Soll Donald Trump wegen des Umsturzversuchs vom 6. Jänner 2021 für eine neuerliche Präsidentschaft ausgeschlossen werden? Zwei prominente Juristen sagen Ja. Pikant ist das auch deshalb, weil es sich bei William Baude und Michael Stokes Paulson um prononciert konservative Vertreter ihres Standes handelt.

Baude und Stokes Paulson, der eine lehrt an der University of Chicago, der andere an der University of St. Thomas, berufen sich bei ihrem Urteil auf die Verfassung, genauer gesagt auf Absatz drei des 14. Zusatzartikels, der nach dem Bürgerkrieg beigefügt worden war: Niemand dürfe demnach ein öffentliches Amt in Staat oder Bundesregierung bekleiden, der "zuvor einen Amtseid geschworen" und "sich danach in einem Aufstand oder einer Rebellion (gegen die USA, Anm.) betätigt hat oder den Feinden Hilfe geleistet hat".

Trump vor dem Weißen Haus.
Donald Trump bereitete am 6. Jänner 2021 den Boden für die wenig später folgende Stürmung des US-Kapitols, wo sich Abgeordnete mit der Zertifizierung der Wahl Joe Bidens befassten.
AP/Jacquelyn Martin

Was auf den ersten Blick wie maßgeschneidert wirkt für Trump, der vor der Stürmung des Kapitols im Zuge seiner Abwahl den Mob aufgehetzt hat und bis heute seine Niederlage nicht eingesteht, könnte im nun immer intensiver ausgefochtenen Vorwahlkampf wie zusätzlicher Zunder für die Verschwörungserzählung des Ex-Präsidenten wirken.

Die Innenministerien der Bundesstaaten könnten Baude und Stokes Paulson zufolge unter Anwendung des 14. Zusatzartikels Trump ganz einfach von den Wahlzetteln streichen lassen – und müssten dafür nicht einmal auf ein entsprechendes Gesetz warten. Steven Calabrisi von der Northwestern University in Illinois, der ebenfalls als konservativ gilt, hält es zudem für möglich, dass Trump auch dann von der Wahl ausgeschlossen werden könnte, wenn er nicht zuvor wegen Anstiftung zur Rebellion verurteilt wird. Trumps Worte, hier transkribiert, reichten dazu schon aus: "Wir kämpfen. Wir kämpfen wie der Teufel. Und wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben."

Video: Trumps Justizprobleme: Welche Anklage wird ihm gefährlich?
AFP

"Letztes Mittel"

Der Jus-Professor Michael McConnell aus Stanford, der aus seiner Geringschätzung von Trump keinen Hehl macht, hält es hingegen für "zutiefst undemokratisch", wenn die Innenministerinnen und Innenminister von Bundesstaaten Kandidaten und Kandidatinnen einfach vom Stimmzettel streichen dürften – dies würde jenen Tür und Tor öffnen, die in der Zukunft die Konkurrenz wegen angeblicher Sympathien für die Ziele politischer Unruhen ruhigstellen wollen. Für McConnell stellt der 14. Zusatzartikel nur "das letzte Mittel dar", die Unruhen vom 6. Jänner 2021 keinen echten Aufstand.

Die Professoren William Baude und Michael Stokes Paulson sehen das freilich anders. Der Fall Trumps erfülle genau den Tatbestand des "Engagements" bei einem Aufstand sowie der "Beihilfe" für andere, die sich an einem solchen Unterfangen beteiligen. "Der Fall ist noch nicht einmal strittig", schreiben sie.

Die linke Gruppe Free Speech for People hat schon im Juli 2022 in zehn US-Bundesstaaten die Streichung von Donald Trump von möglichen Kandidatenlisten beantragt. Beantwortet wurden die Petitionen bisher nicht. Möglich ist aber auch, dass Trumps Rivalen um die Kandidatur den Weg der Disqualifizierung bestreiten, um sich selbst an die Spitze des republikanischen Tickets zu setzen. Bis jetzt ist dies aber nicht in Sicht.

Durchwachsene Bilanz

Zur Anwendung gekommen ist der 14. Zusatzartikel bisher äußerst selten: Couy Griffin, ein Bezirkspolitiker aus New Mexico, wurde im vergangenen Jahr seines Amts enthoben und darf nicht mehr kandidieren, weil er am 6. Jänner 2021 Absperrungen beim Kapitol in Washington überschritten hat. Versuche, prominente republikanische Politikerinnen wie Marjorie Taylor Greene mithilfe von Zusatzartikel 14 für ihre angebliche Rolle beim Aufstand politisch zu bestrafen, sind gescheitert.

Der Fall Trumps, der zwar den Mob aufgehetzt hat, sich bei dem folgenden Kapitol-Sturm selbst die Hände aber nicht schmutzig gemacht hat, könnte am Ende ein Fall für den Obersten Gerichtshof werden, vermutet Stanford-Professor McConnell. (Florian Niederndorfer, 28.8.2023)