Das Wasser unter der Steinbrücke in Schwaz ist hoch gestiegen.
Die Steinbrücke im Tiroler Schwaz wurde vorsorglich gesperrt.
APA/STADT SCHWAZ

Innsbruck/Brenner – Die Hochwassersituation wegen Starkregens in Tirol hat sich im Lauf des Montags zunächst verschärft, mit dem Nachmittag aber spürbar entspannt. Zwar kamen zwei Zivilschutzwarnungen für die Bezirksstadt Schwaz und für Kramsach hinzu, ansonsten gab das Land aber am Nachmittag im Zuge einer Pressekonferenz großteils Entwarnung. Die Pegelstände an immer mehr Messstellen waren im Sinken begriffen, Sorge bereitete noch das Unterland. "Wir sind offenbar mit einem blauen Auge davongekommen", erklärte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP).

Auch Salzburg kämpft gegen die Wassermassen. In Kärnten blieb die Warnung vor Überflutungen und Muren aufrecht.

Video: Anhaltende Regenfälle sorgen für Hochwasser in Vorarlberg.
APA

Zivilschutzwarnungen in Schwaz und Kramsach

Verletzte wurden in Tirol bisher keine gemeldet. Schäden gab es vor allem in den Tälern wie dem Ötztal, dem Stubaital, dem Wipptal und dem Zillertal. Größere Überschwemmungen gab es in Orts- oder dichtbebautem Siedlungsgebiet aufgrund über die Ufer getretener Flüsse oder Bäche bisherigen Informationen zufolge nicht.

Man könne von einer "Entspannung" sprechen, meinte Mattle. Das Schlechtwetter bzw. die starken Regenfälle würden offenbar schneller "in Richtung Salzburg" abziehen als ursprünglich angenommen. Der Starkregen habe großteils aufgehört. Die Verantwortlichen rechneten mit geringeren Niederschlägen für den Rest des Tages, detto für die Nacht auf Dienstag. Man müsse aber weiter vorsichtig sein.

Noch kritisch blieb die Lage am frühen Abend in Teilen des Unterlands – konkret in den Bezirken Schwaz und vor allem Kufstein bzw. von Hall in Tirol ostwärts bis zur Festungsstadt. Die Bevölkerung in Schwaz wurde mittels Zivilschutzwarnung aufgefordert, allen voran in den hauptbetroffenen Bereichen in den Häusern zu bleiben und unnötige Fahrten und Spaziergänge zu vermeiden.

Zwei Männer des Hochwasserschutzes mit Vizebürgermeister Johannes Anzengruber.
In Innsbruck bereitete sich am Montag der Hochwasserschutz bereits auf die Hochwasser vor.
APA/STADT INNSBRUCK

Der Pegel-Höchststand der gesperrten Steinbrücke in Schwaz schien am Abend bereits erreicht, teilte das Land mit. In Kufstein wurde mit dem Höchststand des Inn im Laufe der späten Abendstunden gerechnet.

Zudem gab das Land per Aussendung bekannt, dass auch in der rund 5.000 Einwohner zählenden Gemeinde Kramsach im Bezirk Kufstein – ebenfalls aufgrund steigender Pegelstände am Inn – eine Zivilschutzwarnung ausgelöst wurde. Diese betraf vor allem die Ortsteile Badl und Voldöpp sowie das Zentrum. Die Warnung bleibe aufrecht, bis eine Entwarnung erfolgt, wurde betont. In Kufstein selbst wurden wie in Wörgl vorsorglich Hochwasserschutzmaßnahmen getroffen. Auch hier stiegen die Pegelstände am Inn vorerst noch an bzw. blieben auf hohem Niveau.

Luftbrücke für Sölden

Hauptbetroffen von der angespannten Hochwassersituation waren zunächst die Bezirke Imst, und dabei vor allem das Ötztal, sowie der Bezirk Innsbruck-Land gewesen. Besonders im Fokus: der bekannte Wintersportort Sölden im Ötztal. Dieser war – nachdem die Ötztal-Straße unterspült und beinahe weggerissen worden war – nicht mehr erreichbar. Laut Rizzoli wird derzeit eine Luftbrücke organisiert, allerdings sei man in Sölden auf solche Situationen vorbereitet, merkte der Krisenmanager an. Im Fokus stehe vielmehr die Sicherstellung der medizinischen (Notfall-)Versorgung.

Auch im vorderen Ötztal stellte sich die Lage prekär dar: Die Ötztaler Ache war dort über die Ufer getreten. Im Tumpener Ortsteil Ried mussten 30 Haushalte mit rund 70 Personen evakuiert werden. Sie wurden im örtlichen Vereins- und Feuerwehrhaus untergebracht.

Ebenfalls stark betroffen war das Wipptal: "Einzig die Autobahn funktioniert ins Wipptal hinein", berichtete Mattle. "Die Bundesstraße ist zweimal vermurt worden, und die Bahnstrecke ist gesperrt", ergänzte er. Auch im Pitztal dürfte es zahlreiche Schäden geben. Dort wurden in Jerzens einige Häuser evakuiert. Und im Stubaital trat die Ruetz an mehreren Stellen über die Ufer.

In Innsbruck hatte man sich am Nachmittag für den Ernstfall gerüstet. Weil die Pegelstände am Oberlauf des Inn bereits ein hundertjährliches Hochwasser erreicht hatten, wurde der "Sonderalarmplan Inn" für den Bereich Marktplatz bis zum Congress aktiviert. Die Feuerwehren richteten einen Hochwasserschutz ein, zahlreiche Brücken in der Stadt wurden gesperrt.

Straßen- und Bahnsperren

Der anhaltende Regen führte zu Straßen- und Bahnsperren. Die Brennerbahnstrecke wurde aufgrund eines Murenabganges zwischen Innsbruck und Brenner bis voraussichtlich Dienstagabend komplett gesperrt. Auf der Weststrecke ist zwischen Imst-Pitztal und Schönwies ist bis Dienstag, 18 Uhr, kein Zugverkehr möglich. In beiden Fällen wurde ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Zwischen Innsbruck-Hötting und Innsbruck-Westbahnhof wurde die Mittenwaldbahnstrecke gesperrt. Die ÖBB ersuchte die Fahrgäste, auf das Öffi-Netz in Innsbruck umzusteigen.

Wegen der Errichtung von Hochwasserschutz wurde an der Grenze zu Deutschland in Kufstein eine Lkw-Blockabfertigung eingerichtet. Laut ÖAMTC war im Zillertal die Zillertal Straße (B169) zwischen Dornauberg und Dornau in Mayrhofen nicht befahrbar sowie die in Schwaz die Tiroler Straße (B171). Zudem war die Brenner Straße (B182) bei Gries am Brenner gesperrt.

Das Land Tirol appellierte unterdessen weiter an die Bevölkerung, "Abstand von Gewässern und überfluteten Flächen" zu halten. Rizzoli empfahl, "die Wettersituation laufend im Blick zu haben - vor allem in den betroffenen Gebieten - und die Pegelstände zu verfolgen". Diese können auf Hydro Online unter www.tirol.gv.at/hydro-online mitverfolgt werden.

Alpenrhein trat in Vorarlberg über Ufer

Wegen der starken Regenfälle führt auch der Alpenrhein in Vorarlberg Hochwasser. Teilweise überschwemmte der Rhein in der Nacht auf Montag zwischen Lustenau und der Mündung in den Bodensee seine Vorländer.

Am Nachmittag gab es Entwarnung, die prognostizierten Höchststände bezüglich der Abflussspitzen wurden nicht erreicht. 2.500 Kubikmeter pro Sekunde wurden befürchtet, letztlich lagen sie bei knapp 2.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Der Hochwasserschutz beim Alpenrhein ist aktuell auf 3.100 Kubikmeter pro Sekunde ausgelegt, was einem 100-jährlichen Hochwasser entspricht.

Der Alpenrhein führt Hochwasser.
Wegen der starken Regenfälle führte der Alpenrhein am Montag Hochwasser. Das Bild stammt aus Fußach.
APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Angesichts der Wassermassen betonten Landeshauptmann Markus Wallner und Sicherheitslandesrat Christian Gantner die Notwendigkeit einer raschen Umsetzung des Hochwasserschutzausbauprojekts "Rhesi". "Die Sicherheit der Bevölkerung hat oberste Priorität", so Wallner und Gantner, die sich mit dem für Hochwasserschutz zuständigen Minister Norbert Totschnig (alle ÖVP) bei der Rheinbauleitung in Lustenau über das Hochwasser informierten. Die Lage sei weiterhin stabil, die Wettersituation entspanne sich langsam. Aufgrund der Verlagerung der Regengebiete werde nun auch die Ill genau beobachtet.

Überflutungsgefahr in Salzburg verlagert sich in den Pongau

Während im Salzburger Oberpinzgau die Pegel ihren Höchststand bereits erreicht haben dürften, hat der Starkregen am Nachmittag vor allem im Gasteinertal (Pongau) zu ersten Überflutungen geführt. Und die Gefahr besteht, dass die Gasteiner Ache und andere Bäche großflächig über die Ufer treten. Auch schwere Schäden seien dann möglich, berichtete der Hydrografische Dienst des Landes am Montagabend.

Laut dem Pongauer Bezirkshauptmann Harald Wimmer gab es die größten Probleme im Bezirk vor allem im Gasteinertal und in Großarl. "Die Verbindung ins Großarltal ist derzeit gesperrt, ebenso wie die Bundesstraße zwischen Dorfgastein und Bad Hofgastein." Aufgrund der Hochwassersituation war am frühen Abend die B 311 zwischen Schwarzach und Lend für den gesamten Verkehr gesperrt. Auch die ÖBB-Tauernstrecke zwischen Bad Hofgastein und Bad Gastein ist unterbrochen, genauso wie die Westbahnstrecke im Pinzgau.

Kritisch war die Situation im Rauriser Tal. Dort waren die Rückhalteräume bereits fast voll.

Auch wenn sich die Situation im Pinzgau etwas entspannt hat, mussten am Nachmittag im Neukirchner Ortsteil Sulzau drei Personen vorsorglich von der Freiwilligen Feuerwehr Mittersill mit der Drehleiter aus zwei Häusern evakuiert werden, da der Gang über die Brücke zu gefährlich gewesen wäre. Laut Informationen des Landes wurden am Nachmittag rund 60 Jugendliche vorsorglich von einem Jugendlager aus Niedernsill nach Saalfelden gebracht.

Am späten Montagnachmittag wurde in der Stadt Salzburg der Hochwasserschutz entlang der Salzachufer vorsichtshalber aufgebaut.

Überflutete Felder im Salzburger Uttendorf.
Überflutete Felder im Salzburger Uttendorf.
APA/EXPA/ JFK

Wetterwarnungen auch in Kärnten

Nach der Lagebesprechung des Landeskrisenstabs in Kärnten bleibt die Warnung vor Überschwemmungen und Murenabgängen aufrecht. Laut einer Aussendung des Landes bleibe Kärnten bis in die Nacht auf Mittwoch im Einfluss eines Genuatiefs, durch die starken Regenfälle werde in Teilen des Landes ein zehnjährliches Hochwasser prognostiziert. Der Schwerpunkt liegt laut Geosphere Austria in West- und Mittelkärnten.

Wegen Überflutungen sind am Montagabend 20 Personen vom Gelände des Wiesenmarktes in Bleiburg (Bezirk Völkermarkt) evakuiert worden. Wie die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt mitteilte, handelte es sich um Schaustellerfamilien. Der Wiesenmarkt selbst "kann aus jetziger Sicht stattfinden", hieß es in einer Aussendung des Landes Kärnten. Einsatzkräfte würden das Wasser abpumpen, und Verklausungen in den angrenzenden Bächen würden entfernt, teilte das Land mit. Ein vom Völkermarkter Bezirkshauptmann Gert Klösch geleiteter Bezirkskrisenstab würde in der Nacht weiter tagen.

Straßensperre in Tirol
Laut dem Geschäftsführer der Leitstelle Tirol, Bernd Noggler, bereitet man sich weiter auf Straßensperren vor.
IMAGO/Bernd März

Laut Gerd Kurath vom Landespressedienst wurden bis 17 Uhr 40 Feuerwehreinsätze verzeichnet. Betroffen war vor allem Westkärnten, also die Bezirke Spittal an der Drau, Hermagor und Feldkirchen. Im Lesachtal war die B111 wegen einer Hangrutschung nur einspurig befahrbar. Probleme gab es auch im Raum Wörthersee, hier blockierten umgestürzte Bäume Straßen. Am Nachmittag waren rund 1.500 Haushalte ohne Strom.

Die Hochwassergefahr hatte sich am Montag laut Hochwasserwarnservice Kärnten zur Prognose vom Sonntag etwas erhöht. Geosphere Austria rechnet in West- und Mittelkärnten mit 70 bis 100 Millimeter Niederschlag, in Unterkärnten geht man von bis zu 45 Millimetern aus, in den Karawanken von bis zu 85 Millimetern. Die Pegel der Flüsse in Westkärnten, wie etwa von der Drau und der Gail, waren am Montag angestiegen. Im oberen Mölltal führte die Möll bereits ein fünfjährliches Hochwasser.

Oberösterreich trifft Vorbereitungen

Auch in Oberösterreich rüstet man sich für etwaige Überflutungen am Dienstag. In Schärding und in Linz wurden erste Hochwasserschutzmaßnahmen getroffen. In der Landeshauptstadt rechnet der Hydrografische Dienst für Dienstagabend mit dem Erreichen eines Pegelstandes von 6,40 Metern. Ab 6,80 Metern würde die Donau im Bereich Alturfahr-West sowie beim Jahrmarktgelände über die Ufer treten.

Montagabend appellierte die Berufsfeuerwehr daher vorsorglich an die Besitzer dort geparkter Autos, diese wegzubringen. Ansonsten werde sie die Feuerwehr nötigenfalls entfernen. In Schärding könnte der Inn am Dienstag ebenfalls über die Ufer treten. Montagnachmittag stand die Feuerwehr im gesamten Bundesland rund 50-mal bei Unwetterschäden im Einsatz, betroffen waren vor allem das Innviertel, das Seengebiet und der Zentralraum Oberösterreichs.

Regen soll am Mittwoch abklingen

Ein Tiefdruckgebiet über Oberitalien steuert aktuell feuchte Luft nach Österreich. Die Fachleute von Geosphere Austria gaben am Montag eine Regen- und Gewitterwarnung für viele Regionen heraus. Besonders im Westen und Süden Österreichs wurden große Regenmengen erwartet. Erst ab Mitte der Woche sollte sich das Wetter beruhigen.

Mehrere Feuerwehrleute sind vor einem Hochwasser führenden Fluss zu sehen.
Die Feuerwehr im Tiroler Rattenberg kämpft gegen das Hochwasser.
APA/ZOOM.TIROL

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) teilte der APA mit: "Der Westen und Süden Österreichs sind derzeit besonders stark von Überflutungen und Murenabgängen aufgrund der schweren Unwetter betroffen. Die Bundesregierung stellt selbstverständlich Mittel aus dem Katastrophenfonds zur Verfügung, um den betroffenen Regionen rasch zu helfen. Danke an alle, die rund um die Uhr im Einsatz sind."

Am Mittwoch lässt der Regen nach aktuellem Stand der Prognose überall nach oder klingt überhaupt ab, die Wolken lockern in einigen Regionen auf. Der Donnerstag sollte zumindest zeitweise sonnig werden und nur noch vereinzelte Schauer bringen. Am Freitag wird überwiegend sonniges Wetter bei Höchsttemperaturen zwischen 20 und 27 Grad erwartet. Auch das Wochenende dürfte recht sonnig verlaufen, so Geosphere Austria am Montag. (APA, red, 28.8.2023)