Modell eines Coronavirus
Corona ist gekommen, um zu bleiben. Derzeit steigt die Zahl der Infektionen in Österreich langsam, aber kontinuierlich an. Auch eine neue Variante macht von sich reden, von ihr dürfte aber keine Gefahr ausgehen.
APA/EVA MANHART

Nach den verschiedenen XBB-Varianten, bei denen sich zuletzt Eris, benannt nach der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streits, oder offiziell EG.5, hervorgetan hat, sorgt nun eine weitere Variante des Coronavirus für Gesprächsstoff. BA.2.86 ist umfangreich mutiert, nun diskutieren Forschende darüber, ob diese Variante relevant werden wird, wie das Fachblatt Nature berichtet.

BA.2.86 – auch bereits bekannt unter dem Spitznamen Pirola, nach einem Asteroiden benannt – weist zahlreiche Veränderungen am Spike-Protein auf, nämlich 34, und unterscheidet sich sehr stark von den aktuell zirkulierenden Varianten. So stark, dass sie womöglich nicht mehr in die Omikron-Familie fällt, sondern einen neuen Buchstaben des griechischen Alphabets bekommen sollte, Pi oder auch Rho, wenn das passender erscheine. Das sollte auf jeden Fall dann passieren, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Pirola zu einer "Variant of Concern" (VOC) hochstuft, schreibt der kanadische Evolutionsbiologe und Covid-Varianten-Experte T. Ryan Gregory auf den Nachrichtendienst X, vormals Twitter.

BA.2.86 wurde bereits auf drei Kontinenten nachgewiesen. Der erste Nachweis erfolgte am 24. Juli des Jahres in Dänemark, seither wurde sie in Israel, Großbritannien, den USA und Südafrika nachgewiesen, teilte die WHO mit. Am heutigen Freitag wurde außerdem ein Fall in der Schweiz bekannt. Die WHO hat sie aktuell als "Variante unter Beobachtung" eingestuft.

Was wir über Pirola wissen

Tatsächlich erinnert das Auftauchen von BA.2.86 manche Expertinnen und Experten an das erste Auftreten von Omikron im südlichen Afrika. "Es ist wie ein kleines Déjà-vu", sagt etwa Adam Lauring, Virologe an der University of Michigan in Ann Arbor, dessen Labor eine Person mit BA.2.86 identifiziert hat. Doch er beruhigt gleich wieder. Weder er noch andere Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Pirola ähnliche Auswirkungen haben wird wie Omikron, auch wenn noch vieles unklar ist. Zu groß ist mittlerweile die weltweite Immunität durch Impfungen und Infektionen.

BA.2.86 scheint von der Omikron-Subvariante BA.2 abzustammen, die im Frühling 2022 hohe Fallzahlen verursacht hat, auch in Österreich. Ziemlich sicher hat sich die Variante aus einer Langzeitinfektion entwickelt, wenn Virusbestandteile in einer chronisch kranken Person mit schlechter Immunkapazität sehr lange überleben können. Durch die insgesamt 34 Veränderungen am Spikeprotein ist es gut möglich, dass es diese Variante deutlich besser schafft, bereits aufgebaute Immunität zu umgehen und zu einer erneuten Infektion zu führen.

Auffallend ist auch die geografische Verteilung: Zwischen keinem der bisher identifizierten Fälle scheint es eine direkte Verbindung mit Infektionsmöglichkeit zu geben. Auch nicht zwischen den drei nachgewiesenen Infektionen in Dänemark, die jeweils in verschiedenen Teilen des Landes festgestellt wurden, schreibt Nature. Das deute darauf hin, dass die Variante möglicherweise schon ziemlich weit verbreitet ist und es zu unkontrollierten Ansteckungen komme. Da aber die Virussequenzierungen in vielen Ländern, inklusive Österreich, stark zurückgefahren worden sind, hat man keine genaueren Daten. Nun versuchten Labore weltweit, über das Abwasser herauszufinden, ob und wie stark die Variante bereits verbreitet ist.

Kein Anlass zur Beunruhigung

Trotz all dieser Veränderungen zeigen sich Expertinnen und Experten nicht beunruhigt. "Wir befinden uns in einer ganz anderen Phase der Pandemie, als wenn diese Variante im ersten Jahr aufgetaucht wäre", sagt etwa die niederländische Virologin Marion Koopmans. Selbst wenn sich BA.2.86 weit verbreiten sollte, ist die Immunität der meisten Personen so gut, dass sie ziemlich sicher nicht ernsthaft erkranken werden. Trotzdem habe das Auftreten von BA.2.86 die Forschenden überrascht und zeige, dass Sars-CoV-2 immer noch Tricks im Ärmel habe, sagt der US-Virologe Lauring.

In Österreich wurde BA.2.6 bisher noch nicht nachgewiesen, die vorherrschende Virusvariante ist derzeit EG 5.1, eine XBB-Subvariante, das zeigen die Abwasserdaten. XBB-Varianten machen insgesamt über 99 Prozent des Infektionsgeschehens hierzulande aus. Generell sind die Infektionszahlen derzeit auf einem sehr niedrigen Niveau. Seit Mitte Juli gibt es einen kontinuierlichen, aber langsamen Anstieg der Viruslast. Aktuell ist diese auf einem Niveau wie zuletzt Ende April 2023, teilt das Gesundheitsministerium auf STANDARD-Anfrage mit. Das dürfte der Beginn einer kleinen Herbstwelle sein, schätzt ein Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) die Situation ein. Aber Sorgen bereite dieser Anstieg den Behörden nicht.

Leichter Anstieg in Österreich

In Bälde werden auch die angepassten Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG) erwartet, für wen und wann welche Auffrischungsimpfung empfohlen wird. Diese werden festgelegt, sobald die angepassten Vakzine auf dem Markt und von den europäischen Behörden zugelassen sind. Das sollte in den nächsten Tagen oder Wochen passieren, Biontech/Pfizer etwa hat sein Vakzin für Anfang September angekündigt. Das von Moderna soll wenig später folgen. Der angepasste Proteinimpfstoff von Novavax soll spätestens im Oktober auf dem Markt sein. Alle werden, entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, einen monovalenten, an die Omikron-Subvariante XBB.1.5 angepassten Impfstoff ausliefern. Dieser hilft auch gegen alle anderen Unterformen von XBB, die derzeit kursieren.

Das Impfen wird im Herbst übrigens etwas anders organisiert sein, berichtet der Sprecher aus dem Büro Hacker. Es werde keine großen Impfzentren mehr geben, die Immunisierung finde im niedergelassenen Bereich statt. Sie wird aber weiterhin gratis sein. Auch Testinfrastruktur wird es keine mehr geben. Wer Symptome hat, geht zum Hausarzt, dort wird dann entschieden, ob ein Test durchgeführt wird – und auch, ob das antivirale Medikament Paxlovid verschrieben wird. Die Gesundheitshotline 1450 gibt es weiter, sie wird aber keine Tests mehr anweisen. Sie kann allerdings auf einen diensthabenden Hausarzt in der Näher verweisen. (Pia Kruckenhauser, 25.8.2023)