Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede in Alpbach.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede in Alpbach.
APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich am Mittwoch in Alpbach erstmals und ohne Einschränkung für eine Teilnahme Österreichs am europäischen Raketenabwehrsystem namens Sky Shield ausgesprochen. Dieses von Deutschland initiierte Projekt soll in den kommenden Jahren als eine Säule gemeinsamer Verteidigung durch ein gutes Dutzend EU-Staaten aufgebaut werden. Es steht auch neutralen Staaten offen.

Die Bundesregierung hatte durch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) – wie auch der Schweizer Bundesrat – die Bereitschaft zur Beteiligung bereits schriftlich deponiert. Mit der Bestätigung durch den Oberbefehlshaber bekam das Projekt, dem manche wie die FPÖ wegen Neutralitätsbedenken kritisch gegenüberstehen, nun höchste Unterstützung.

Gemeinsames Europa

Van der Bellen tat dies auf Englisch im Rahmen seiner Eröffnungsrede zum Programmsteil "Austria in Europe Days" beim Forum Alpbach. Dabei legte er ein in dieser Form selten leidenschaftliches Plädoyer für das gemeinsame Europa, für Österreichs aktive Teilnahme an einer fortschreitenden Integration, zur Lösung der großen Probleme unserer Zeit ab.

"An meinen Worten können Sie erkennen, dass ich Europa liebe. Und ich glaube an Europa", sagte er wörtlich. Wenn man etwas liebe und an etwas glaube, müsse man es auch schützen. Das gelte für Ausstiegsszenarien aus der EU wie den Brexit, "der war keine gute Idee", wie auch "Dexit und Öxit" – EU-Austritte von Deutschland und Österreich, die von extrem rechten Parteien angedacht sind. "Wir müssen unsere europäische Idee verteidigen, gegen alles, was unsere Position schwächen könnte", fuhr er fort. Das sei "die Agenda der Populisten", sie wollten die europäische Gemeinschaft schwächen. Das solle und dürfe man nicht zulassen, sondern im Gegenteil "alles tun, was uns stärker macht".

Das bedeute aber, in gemeinsame Projekte zu investieren, die uns widerstandsfähiger machen, erklärte Van der Bellen, "deshalb halte ich Sky Shield für eine gute Idee, deshalb müssen wir in Innovationen investieren, deshalb müssen wir unsere europäischen Entscheidungsfindungsprozesse optimieren". Die Union wolle er als "konstruktive und wohlwollende Weltmacht".

Aus Fehlern lernen

Der Bundespräsident hatte eingangs daran erinnert, dass die europäische Einigung aus seiner Sicht "die beste Idee, die wir je hatten", gewesen sei, nach den furchtbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Sie sei ein Akt der Vernunft gewesen, nach Jahrhunderten des Streits und der Kriege. "Wir haben bewiesen, dass wir uns ändern können, indem wir aus unseren Fehlern lernen", erklärte Van der Bellen, Europa könne "in diesem Sinn ein 'Role-Model' für die ganze Welt sein. Es gibt einen Weg in die Zukunft." Nach der Rede sagte Van der Bellen vor Journalisten: "Die Menschen werden bald feststellen, dass eine 'Festung Österreich' oder eine 'Festung Europa' keine Probleme löst."

In einer "Zeit des grassierenden Nihilismus und Fatalismus" brauche die Welt mehr denn je ein Vorbild. Es sei dies "nicht der Weg der Extreme", auch nicht "der Weg des rücksichtlosen ausbeuterischen Kapitalismus, nicht der Weg der egoistischen Autokratie" oder "des blinden Nationalismus". Der Weg, der uns in die Zukunft führe, sei "besonnen, gebildet, zuversichtlich, mitfühlend, inklusiv und feministisch, kultiviert, klug, bescheiden, europäisch", sagte der Präsident. Neun Monate vor den Europawahlen klang es wie ein Appell an die Parteien des Landes. (Thomas Mayer aus Alpbach, 30.8.2023)