Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) untersucht derzeit die Lebensmittelbranche. Ob es für die Konzerne Konsequenzen gibt, ist aber mehr als fraglich.
APA/dpa/Sebastian Kahnert

Ein Kartellrecht mit "Zähnen und Klauen" forderte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vergangenes Jahr. Mittlerweile ist die Reform vom Bundestag beschlossen: Für das deutsche Bundeskartellamt wird es künftig leichter, gegen mächtige Konzerne durchzugreifen.

Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die derzeit die Lebensmittelbranche untersucht, fordert nun eine ähnliche Reform, wie ein Sprecher auf Anfrage des STANDARD bestätigt. Doch worum geht es dabei genau?

Frage: Worum geht es im Kartellrecht?

Antwort: Das Kartellrecht verbietet illegale Absprachen zwischen Unternehmen und Marktmissbräuche von dominanten Konzernen. Bei Verstößen kann die BWB beim Kartellgericht Strafen beantragen. Das soll garantieren, dass der Wettbewerb reibungslos funktioniert und den Kundinnen und Kunden das bestmögliche Angebot zur Verfügung steht. Abgesehen davon gibt es im Kartellrecht die sogenannte Fusionskontrolle: Will ein großer Konzern ein Unternehmen zukaufen, muss er vorab die Genehmigung der Behörde einholen. Ziel ist es, die Bildung von marktbeherrschenden Konzernen bereits im Vorfeld zu verhindern.

Frage: Warum sind der Behörde diese Möglichkeiten nicht genug?

Antwort: Damit die Behörde durchgreifen kann, muss sie illegale Absprachen zwischen Unternehmen oder einen konkreten Missbrauch der Marktmacht nachweisen. In der Praxis ist das in vielen Fällen aber schwierig. Dazu kommt, dass reines Parallelverhalten nicht verboten ist. Wenn große Konzerne einander nur beobachten und ihre Preise danach ausrichten, haben die Wettbewerbshüter also keine Handhabe. Zuletzt zeigte sich das bei der Untersuchung des Treibstoffmarkts: Die Die BWB stellte vergangenen Herbst bei Raffinerien teils eine Verdreifachung der Margen fest, fand jedoch keine Hinweise auf illegale Absprachen zwischen den Unternehmen. Vieles spricht dafür, dass das bei der Untersuchung der Lebensmittelbranche ähnlich ablaufen wird.

Frage: Was würde eine Reform wie in Deutschland ändern?

Antwort: Branchenuntersuchungen wie derzeit im Lebensmittelsektor führt auch das deutsche Kartellamt regelmäßig durch. So wie in Österreich durchleuchten die Wettbewerbshüter den Markt, indem sie Statistiken auswerten, Infos von Unternehmen einholen und Befragungen durchführen. In Deutschland kann das Kartellamt künftig aber leichter eingreifen – nämlich schon dann, wenn einige wenige Konzerne in einem bestimmten Markt zu viel Macht haben. Der Nachweis konkreter illegaler Absprachen ist nicht mehr notwendig. Denkbar sind etwa Maßnahmen wie mehr Transparenzpflichten, Eingriffe in bestimmte Verträge oder – in letzter Konsequenz – der Verkauf bestimmter Betriebe.

Frage: Was spricht dafür?

Antwort: Die Ergebnisse von Branchenuntersuchungen sind derzeit oft "unbefriedigend", sagt Viktoria Robertson, Professorin für Kartellrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Graz. Es gebe danach zwar oft Empfehlungen der Wettbewerbshüterinnen und Wettbewerbshüter, jedoch keine Konsequenzen. In einigen Staaten wie dem Vereinigten Königreich ist das anders. Die Behörde kann dort den betroffenen Konzernen Auflagen erteilen. Das entfalte vor allem präventive Wirkung.

Frage: Was spricht dagegen?

Antwort: Rechtlich müsste man sicherstellen, dass das Instrument nur dann genutzt wird, wenn es tatsächlich notwendig ist, sagt Robertson. In Deutschland ist vorgesehen, dass eine "erhebliche andauernde Störung des Wettbewerbs" vorliegen muss. In der Praxis könnte die Auslegung dieses Begriffs Schwierigkeiten bereiten. Was genau darunter zu verstehen ist, müsste wohl letztlich von Gerichten geklärt werden. Das Wirtschaftsministerium wies in einer Stellungnahme an den STANDARD im Frühjahr zudem auf "unions- und verfassungsrechtliche Fragen" hin. Die Reform wäre ein "Paradigmenwechsel im Kartellrecht", der zu Rechtsunsicherheit führen könnte.

Frage: Wird es in Österreich zu einer solchen Reform kommen?

Antwort: Das ist fraglich. Derzeit wird verhandelt – auch unter Einbindung der Wettbewerbsbehörde. In einigen Woche könnte die Regierung Details präsentieren. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sagte nach einem Gipfel mit Vertretern der Handelsbranche im Mai, dass die Instrumentarien der Wettbewerbsbehörde "verschärft" werden sollen, andernfalls sei man mit "ungleichen Waffen" ausgestattet. Das Wirtschaftsministerium unter Martin Kocher (ÖVP) zeigte sich damals auf Anfrage eher zurückhaltend.

Frage: Wie läuft die Untersuchung der Lebensmittelbranche?

Antwort: Laut einem Zwischenbericht der Wettbewerbsbehörde wurden bisher über 2.200 Unternehmen befragt. Die BWB prüft vor allem, wohin die Preissteigerungen bei Lebensmittel vergangenes Jahr geflossen sind. Ihr Ergebnis will die Behörde im Oktober präsentieren. (Jakob Pflügl, 28.8.2023)