Luis Rubiales bei der WM in Katar.
Fußballboss Luis Rubiales hat seinen Rücktritt wegen des Übergriffs gegen Weltmeisterin Jennifer Hermoso verweigert.
AFP/RFEF/-

Madrid – Luis Rubiales wurde den schlimmsten Befürchtungen gerecht. Nachdem spanische Medien im Vorfeld einer außerordentlichen Generalversammlung der Real Federación Española de Fútbol (RFEF) nahezu übereinstimmend berichtet hatten, dass der Verbandspräsident aus eigenen Stücken zurücktritt, ließ sich der 46-Jährige am Freitag im RFEF-Hauptquartier zu Madrid wie folgt vernehmen: "Ich werde nicht zurücktreten, ich werde nicht zurücktreten, ich werde nicht zurücktreten, ich werde nicht zurücktreten, ich werde nicht zurücktreten. Ich werde bis zum Ende kämpfen."

Bizarre Suada

Diese Suada war nur einer der bizarren Höhepunkte einer Rede, die von der Mehrzahl der Delegierten positiv aufgenommen wurde. In seinem Fall gehe es nicht um Gerechtigkeit, sondern um eine soziale Hinrichtung, sagte der ehemalige Fußballprofi, der dem Verband seit mehr als fünf Jahren vorsteht und dem Vernehmen nach 375.000 Euro pro Jahr für sein Wirken kassieren soll. Das ist schon seit geraumer Zeit umstritten, vollends ins Abseits gestellt hat sich Rubiales aber mit seinem Verhalten vor, während und nach der Ehrung der spanischen Weltmeisterinnen infolge des Finalsieges gegen England (1:0) am vergangenen Sonntag in Sydney.

Schon bedauert Rubiales inzwischen, dass er Weltmeisterin Jennifer Hermoso einen Kuss auf den Mund aufgezwungen hat ("Ich hatte die Kontrolle verloren. Der Kuss war wie für eines meiner Kinder") und der 33-Jährigen danach in der Kabine der Spanierinnen im Scherz die baldige Hochzeit in Aussicht stellte. Auch dass er sich auf der Tribüne unmittelbar neben Königin Letizia und ihrer Tochter Sofia im Moment des Abpfiffs des Finales in den Schritt gegriffen hat, bedauert Rubiales. Die Geste hätte Coach Jorge Vilda gegolten, weil dieser trotz aller Probleme im Vorfeld der WM quasi standhaft geblieben sei.

"Falscher Feminismus"

Insgesamt sieht sich Rubiales aber als Opfer eines "falschen Feminismus", wie er sagte. Es gebe Personen, die "eine Hinrichtung" vorbereiten, "um sich eine Medaille umzuhängen und zu sagen, dass sie Fortschritte machen", sagte er angesichts des Drucks, den selbst höchste Regierungsvertreter in dieser Woche auf ihn ausgeübt hatten. "Um Himmels willen, was werden die Frauen denken, die wirklich sexuell missbraucht wurden", fragte er noch, um dann wieder auf sich selbst zu fokussieren. Er verdiene die "Jagd" nicht, unter der er seit seinem Amtsantritt leide.

Als Rubiales fertig war, gab es im Saal Applaus und Standing Ovations. Der Präsident warf Kusshände ins Publikum. Dass die Sache damit nicht erledigt ist, wird ihm klar gewesen sein. Die empörten Reaktionen folgten prompt. Yolanda Díaz, Spaniens zweite Vizeministerpräsidentin, forderte, die Regierung müsse dringend handeln: "Die Straffreiheit für Machoaktionen ist vorbei", schrieb sie auf X, vormals Twitter: "Rubiales darf nicht weiter im Amt bleiben." Der Leiter der obersten spanischen Sportbehörde CSD, Víctor Francos, kündigte an, seine Institution werden nun gegen Rubiales vorgehen. Die Liste der Frauen und Männer, die in den vergangenen Jahren von Luis Rubiales beleidigt worden seien, "ist zu lang, das muss aufhören", sagte Javier Tebas, der Chef der Primera División, der spanischen Eliteliga. "Das ist inakzeptabel. Es ist aus", schrieb Weltfußballerin Alexia Putellas stellvertretend für das Team.

Männer am Wort

Erstmals meldeten sich auch männliche Profis zu Wort. Teamtorhüter David de Gea kommentierte auf X, dass nach Rubiales’ Rede seine Ohren bluten würden, Hector Bellerin von Betis Sevilla fand es "beschämend, was passiert". Rubiales stilisiere sich selbst zum Opfer: "Ein Narzisst glaubt nie, dass er einen Fehler gemacht hat." Torhüterlegende Iker Casillas schrieb von einer "Schande".

Borja Iglesias, der noch im März in der EM-Qualifikation spielte, will "nicht zur Nationalmannschaft zurückzukehren, bis sich die Dinge ändern und derartige Taten nicht mehr ungestraft bleiben". Männercoach Luis de la Fuente dürfte Iglesias ohnehin nicht einberufen, er gehört zu den Adoranten des Präsidenten und beklatschte Rubiales’ Rede eifrig. Dagegen will Rafael del Amo, der für den Frauenfußball zuständige Vizepräsident der RFEF, seinem Boss zeigen, wie es geht, und kündigte seinen Rücktritt an. "Er hätte zurücktreten müssen. Wenn man unrecht hat, muss man die Würde haben, zu gehen", sagte del Amo.

Seit Donnerstag beschäftigt sich auch die Fifa mit dem Fall. Der Weltverband eröffnete ein Disziplinarverfahren. Rubiales sitzt zudem im Uefa-Exekutivkomitee, die europäische Fußballunion ließ sich aber noch nicht zum "tema numero uno" vernehmen. (Sigi Lützow, 25.8.2023)

Kommentar:

Das Einmaleins des übergriffigen, mächtigen Mannes