Junge Polizistinnen und Polizisten bei der Ausmusterung in Wien.
Dank gezielter Anwerbung ist die Zahl der Neuaufnahmen bei der Polizei zuletzt wieder gestiegen. Im Kriminaldienst wird künftig Cybercrime-Delikten mehr Aufmerksamkeit gewidmet.
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Auch Verbrecher gehen mit der Zeit. Bei jeder fünften strafbaren Handlung sitzen Täter und Täterinnen vor dem Computer oder nützen ein Smartphone als Werkzeug. Bei Betrugsfällen liegt der Anteil der per Internet begangenen Taten sogar schon bei 50 Prozent. Täglich werde auf diese Weise in Österreich 100 betrügerische Aktionen gesetzt. Das Innenministerium reagiert auf die galoppierenden Cybercrime-Frequenz nun mit einer breiten Reform im Kriminaldienst. Salopp ausgedrückt, soll – in Anlehnung an die Sondereinsatzeinheit Cobra – eine "Cybercobra" gebildet werden, wie es der Direktor des Bundeskriminalamts, Andreas Holzer, ausdrückt.

Video: Am Freitag wurde im Innenministerium in Wien die Kriminaldienstreform mit dem Schwerpunkt Cybercrime vorgestellt.
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Bezirksstruktur zu klein

Die Eckpunkte der Kriminaldienstreform stellte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Freitag vor. Österreichweit werden 38 neue Kriminalassistenzdienststellen (KAD) geschaffen. Dafür soll es in den kommenden fünf Jahren 700 zusätzliche Arbeitsplätze geben, davon 600 in den Bundesländern und 100 in Wien. Man habe gesehen, dass die ländliche Bezirksstruktur zu klein ist, um polizeiliche Ermittlungen gegen das digitale Verbrechen zu führen, erläuterte der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl, der in der Arbeitsgruppe für die Reform saß. Die Aufteilung in 38 Regionen sei deshalb vernünftig. Angebunden sind die KADs an die Landeskriminalämter und an das Bundeskriminalamt in Wien, wo es ebenfalls entsprechende strukturelle Anpassungen geben wird.

Karner betonte, dass mit den KADs keine neue zusätzliche Hierarchie eingezogen, sondern Strukturen verändert und vor allem die Ausbildung spezialisiert werden. Alles in allem handle es sich um die größte Reform seit der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie vor zwanzig Jahren.

Trainingscenter für IT-Forensik

Um mit technischen Entwicklungen Schritt zu halten, werden in allen Bundesländern Cybercrime-Trainingscenter für Polizistinnen und Polizisten eingerichtet. Schon in der polizeilichen Grundausbildung werden künftig zusätzlich Internetmodule angeboten. "Die IT-Forensik spielt eine immer größer werdende Rolle, wenn es um die Aufklärung von Straftaten und die Sicherung von Sachbeweisen geht", sagt Franz Ruf, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. Ein Großteil des KAD-Personals werde aus der Polizei rekrutiert, es sollen aber auch Expertinnen und Experten von Fachhochschulen und Universitäten angeworben werden.

Dass wie zuletzt Engpässe bei der Neuaufnahme den ambitionierten Personalplan gefährden könnten, glaubt Innenminister Karner nicht. Dank der jüngsten Rekrutierungsoffensive hab es es heuer bereits 1.100 Neuaufnahmen für die Polizeiausbildung gegeben. Auch die Dropout-Rate sei sehr niedrig. Im Vorjahr hätten 450 Personen freiwillig und vorzeitig den Polizeidienst quittiert, das entspreche einer Fluktuation von 1,4 Prozent.

Kritik an Reformplänen

Kritik an der Reform kam zuletzt von SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner: "Karner will mit seinen Reformplänen noch mehr Polizisten aus den Ortschaften und Städten abziehen und macht sie damit unsicherer. Die zurückbleibenden Beamtinnen und Beamte werden dafür noch mehr Überstunden leisten müssen, um den Arbeitsbedarf zu decken." Der sozialdemokratische Gewerkschafter Martin Noschiel (FSG) und sein freiheitlicher Kollege Herbert Werner (AUF) befürchten eine "Aushöhlung der Basisdienststellen".

Pilsl sagte in der ORF-"ZiB 2" am Freitag, dass bei einem Wegzug von Personal für Nachschub gesorgt werde. Speziell beim Fall Wien würde darauf geachtet, dass Bewerberinnen und Bewerber erst gehen können, wenn ihre Posten nachbesetzt werden können. Bezüglich der Überbelastung bei der Polizei, die Gewerkschafter kritisieren, meinte Pilsl, Dienstzeiten würden angepasst, Überstunden seien bei der Polizeiarbeit jedoch "in der Natur der Sache". (Michael Simoner, wisa, 1.9.2023)