

STANDARD: Sie wurden einmal schnellster Bademeister Wiens genannt. Sie stehen aber nicht selbst mit dem Pfeiferl am Beckenrand und passen auf?

Ebenbichler: Nein. Aber ich putze auch WC- und Duschanlagen, gebe Schwimmunterricht, ich mach das alles.

STANDARD: Sie putzen die Klos.

Ebenbichler: Ja. (Ebenbichlers Frau bestätigt das aus dem Hintergrund.) Möglicherweise ist das der Unterschied zum Geschäftsführer in einem städtischen Bad.

Plastikschlapfen, abgestellt am Rand des Schwimmbeckens.
Nicht jeder, der schwimmt, kann schwimmen, erklärt der Ex-Spitzenschwimmer Ebenbichler.
Regine Hendrich

STANDARD: Ihr Vater, mit dem Sie das Bad 2002 übernahmen, sagte, Schwimmen werde zum neuen Laufen. Hatte er recht? Viele machen Kurse, perfektionieren ihren Schwimmstil …

Ebenbichler: Schwimmen ist immer ein Trend und soll es auch sein. Es ist eine der gesündesten Sportarten. Wasser ist sensationell, das coolste Element neben Luft. Viele Leute bräuchten Schwimmkurse, hätten wir in Österreich eine sportorientiertere Politik, könnte viel mehr geschehen. Das gilt für alle Sportarten, aber Schwimmen ist wie Radfahren und Laufen ein Volkssport. Kurse könnte man für alle leistbar machen, es braucht kaum Equipment: Badehaube, Brille, Badehose – und ich kann schon loslegen. Man muss aber schon auch sagen: Corona hat da auch viel zerstört. Viele Leute, die bis dahin etwa im Fitnessstudio waren, sind nicht mehr zurückgekommen. In den Schwimm- und Sportvereinen sind nach zwei Jahren Nichttrainieren die Leute, die Gruppen zerfallen ...

STANDARD: So geht es auch den Theatern, da kommt auch weniger Publikum …

Ebenbichler: Ja, das ist traurig. Wobei: Ins Theater zurückzugehen ist ein relativ einfacher Weg, ins Fitnessstudio muss man sich quälen.

STANDARD: Wer nimmt bei Ihnen Unterricht? Auch Leute, die gar nicht schwimmen können?

Ebenbichler: Können Sie schwimmen? 50 Meter Kraul: kein Problem?

STANDARD: 50 Meter durch? Uff.

Ebenbichler: Dann können Sie in meinen Augen eher nicht schwimmen. Ich bringe manchen das Schwimmen bei, anderen die richtige Technik.

STANDARD: Was kostet eine Schwimmstunde?

Ebenbichler: 65 Euro.

STANDARD: Ist viel, oder?

Ebenbichler: Ist viel? Die Stelze im Schweizerhaus kostet fast 23 Euro je Kilo. Esse ich genau 15 Minuten lang und bin nachher wieder hungrig. Ist viel, oder? Ist halt alles relativ.

Ein blaues Schild mit der Aufschrift
In Kaisers Zeiten befand sich hinter dem Obelisken im Schlosspark ein Wasserreservoir, in dem der spätere Kaiser Franz Joseph I. schwimmen gelernt haben soll.
Regine Hendrich

STANDARD: Sie hatten bis 2010 auch ein Fitnessstudio in Wien-Mariahilf. Haben Sie das wegen der Arbeitsbelastung zugesperrt?

Ebenbichler: Nein, das hatte wirtschaftliche Gründe. Die Fitnessbranche ist sehr umkämpft, alles muss billig, billig, billig sein, und die großen Ketten haben übernommen. Einzelstudios gibt es kaum noch, die sterben aus.

STANDARD: Im Bad hier setzen Sie vor allem auf Stammkunden mit Saisonkarten, warum? Die Karte kostet heuer 300 Euro, vor drei Jahren waren es 248 Euro.

Ebenbichler: Wir liegen bei rund 850 Saisonkarten, ich hatte mir mehr erwartet, aber die heurige Saison war wetterbedingt schwierig. Wir verkaufen die Saisonkarten online schon im April, weil wir Anfang März zu arbeiten beginnen, laufende Kosten auch im Winter haben, und die Pacht ist auch auf zwölf Monate aufgeteilt. Wir brauchen Startgeld, die Mitarbeiter wollen auch im März bezahlt werden, wir müssen die Anlage in Schuss bringen. Je besser sich die Saisonkarten verkaufen, desto ruhiger kann ich im April schlafen – und ab Mai finanziere ich aus dem laufenden Tagesgeschäft.

STANDARD: Bevor Sie hier eingestiegen sind, war das Bad einige Jahre geschlossen. Sie haben dann gemeinsam mit Bund und Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft investiert, in Summe rund drei Millionen Euro. Ihre Familie hat rund eine Million bezahlt. Hat sich’s ausgezahlt?

Ebenbichler: Würde es sich nicht auszahlen, würden wir's nicht machen, es war die richtige Entscheidung. Das Bad war in desolatem Zustand, wir haben sehr viel umgekrempelt, ein Fitness- und Wellnessstudio eingerichtet. Für einen Umbau war das sehr viel Geld, für ein Bad wenig. Wenn man schaut, was die Stadthalle verbraten hat fürs Renovieren (fürs Stadthallenbad 2011; Anm.), dann ist das sehr wenig.

STANDARD: Dort wurden halt die sanierten Becken undicht.

Ebenbichler: Die Anlage in der Stadthalle ist denkmalgeschützt, was soll man da sagen? So ein Bad gehörte eigentlich gesprengt und stattdessen um weniger Geld eine schöne, funktionelle, perfekte Anlage hingebaut. Aber nein, man steckt Millionen in eine Renovation, die dann nicht funktioniert. Und Sie fragen mich, was der Unterschied zwischen privat und städtisch ist.

STANDARD: Im Stadthallenbad haben Sie 2009 für die Europameisterschaften trainiert, da sind Sie mit 34 Jahren noch einmal angetreten, obwohl Sie den Schwimmsport schon im Jahr 2000 an den Nagel gehängt hatten. Sie wollten nur ausprobieren, ob man mit den damals neuen Neopren-Anzügen schneller ist?

Ebenbichler: Ja, das war ein Selbstversuch. Die Neopren-Anzüge haben mich begeistert, und die wollte ich ausprobieren. Auf 50 Meter war ich fast eine Sekunde schneller. Das ist sehr viel.

Der Stiegenaufgang zur Liegewiese mit einer Uhr.
Der Aufgang zur Liegewiese im ensemblegeschützten Freibad.
Regine Hendrich

STANDARD: Als Freibadbetreiber sind Sie dem Wetter völlig ausgeliefert. Wie gehen Sie mit dem Wetterrisiko um?

Ebenbichler: Es ist nicht mehr nur das Wetter, das unser Geschäft schwer planbar macht, es ist die Wirtschaft insgesamt. Als Corona endlich erledigt war, kamen der Ukrainekrieg und die Inflation. Die Preise steigen ins Unermessliche – und Sie wundern sich, warum wir 18 Euro für die Tageskarte verlangen und nennen das Hochpreispolitik. Die Planung für heuer war besonders schwierig. Unser Energiepreis lag bis Ende 2022 weit unter zehn Cent je Kilowattstunde, im Winter waren es 65 bis 70 Cent. Als wir im März zu arbeiten begonnen haben, waren es um die 30 Cent. Wäre der Preis nicht gesunken, hätte ich locker um 150.000 bis 200.000 Euro mehr erwirtschaften müssen.

STANDARD: Wie lange werden Sie das Bad noch betreiben?

Ebenbichler: Solange es Spaß macht.

STANDARD: Und dann?

Ebenbichler: Brauche ich ein Jahr Auszeit.

STANDARD: Schwimmen Sie eigentlich noch viel?

Ebenbichler: Ich muss sehr viel WCs putzen. Ich habe keine Zeit. (Renate Graber, 26.8.2023)