Robert Fico bei einer Pressekonferenz, im Hintergrund drei andere Teilnehmer.
Robert Fico musste 2018 nach dem Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak zurücktreten. Nun könnte das Comeback des Linkspopulisten bevorstehen, der die Unterstützung für die Ukraine heftig kritisiert.
EPA / Jakub Gavlak

Eine besonders oft geäußerte Vorhersage zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine geht so: Kreml-Chef Wladimir Putin spielt auf Zeit und wird die Kämpfe zunächst einmal ein gutes weiteres Jahr in die Länge ziehen. Im November 2024 nämlich wird in den USA gewählt. Putin, so heißt es, hofft, dass sich im Rennen ums Weiße Haus wieder Ex-Präsident Donald Trump durchsetzen kann, der dann die Hilfe für die Ukraine zurückfahren und diese dem Machthunger Moskaus ausliefern würde.

Wirklich wagemutig muss man für diese Theorie nicht sein, aus heutiger Sicht drängt sie sich förmlich auf. Bloß ganz vollständig ist sie natürlich nicht. Denn für Putin ist auch alles, was die Unterstützung für Kiew in Europa aufweicht, eine gute Nachricht. Und hier könnte bald die Slowakei eine Rolle spielen, wo bereits in einem Monat, konkret am 30. September, ein neues Parlament gewählt wird.

Laut Umfragen nämlich kann Ex-Premier Robert Fico mit seiner linkspopulistischen Partei Smer (Richtung) auf einen klaren Wahlsieg hoffen. Etwa 20 Prozent der Stimmen werden ihr vorhergesagt. Das ist freilich noch keine überwältigende Mehrheit, aber auch die Begleitumstände sprechen dafür, dass Fico gute Chancen hat, zum vierten Mal Regierungschef zu werden.

Zunächst ist da die ebenfalls linke Hlas (Stimme), eine Smer-Abspaltung, angeführt von Peter Pellegrini, der ebenfalls bereits Premierminister war. Sie kommt in den Umfragen auf knapp 15 Prozent und hat inhaltlich durchaus Koalitionspotenzial mit der Smer.

Bangen um Wiedereinzug

Hoffnungsfroh darf Fico aber auch sein, weil den vier konservativen und rechtsliberalen Parteien, die zuletzt eine Regierung gebildet hatten, der Wiedereinzug ins Parlament alles andere als sicher ist: Bestenfalls schrammen sie an der Fünf-Prozent-Hürde entlang. Scheitern sie, könnte sich eine Koalition unter Fico auch mit einem verhältnismäßig bescheidenen Ergebnis eine parlamentarische Mehrheit sichern.

Als halbwegs sicheres Gegengewicht zur Smer zeichnet sich derzeit nur die linksliberale Partei Progresívne Slovensko ab, die in den Umfragen bei etwa 15 Prozent und damit gleichauf mit der Hlas liegt.

Fico hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Unterstützung Kiews gestellt. Als etwa im April 2022 die damalige rechtsliberale Regierung von Eduard Heger der Ukraine das Luftabwehrsystem S-300 überließ, bezeichnete Fico den Premier und die Präsidentin Zuzana Čaputová als "lächerliche amerikanische Figuren", die die Slowakei in den Krieg hineinziehen würden. Auch ein bereits Anfang Februar 2022 geschlossenes Militärabkommen zwischen dem EU- und Nato-Mitglied Slowakei und den USA hatte Fico vehement abgelehnt.

Bereits bald nach der Teilung der Tschechoslowakei Anfang 1993 war der slowakische Kurs einigermaßen erratisch. Der damalige Premier Vladimír Mečiar verfolgte eine in weiten Teilen nationalpopulistische Politik. Als die anderen drei Staaten der Visegrád-Gruppe, also Tschechien, Polen und Ungarn, 1999 der Nato beitraten, blieb die Slowakei im Wartesaal. Erst 2004 wurde dann auch sie Mitglied im transatlantischen Verteidigungsbündnis.

Andererseits ist die Slowakei der einzige der vier Visegrád-Staaten, der bereits den Euro eingeführt hat. 2009 war das, just zur Zeit der ersten Regierung Ficos, der sich in der EU damals als integrationsfreundlicher erwies als so mancher Partner in den Nachbarländern.

Politische Dauerkrise

Ficos bislang letzte Amtszeit endete im März 2018, kurz nachdem der Enthüllungsjournalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová erschossen worden waren. Die Täter sind mittlerweile zu langen Haftstrafen verurteilt, ebenso eine angebliche Auftraggeberin. Ob damit aber alle Drahtzieher bestraft wurden, ist weiter unklar.

Kuciak hatte häufig zu Korruption im Umfeld der Politik recherchiert. Eine breite Protestbewegung erzwang nach dem Mord den Rücktritt Ficos, ihm folgte Peter Pellegrini nach, damals noch ein Smer-Politiker. Aus der Wahl 2020 ging dann eine rechtsliberale Koalition hervor, die heuer im Mai nach einer internen Dauerkrise zerbrach.

Seither regiert in Bratislava ein Expertenkabinett unter dem Übergangspremier Ľudovít Ódor. Auch das ist eine Besonderheit dieses Wahlkampfs: Niemand verteidigt eine Position, die Karten werden völlig neu gemischt.

Übersichtlich geht es dabei nicht zu. Zuletzt wurde das Land von einem Machtkampf innerhalb der Sicherheitsorgane erschüttert, die einander Einflussnahme auf Korruptionsermittlungen vorwerfen. Mitte August gipfelte der Streit in der vorübergehenden Festnahme des Chefs des Inlandsgeheimdienstes SIS. All das könnte Wasser auf die Mühlen Robert Ficos sein, der von "versuchtem Umsturz" spricht – und sich als angeblicher Stabilitätsgarant in Stellung bringt. (Gerald Schubert, 30.8.2023)