Geschlossener Sonnenschirm mit zusammengeklappten Liegen am Meer
Mit dem Ende des Sommers macht sich bei vielen ein bedrückendes Gefühl breit. Das ist ganz normal, beruhigt eine Expertin und rät zu Selbstfürsorge.
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Sie kennen doch sicherlich dieses Gefühl, das sich sonntagabends gerne einschleicht. "Sunday Scaries" ist der auf Social Media geläufige Begriff für dieses Konglomerat an bedrückenden Emotionen. Traurigkeit, dass das Wochenende vorbei ist. Ärger über sich selbst, weil man nicht alles geschafft hat, was man sich vorgenommen hatte. Angst vor den Verpflichtungen, die mit der neuen Woche wieder auf einen warten.

Am Ende des Sommers geht es vielen ähnlich, Herbstblues oder saisonale depressive Verstimmungen sagen Fachleute dazu. Denn mit der Umstellung auf die kalte Jahreszeit verändert sich auch in der Psyche etwas. "Man ist traurig, müde und antriebslos, weiß aber nicht so richtig, warum", beschreibt es die Psychotherapeutin Barbara Polster. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, warum man sich so fühlt. Das Wetter und die Sonne haben großen Einfluss auf unsere Stimmung, das weiß man grundsätzlich. "Aber oft ist uns nicht bewusst, wie stark dieser Einfluss tatsächlich ist", glaubt Polster.

Dem Herbstblues mit Gelassenheit begegnen

Für viele Menschen ohne Betreuungspflichten endet mit dem Sommer eine besonders unbeschwerte Zeit. "Im Herbst geht's wieder voll los. In vielen Jobs kommt jetzt die intensivste Zeit des Jahres", sagt Polster. Viele Menschen würden das Ende des Sommers auch nutzen, um eine Zwischenbilanz über das Jahr zu ziehen: Was hat man heuer schon weitergebracht, was steht noch an? "Viele sind mit sich unzufrieden. Das ist dann oft ein Teufelskreis. Man macht sich Vorwürfe, dadurch wird die schlechte Stimmung immer mehr", sagt Polster.

Grundsätzlich sind saisonale Stimmungstiefs ganz normal, man sollte ihnen mit Gelassenheit begegnen, rät die Psychotherapeutin. "Wir sind keine Maschinen, es darf uns auch einmal ein bisschen schlechter gehen, deshalb muss man nicht in Panik geraten. Es steckt nicht immer gleich eine Depression dahinter." Schätzungen zufolge sind etwa 15 Prozent von saisonaler Depression betroffen, eine Herbstverstimmung kennen wohl sehr viel mehr Menschen.

Selbstfürsorge priorisieren

Die Expertin rät mit Ende des Sommers deshalb, besonders gut auf sich zu achten. "Selbstfürsorge ist auch bei mir in der Praxis für Menschen, die zu Stimmungstiefs oder Depression neigen, immer der erste wichtige Ansatz", berichtet sie. Dass uns Selbstfürsorge gesünder macht, zeigen auch Studien. Wer lieb zu sich selbst ist, stärkt seine Psyche. "Jetzt ist die Zeit, in der man noch vorbeugende Maßnahmen treffen kann, um den Herbstblues, der üblicherweise im November seinen Höhepunkt erreicht, abzuschwächen", betont Polster.

Das bedeutet konkret: herausfinden, was einem guttut, und bewusst Zeit dafür einplanen. Außerdem sollte man zu Herbstbeginn auf eine gesunde Schlafroutine achten und möglichst immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen, denn psychische Probleme machen sich oft als Erstes über schlechten Schlaf bemerkbar, und Schlafmangel verstärkt dann wiederum das Problem. Und: auf ausreichend Bewegung und Frischluft achten. "Das ist wirklich wichtig. Man kann es nicht oft genug betonen, wie gut beides unserer Psyche tut", sagt die Expertin.

Wem es trotzdem schwerfällt, sich auf die schönen Dinge im Herbst – Kürbisgerichte, mehr Zeit zu Hause, Maroni braten – zu freuen, für den könnte sich ein genauerer Blick auf die Herbstblues-Gefühle lohnen. Denn so nervig diese diffuse Traurigkeit zum Ende des Sommers auch sein mag, darin könnten auch wichtige Informationen über uns selbst und unsere versteckten Bedürfnisse stecken. "Man muss diesen Gefühlen nicht mehr Bedeutung geben, als sie tatsächlich haben, aber es schadet nicht, einmal ehrlich hinzuschauen", sagt Polster. Woher kommt das Unwohlgefühl, wenn man an den Herbst denkt? Sehnt man sich nach mehr Freizeit? Nach mehr Ruhepolen im stressigen Alltag? Hat man das Bedürfnis nach intensiveren Beziehungen? Gibt es ungelöste Konflikte, die man angehen könnte?

In seltenen Fällen könnte sich ein größeres Thema hinter der saisonalen Verstimmung verbergen. Wenn man mehrere Wochen in Folge jeden Tag schlechte Stimmung hat, nicht mehr gerne aufsteht und das Leben durch die miese Laune beeinträchtigt ist, sollte man sich jedenfalls überlegen, Hilfe von Außenstehenden zu suchen, stellt Polster klar – und an dem Gedanken festhalten: "Saisonale Verstimmungen sind, wie der Name sagt, nur etwas Saisonales. Es geht vorbei." (Magdalena Pötsch, 3.9.2023)