Andrea Giambruno, nicht nur eine bekannte italienische TV-Persönlichkeit, sondern vor allem mitteilungsfreudiger Lebensgefährte der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, rät jungen Frauen, sich vorsichtshalber lieber nicht zu betrinken. "Wenn du tanzen gehst, dann hast du natürlich das Recht, dich zu betrinken. Aber wenn du dich nicht betrinkst und nicht die Besinnung verlierst, dann kannst du es vermeiden, in problematische Situationen zu geraten, in denen du einen Wolf triffst."

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und ihr Lebensgefährte Andrea Giambruno.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und ihr Lebensgefährte Andrea Giambruno.
IMAGO/Independent Photo Agency Int./FrancescoxCamporeale

Mit diesem Satz sorgte Giambruno am Montagabend in seiner TV-Politiksendung für Aufregung und Empörung. Was "Herr Meloni", wie Giambruno auch genannt wird, damit meinte: Wenn junge Frauen nicht vergewaltigt werden wollen, sollen sie beim Ausgehen nüchtern bleiben. Denn die "Wölfe" – also die Männer – sind bekanntlich von ihren Instinkten getrieben: Wenn sie ein wehrloses Opfer sehen, können sie gar nicht widerstehen. Letzteres hat Giambruno zwar nicht so gesagt, aber es war natürlich der Subtext beim Wolfsvergleich.

Italiens "First Gentleman" hätte den Zeitpunkt für seinen Ratschlag nicht unglücklicher wählen können: Italien ist derzeit geschockt über zwei Gruppenvergewaltigungen. In Palermo haben sich im Juli sieben junge, zum Teil noch minderjährige Männer hintereinander an einer 19-Jährigen vergangen und ihre Tat mit dem Mobiltelefon gefilmt. "Sieben Hunde auf einer Katze", johlte dabei einer von ihnen. Kurz darauf machte ein weiteres, ähnliches Verbrechen Schlagzeilen, das schon früher stattgefunden hatte, aber erst jetzt bekannt wurde: In einem Vorort von Neapel wurden ein zehn- und ein zwölfjähriges Mädchen von sechs Jugendlichen vergewaltigt. Es besteht der Verdacht, dass die von den Tätern gemachten Videoaufnahmen an Pädophile verkauft wurden.

Täter-Opfer-Umkehr

Giambrunos Äußerung hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. "Einmal mehr wird die Schuld an den Vergewaltigungen den Opfern zugeschoben. Das ist inakzeptabel", empörte sich Elly Schlein, Chefin des sozialdemokratischen PD. Statt den Frauen Vorschriften zu machen, müssten vielmehr die Männer dafür sensibilisiert werden, dass sexuelle Gewalt niemals durch ein mutmaßlich missverständliches Verhalten der Frauen gerechtfertigt werde.

Kritik kam auch von rechts: "Was Giambruno gesagt hat, ist mittelalterlich", erklärte Alessandra Mussolini, Enkelin des früheren Diktators Benito Mussolini und Europa-Parlamentarierin. Solche Aussagen würden nur dazu führen, dass sich vergewaltigte Frauen noch weniger trauen werden, zur Polizei zu gehen.

Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia, hat sich zur Aussage ihres Partners bisher (stand Mittwochnachmittag) nicht geäußert. Es ist aber offensichtlich, dass der redselige Giambruno zunehmend zu einer politischen Belastung für die Regierungschefin wird, zumal auch Meloni den Kampf gegen sexuelle Gewalt zu einer Priorität ihrer Rechtskoalition erklärt hat.

Wiederholte Entgleisungen

Die Zeitung "La Stampa" hat Giambruno am Mittwoch mit Prinz Philip, dem Gemahl der früheren englischen Königin Elisabeth, verglichen, der ebenfalls kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen hatte. Der 41-jährige "Prinz Giambruno", stellte "La Stampa" fest, bringe die fünf Jahre ältere Königin Giorgia mit seinen Ausrutschern und Entgleisungen nun ebenfalls ständig in Verlegenheit.

Schon im Juli hatte Giambruno mitten in der extremen ersten Hitzewelle und bei Temperaturen von über 40 Grad in Rom erklärt, dass es für ihn "keine Nachricht ist, wenn es im Sommer warm ist". Damit ist er in Italien zur Ikone der heimischen Klimawandelleugner geworden. Kurz darauf pöbelte er gegen den deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der sich als Italien-Tourist erfrecht hatte, auf Twitter wegen des Klimawandels düstere Prognosen für die italienische Fremdenverkehrsbranche abzugeben. "Wenn es dir hier zu heiß ist, dann bleib doch zu Hause", riet der Meloni-Verlobte Lauterbach. "Im Schwarzwald geht es dir doch gut, nicht wahr?"

Gewalt gegen Frauen, Klimakrise, das Verhältnis zum wichtigsten europäischen Partner: Es sind die ganz großen Themen, derer sich "Prinz Andrea" annimmt. Bisher hat Königin Giorgia immer geschwiegen: "Sie hat es sich bisher nicht erlaubt, mir vorzuschreiben, was ich sagen darf und was nicht", sagte Giambruno am Mittwoch zum "Corriere della Sera". Die Frage ist, wie lange noch. (Dominik Straub, 30.8.2023)