Frau im Labor
Frauen sind nach wie vor in zahlreichen Forschungsbereichen unterrepräsentiert.
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Seit vielen Jahren werden große Anstrengungen unternommen, um Frauen vermehrt für wissenschaftliche und technische Berufe zu begeistern – allerdings mit zum Teil bescheidenen Erfolg. Mit rund zwei Dritteln ist der Frauenanteil in der Life-Science-Forschung im Vergleich zu anderen Forschungszweigen besonders hoch. Doch dieser Forschungsbereich bildet weiterhin die Ausnahme, eine Ausgewogenheit der Geschlechter liegt in anderen technischen und naturwissenschaftlichen Fächern immer noch in weiter Ferne.

Das Panel sitzt vor einem begrünten Raumteiler in einem Büro in Wien.
Über die Situation von Frauen in der Forschung diskutierten Eva Stanzl (Wiener Zeitung), Henriette Spyra (Sektionschefin im Klimaministerium), Tanja Traxler (STANDARD), Bianca Tan (AOP Health), und Susanne Greber-Platzer (Medizinische Universität Wien), von links nach rechts.
Regine Hendrich

In Österreich sind beim wissenschaftlichen Personal im Bereich Forschung und Entwicklung nur rund 25 Prozent Frauen tätig. In der Industrie liegt der Anteil bei nur 16,8 Prozent. Und selbst an den Hochschulen ist noch Luft nach oben, mit rund 39 Prozent ist auch hier ein klarer Männerüberhang erkennbar.

Kulturwandel ist gefragt

Wie es um die Situation von Frauen in der Forschung bestellt ist, war Gegenstand einer Diskussion, die vergangene Woche vom Pharmakonzern AOP Health in Kooperation mit dem STANDARD stattgefunden hat. "Es braucht einen umfassenden Kulturwandel, der die Führungsetagen und die Innovationskultur betrifft", äußerte sich Henriette Spyra, Sektionschefin für Innovation und Technologie im Klimaschutzministerium. Sie sprach sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen aus und für die Förderung von Mädchen und jungen Frauen an den Universitäten.

Sektionschefin Henriette Spyra 
Sektionschefin Henriette Spyra plädiert für einen grundlegenden Kulturwandel.
Regine Hendrich

In der medialen wissenschaftlichen Berichterstattung würden beispielsweise viel eher Männer zitiert. Das konnte Eva Stanzl, Wissenschaftsredakteurin der "Wiener Zeitung" und Präsidentin des "Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen Österreichs" in mehreren Studien finden. Das liege oftmals nicht nur daran, dass sich das Klischee des Mannes, der gerne in der Öffentlichkeit steht, teilweise immer noch bewahrheitet. Letztlich sei die Wissenschaft ein weiterhin männlich dominiertes Feld. Man versuche daher auch in der eigenen Berichterstattung öfter Forscherinnen anzurufen, sagte Stanzl.

Susanne Greber-Platzer, Professorin an der Medizinischen Universität Wien, berichtete von Positivbeispielen aus der Praxis: Mittlerweile gebe es bereits mehr weibliche Studierende in der Medizin. Aufgabe der Lehrenden und Führungsetage sei es dann, junge Frauen so zu fördern, dass sie früh wissenschaftlich mitarbeiten können, sagte Greber-Platzer.

Chancen für Frauen

Für Arzneimittelstudien oder Datenaushebungen brauche es motivierte Studierende, und gerade in dem Bereich gebe es daher viele Einstiegspositionen für junge Frauen. Später aber würden junge Frauen in der Forschung auf neue Probleme stoßen, und dann brauche es Begleitung, um sich Strukturen für die Karriereplanung aufzubauen.

Ein Kulturwandel könne die Rollenbilder in der Karrierewelt aufbrechen, und das für alle, betonte Bianca Tan, Head of Clinical Operations bei AOP Health. "Oft wird Frauen gesagt, sie müssen stark sein, man dürfe sich nicht verunsichern lassen. Das würde ich hinterfragen, ob das wirklich notwendig ist." Es brauche ein gesellschaftliches Verständnis für unterschiedliche Qualitäten von Führungskräften und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Bianca Tan
Bianca Tan ist Head of Clinical Operations bei AOP Health. Sie spricht sich für neue Rollenbilder und die Bedeutung von Kinderbetreuung aus, um Frauenkarrieren zu fördern.

"Frauen müssen nicht die besseren Männer werden", sagte auch Eva Stanzl. Sie mahnte die Wichtigkeit von Gehaltstransparenz ein. Da sei die öffentliche Hand fairer als der Privatsektor.

Gender-Pay-Gap schließen

Auch Sektionschefin Spyra sah daher die Unternehmen in der Pflicht, Gehälter offenzulegen. In der Verwaltungsebene existiere der Gender-Pay-Gap praktisch nicht, alle Gehälter seien online abrufbar und somit ersichtlich.

Auch die Verfügbarkeit von entsprechender Kinderbetreuung spiele eine entscheidende Rolle dabei, ob Frauen in der Forschung Karriere machen können, betonte Tan. "Care-Arbeit darf nicht gleich Frauenarbeit sein, sondern muss viel eher zwischen Partnern jeglichen Geschlechts aufgeteilt werden", sagte Tan.

Eva Stanzl ist Wissenschaftsredakteurin bei der "Wiener Zeitung" und Präsidentin des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen.

Um solche Änderungen herbeizuführen, müsse aber viel früher angesetzt werden. Greber-Platzer nimmt dafür auch die Schulen in die Pflicht. In skandinavischen Ländern würden viel mehr junge Frauen Mint-Fächer studieren. Spyra stimmt zu: "Zum Studienbeginn ist es eigentlich zu spät. Die große Frage ist es eher, wie es dazu kommt, dass sich Frauen überhaupt für eine Karriere in den Mint-Fächern interessieren."

Inklusiveres Framing

Das österreichische Schulystem sei insbesondere ab einem Alter von 14 Jahren zu heterogen: Denn obwohl es ausreichend Mädchen gäbe, die großes Talent in Mathematik haben, werden sie nicht ausreichend und zielgerichtet gefördert, sagte Greber-Platzer. Würde man sich beispielsweise die Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) ansehen, käme man dabei zu dem Schluss, dass hierzulande eine klare Geschlechtertrennung stattfindet. Mädchen wären stark unterrepräsentiert, oft nur allein oder zu zweit in einer Klasse mit männlichen Mitschülern. Daraus ergäbe sich "keine gute Gemeinschaft", und "kein Ambiente das junge Frauen fördert". Das hat auch Nachteile für die Berufswahl für junge Männer. Pädagogische oder wirtschaftlichen Schulen sind mädchendominiert. Das gebe es in anderen Ländern nicht in dieser Intensität.

Susanne Greber-Platzer leitet die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien.

Für den Sprung an die Universität in technisch-naturwissenschaftliche Fächer bräuchte es laut Spyra auch ein anderes Framing. Die Möglichkeit, einen Beitrag für eine Gesellschaft zu leisten, die auf erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft umstellt, würde Frauen wohl eher ansprechen als die Vorlesung "Maschinenlehre 1.2", sagte Spyra. Nur so kann Universität, Lehre und Forschung diverser werden. (Sebastian Lang, 5.9.2023)