Diese Serie war der kalkulierte Erfolg: die Geschichte eines aufstrebenden Stars in der Musikszene, entwickelt von einem ganz Großen im Business, bestückt mit namhaften Schauspielerinnen und Akteuren: Glanz, Glamour, Sex, Drogen, Drama, das kann nicht schiefgehen! Und tat es doch: "The Idol" von The Weeknd mit Lily-Rose Depp enttäuschte auf der ganzen Linie. HBO zog den Stecker aus der Produktion, eine weitere Staffel bleibt den Zuschauerinnen und Abo-Kunden erspart.

"The Idol" ist nicht alleine. Serienstornos wie dieses gibt es derzeit in rauen Mengen, darunter finden sich prominente Beispiele. Rowan Atkinsons "Man vs. Bee" bleibt bei Netflix ein einmaliges (fades) Erlebnis, Neil Patrick Harris erlebt ebendort keine Fortsetzung von "Uncoupled", ebenso Sandra Oh in "Die Professorin". Verzichten muss das Netflix-Publikum auf "1899" und "Tribes of Europa", und das sind nur ein paar Beispiele. Disney cancelt ebenfalls reihenweise, darunter "Star Wars"-Ableger und Fantasy-Spin-offs. Ausgerechnet von denen hatte man sich Großes erwartet.

Während in Hollywoods Kinos dank "Barbenheimer" die Kassen klingeln, wächst im Streamingbusiness der Frust. Nach Jahren des Wachstums ist die Branche in die Krise geschlittert und muss sich jetzt auf magere Jahre einstellen. Der Streik in Hollywood verschärft die Lage zusätzlich. Steht das Ende der von vielen ohnehin beklagten Serienflut bevor? Was passiert jetzt mit unseren Serien? Müssen wir uns in Zukunft mit weniger begnügen – und das zu höheren Abo-Preisen? Bricht das Streamingmodell jetzt zusammen?

Abo-Zahlen verteilen sich

"Nein", sagt Hannes M. Schalle. Der Produzent und Filmkomponist hat über seine Firma Moonlake Entertainment ("Silent Night", "Lauda", "Die Träume des Magiers", "The Sounds of Music – Revisited") Einblick in den deutschsprachigen und US-amerikanischen Streamingmarkt. Einen kompletten Crash sieht er nicht, einen grundlegenden Strukturwandel jedoch sehr wohl. Aktuelle Rückgänge zeugen davon. “Die Abo-Zahlen verteilen sich neu auf mehr Plattformen", bestätigt Schalle.

Die gute Nachricht zuerst: Serien zum Streamen wird es weiterhin geben. Die schlechte: Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Das hat mehrere Gründe. Einerseits werden wegen der Teuerung die Karten neu gemischt: "Streamer sind in der Pandemie gewachsen wie verrückt. Die Menschen haben aber heute mit gesteigerten Kosten zu tun – im Alltagsleben und bei den Abo-Kosten", sagt Schalle. Die Bereitschaft zum Zweitabo geht unter den Konsumentinnen und Konsumenten stark zurück, beobachtet auch der Produzent Schalle: "Wenn ich bei uns in der Firma frage, wer mehr als zwei Streamer hat, dann zeigt keiner auf."

Zum anderen stehen den geringeren Einnahmen teils irrwitzig hohe Produktionskosten gegenüber. 20 Millionen US-Dollar legte HBO für den "Game of Thrones"-Nachfolger "House of the Dragon" ab. 25 Millionen pumpte Disney+ in eine Folge von "Wanda Vision". 30 Millionen US-Dollar gab Netflix für eine Episode von "Stranger Things" aus. Geld spielte auch bei Amazon Prime und "Die Ringe der Macht" mit 58 Millionen US-Dollar je Folge keine Rolle. Weniger Abos bedeuten weniger Einnahmen.

Streik und Lücken

Und als ob das nicht schon genug wäre, reißt der Streik der Autoren und Schauspielerinnen ein Loch in die Lieferkette, wodurch 2024 empfindliche Lücken im bitter benötigten Nachschub drohen. Die Kosten sind enorm: Laut Autorenvereinigung WGA entgehen der Wirtschaft dadurch 30 Millionen US-Dollar pro Tag. Der letzte Streik 2007/08 brachte die kalifornische Wirtschaft um 2,1 Milliarden Dollar, und damals legten nur die Autoren ihre Arbeit nieder. Bei einem Doppelstreik, wenn er wie angenommen sechs Monate dauern sollte, geht man von einer viel höheren Summe aus. Das alles klingt nicht gut.

Und was jetzt? Die Antwort lautet wie in jedem kriselnden Unternehmen: sparen, und zwar rigoros. Serien werden – siehe oben – reihum gecancelt, Personal abgebaut, Budgets gekürzt und Preise erhöht. Netflix unterbindet das Passwortteilen und fährt mit einem werbefinanzierten Angebot ein besseres Quartalsergebnis ein. Der Schuldenberg im Hintergrund bleibt angesichts der hohen Investitionen gigantisch. Drei Milliarden US-Dollar musste der Deutsche Gunnar Wiedenfels als CFO bei Warner Bros. Discovery einsparen. Dazu kommen vorerst bei Netflix neue, werbefinanzierte Angebote, die an das gute alte Fernsehen erinnern. Disney soll ebenfalls schon Überlegungen anstellen.

Knallharte Profitmaximierung

"Jetzt geht es knallhart um Profitmaximierung", sagt Schalle. Das Modell breche nicht zusammen, aber es sei "Zeit für Marktbereinigung". Es gehe schlicht darum, "die Braut zu behübschen und einem neuen Merger zuzuführen". Das Geschäft um die Subscriber soll sich schließlich rechnen.

Das führt zu teils abenteuerlichen Gerüchten. Zuletzt mehrten sich etwa Stimmen, wonach Disney vor der Übernahme durch Apple steht. Sorgen macht sich Schalle um Max. Der Deutschland-Start des Warner-Streamingdiensts war für 2026 anberaumt, wenn die Warner-Verträge mit Sky ausgelaufen sind. "Ob der Termin hält, ist noch nicht klar", sagt Schalle, zumal HBO Eastern Europe sowohl osteuropäische als auch nordische Eigenproduktionen gänzlich gestrichen hat. Netflix sieht Schalle durch die globalen Produktionsbüros gut aufgestellt: "Der Cashflow stimmt." Technikriesen wie Amazon, Apple oder Tencent aus China stehen schon Schlange.

Welche Auswirkungen haben die Verwerfungen auf Deutschland und Österreich? Die Krise in den USA hinterlässt auch in diesen beiden Märkten Spuren. Sky, mit Serien wie "Das Boot" und "Babylon Berlin" einer der größeren Auftraggeber, streicht alle fiktionalen Eigenproduktionen, Bavaria reduziert ebenso. Den durch diese Entwicklung beunruhigten österreichischen Produzenten sicherte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann soeben satte Produktionssummen zu.

Und was heißt das für Serien? Die Zahl der Serien werde hoch bleiben, prognostiziert Schalle. "Die Zeit der großen Budgets ist aber vorbei." Dass weniger Masse zu mehr Klasse, also wieder höherwertigen Produktionen wie einst im goldenen Zeitalter des Quality-TV mit Serien wie "The Wire", "Mad Men" und "Breaking Bad", führt, bezweifelt er: "Die Inhalte werden sich noch mehr an den Aktienkursen orientieren." Er rechnet weiterhin mit viel Durchschnittsware und – wie bisher – einigen Ausreißern.

Fazit: Es wird eine noch dynamischere Bewegung geben, es wird noch mehr produktionsbezogenen Fördertourismus geben, aber die Streamer werden sich viel konkreter anschauen, was sie produzieren. (Doris Priesching, 30.8.2023)