Rund um das Haftzentrum soll ein Zaun, also ein Sichtschutz, aufgestellt werden. Auch ein eigener Eingang soll geschaffen werden. Die Umbauarbeiten rund um die Hafteinheit in dem Migrations-Aufnahmezentrum Lipa in Bosnien-Herzegowina sollen laut dem STANDARD vorliegenden Informationen bis Ende des Sommers abgeschlossen werden. Die Hafteinheit in dem Aufnahmezentrum nahe der bosnischen Stadt Bihać hat in Österreich für Diskussionen gesorgt, weil das Internationale Zentrum für die Entwicklung der Migrationspolitik (ICMPD), das vom früheren ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger geleitet wird, die Hafteinheit im Auftrag der Europäischen Kommission errichtet hat. Die EU hat dem ICMPD dafür 500.000 Euro bezahlt.

Flüchtlingslager Lipa in Bosnien-Herzegowina.
Flüchtlingslager Lipa in Bosnien-Herzegowina.
Standard/Adelheid Wölfl

Die Abänderungsarbeiten an der Hafteinheit, die aus zwölf Containern besteht, wurden beschlossen, weil es Kritik daran gab, dass sich die Hafteinheit innerhalb des Aufnahmezentrums befindet. Die Bauarbeiten wurden in den Sommermonaten aus politischen Gründen verzögert. Die Verantwortung für die Hafteinheit liegt beim bosnischen Sicherheitsministerium. Letztendlich soll jedoch das Büro für Ausländerangelegenheiten nach Fertigstellung der Umbauarbeiten die Institution übernehmen.

Die Hafteinheit hat von der zuständigen Baubehörde der Stadt Bihać keine Baugenehmigung bekommen, weil gar nicht darum angesucht worden war, bisher wurde auch nicht um eine nachträgliche Legalisierung gebeten. Edin Moranjkić vom Rathaus in Bihać teilte dem STANDARD mit: "Gemäß der gültigen städtebaulichen Genehmigung ist die Errichtung einer Hafteinheit auf dem Gebiet des gesamten Lagers nicht vorgesehen, an der Stelle, an der diese errichtet wurde, soll eigentlich eine Erholungszone (Sportanlage) errichtet werden."

Streit über Baugenehmigung

Die EU-Kommission betont hingegen, dass gar keine neuerliche Baugenehmigung für die Hafteinheit notwendig gewesen wäre. In einer Anfragebeantwortung für den STANDARD schreibt die EU-Kommissionssprecherin Ana Pisonero-Hernandez: "Es war keine zusätzliche Baugenehmigung erforderlich. Sowohl das Aufnahmezentrum als auch die Hafteinrichtung unterliegen der Autorität der Behörden von Bosnien und Herzegowina." Auf mehrmalige Anfrage an die Stadt Bihać, wie diese Einschätzung der EU-Kommission bewertet wird, hat DER STANDARD keine Antwort bekommen.

Unklar bleibt, weshalb man zunächst eine Sportanlage beantragte und genehmigte, wenn später genau an diesem Platz eine Hafteinheit entstehen sollte. Die Errichtung der Hafteinheit geht auf ein Aktionsdokument der EU-Kommission vom 22. April 2022 zurück, in dem beschlossen wird, "einen neuen Haftraum zu errichten, in dem in bestimmten Fällen Haftmaßnahmen und Bewegungseinschränkungen umgesetzt werden können, während gleichzeitig Unterkunft und grundlegende Dienstleistungen bereitgestellt werden, bis eine endgültige Entscheidung über Asyl oder Rückkehr getroffen wird".

Die Idee zur Schaffung der Hafteinheit erfolgte erst ein Jahr nach der Errichtung des Aufnahmezentrums. Der ungarische EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi wollte damit offensichtlich ein Signal senden. Ungarn steht für eine extrem restriktive Migrationspolitik. Kürzlich äußerte sich Várhelyi zu Lipa. Er meinte, dass die Hafteinrichtung "als Unterkunft für diejenigen Migranten dienen soll, denen die Einreise in eins der EU-Mitgliedsländer verweigert wird oder die vorübergehenden Bewegungsbeschränkungen unterliegen, welche mit den internationalen Standards und Werten vereinbar sind". Das Zentrum selbst habe wesentlich dazu beigetragen, die Bedingungen für Migranten zu verbessern und eine neue humanitäre Krise wie jene im Winter 2020/2021 zu verhindern, als viele ohne Unterkunft und unter schrecklichen Bedingungen gestrandet waren", sagte der Kommissar.

Bis zu 72 Stunden festgehalten

In der Hafteinheit sollen jedenfalls jene Migranten bis zu 72 Stunden festgehalten werden, die später in die Schubhaft nach Lukavica in der Nähe von Sarajevo gebracht werden. Dies können etwa Gefährder sein oder aber auch Migranten, gegen die ein Abschiebebescheid vorliegt. Angesichts des Umstands, dass jedoch derzeit nur sehr wenige Migranten überhaupt ins Aufnahmezentrum nach Lipa kommen und die allermeisten Migranten innerhalb kürzester Zeit – etwa innerhalb einer Woche – über die Grenze nach Kroatien gehen, ist es möglich, dass künftig gar keine Migranten in der Hafteinheit festgehalten werden.

Die Migrationssituation hat sich nämlich insofern deutlich verändert, als viel weniger Migranten als vor dem Beitritt Kroatiens zur Schengen-Zone von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina zurückgeschickt werden. Die Aufenthaltsdauer der Migrantinnen und Migranten in Bosnien-Herzegowina hat sich deshalb deutlich verkürzt. Bosnien-Herzegowina führt zudem kaum Abschiebungen durch, weil es dazu auch an Abkommen mit den Herkunftsstaaten fehlt.

Das österreichische Innenministerium, das das Aufnahmezentrum mitfinanziert hat, betonte immer wieder, dass man Bosnien-Herzegowina bei der Abschiebung von Migranten helfen wolle. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 24.8.2023)