Hoffnungen auf neue Gespräche zwischen den beiden Kriegsparteien im Sudan haben sich bereits wieder zerschlagen. Der Chef der sudanesischen Streitkräftechef, Abdel Fattah al-Burhan, wies jetzt einen "Friedensplan" seines Gegenspielers, Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo (alias Hemeti), zurück, den dieser am Sonntag unterbreitet hatte. Gegenwärtig sei "nicht die Zeit für Gespräche, wir konzentrieren uns auf den Krieg", sagte al-Burhan vor seiner ersten Auslandsreise seit dem Ausbruch der Kämpfe Mitte April in der Hafenstadt Port Sudan.

Der 63-jährige Übergangsstaatschef des Sudans verbrachte die vergangenen Monate im Hauptquartier der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum, das von den Milizionären der Rapid Support Forces (RSF) umzingelt ist. Dass er dass Hauptquartier überhaupt verlassen konnte, werteten Beobachter:innen als Anzeichen einer Vereinbarung mit Hemeti, der damit die Wiederaufnahme von Gesprächen ermöglichen wolle. Dem widersprach al-Burhan in seiner ersten Begegnung mit Journalisten seit dem Kriegsausbruch Mitte April. "Wir treffen keine Vereinbarungen mit Verrätern", sagte der General. Er habe das Hauptquartier im Rahmen einer "militärischen Operation" der sudanesischen Luftwaffe und Marine verlassen, der zwei Soldaten zum Opfer gefallen seien.

General Abdel Fattah al-Burhan bei Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in El Alamein
General Abdel Fattah al-Burhan bei Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in El Alamein
AFP/Egyptian Presidency/-

Al Burhan trifft mit den saudi-arabischen und ägyptischen Regierungschefs zusammentreffen: Beide gelten als Verbündete des sudanesischen Generals. Ein Treffen mit einem der Präsidenten des ostafrikanischen Staatenbunds Igad ist offenbar nicht vorgesehen. Igad hatte die Entsendung einer Friedenstruppe in den Sudan vorgeschlagen, die von al-Burhan jedoch abgelehnt wird.

"Friedensplan"

Hemetis am Sonntag unterbreiteter und zehn Punkte umfassender "Friedensplan" sieht unter anderem einen Waffenstillstand, die Bildung einer integrierten unpolitischen Armee sowie demokratische Wahlen vor. Der Vorschlag stieß bei der zivilen Opposition des Sudans auf Skepsis: Er sei Ausdruck der "Heuchelei" des Milizenführers, sagte ein Sprecher der Kräfte für Freiheit und Wandel (FCC). Hemeti stellt sich immer wieder als Friedensstifter und Mentor eines demokratischen Landes dar, was allerdings in krassem Gegensatz zu seinen Handlungen steht. Unter anderem waren die Kämpfe zwischen der RSF und der Armee im April wegen der Weigerung Hemetis ausgebrochen, seine Milizionäre in die Armee zu integrieren. Sudans zivile Opposition steht Vereinbarungen zwischen den Generälen grundsätzlich ablehnend gegenüber. Die beiden Antagonisten hätten zahllose Male gezeigt, dass sie an einem demokratischen Übergang des Landes kein Interesse haben.

Unterdessen gehen die Kämpfe in Khartum mit unverminderter Heftigkeit weiter. Täglich kommt es zu Luftangriffen der Streitkräfte auf RSF-Stellungen, denen immer wieder auch Zivilisten zum Opfer fallen. Obwohl al-Burhan bei seinem Auftritt vor Journalisten in Port Sudan behauptete, die Milizentruppe sei "völlig erschöpft" und stehe kurz vor der Kapitulation, kontrolliert die RSF nach wie vor einen Großteil der Hauptstadt. Kürzlich wurde in Khartum über die Sozialen Netzwerke dazu aufgerufen, dass sich Totengräber zur Verfügung stellen sollten. Weil viele der Friedhöfe wegen der Kämpfe unzugänglich sind, werden Tote inzwischen in Massengräbern bestattet.

Millionen geflohen

Die Hälfte der sechs Millionen Bewohner:innen Khartums sollen die Stadt bereits verlassen haben. Mehr als eine Million flohen in die Nachbarländer, der Rest sucht in friedlicheren Teilen des Landes unterzukommen. Dort explodieren derzeit die Mietpreise. Mehr als die Hälfte der fast 50 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung sei auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, melden die Vereinigten Nationen. Mindestens 500 Kinder sind nach Angaben internationaler Hilfswerke bereits den Hungertod gestorben. Von den 2,6 Milliarden US-Dollar, zu denen die UN die internationale Gemeinschaft aufgerufen hatte, sind bisher nicht einmal 700 Millionen Dollar eingegangen, heißt es in Genf. Martin Griffiths, UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, sieht eine "Notlage epischer Größenordnung" voraus. Hunger, Vertreibung und Krankheiten drohten das Land "völlig zu ruinieren".

Große Besorgnis lösen auch Berichte über die zunehmende Zahl an Vergewaltigungen aus. Die Organisation "Combating Violence against Women and Children" geht davon aus, dass bereits "Tausende von Frauen" Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Fast alle Fälle gingen auf Milizionäre der RSF zurück, teilte die Sprecherin der Organisation, Sulima Ishaq, mit. Vergewaltigungen seien Teil von deren Strategie, Frauen zum Verlassen ihrer Häuser zu zwingen, die dann von RSF-Kämpfern in Beschlag genommen werden. (Johannes Dieterich, 30.8.2023)