Genüsslich breitete die der linken Opposition nahestehende Zeitung "Il Fatto Quotidiano" die Details des neuen Domizils aus, das Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in wenigen Wochen beziehen wird: 347 Quadratmeter, verteilt auf 15,5 Zimmer und zwei Stockwerke, zwei Wohnzimmer mit je 70 Quadratmetern, ein "Garderobe"-Zimmer von 14,5 Quadratmetern sowie ein Pool von neun mal dreieinhalb Metern.

Energietechnisch will die Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia mit gutem Beispiel vorangehen und 48 Solarpaneele mit insgesamt 20 Kilowatt potenzieller Leistung auf dem Dach installieren und mit einer Wärmepumpe kombinieren. Kostenpunkt des Anwesens, das im gehobenen Wohngebiet Torrino im Süden Roms liegt: 1,1 Millionen Euro – relativ günstig angesichts dessen, dass im historischen Stadtzentrum das Dreifache fällig würde. 300.000 Euro soll Meloni bereits angezahlt haben.

Giorgia Meloni bei einer Rede
Viele ihrer bisherigen Fans finden, dass Giorgia Meloni ihre einfache Herkunft vergessen habe, seit sie Regierungschefin ist.
EPA/CESARE ABBATE

Die "Enthüllung" hat in Italien beträchtliches Aufsehen erregt. Nicht dass jemand der Regierungschefin das Recht abspräche, ihre Wohnsituation zu verbessern. Das Problem besteht vielmehr darin, dass der bevorstehende Umzug in die "Traumvilla" (wie linke Medien das Anwesen nennen) nicht so richtig zum Narrativ passen will, das Meloni bisher sorgsam gepflegt hat: Sie stellte sich immer als Selfmade-Woman aus der Unterschicht dar, aufgewachsen als Kind einer alleinerziehenden Mutter im römischen Arbeiterviertel Garbatella. Die Familie lebte in einer 45-Quadratmeter-Wohnung, in der sich die kleine Giorgia ein Zimmer mit ihrer älteren Schwester Arianna teilen musste.

Was wurde aus dem "Underdog"?

In ihrer Antrittsrede als Regierungschefin im vergangenen Oktober hatte sich Meloni ausdrücklich als "Underdog" bezeichnet, der die Sorgen der "kleinen Leute" verstehe. Nun zieht der Underdog also in eine Villa mit Pool um. Und auch die Sorgen der "kleinen Leute" scheinen etwas aus ihrem Blickfeld geraten zu sein, zumindest jene der Ärmsten unter ihnen.

Anfang August hat die Regierung insgesamt 170.000 Italienerinnen und Italienern das von der Fünf-Sterne-Protestbewegung und der Lega 2019 eingeführte Bürgergeld (Mindestsicherung) gestrichen; den Betroffenen wurde von der Rentenversicherung per SMS in Erinnerung gerufen, dass die Überweisung für den Juli nun die letzte gewesen sei (der Korrektheit halber muss festgehalten werden, dass die Unterstützungsempfänger schon Wochen zuvor brieflich über das Ende der Hilfen informiert worden waren). In diesen Tagen wurden weitere 32.500 SMS verschickt und bis Ende des Jahres noch einmal knapp 200.000. Der Text wurde etwas weniger brüsk formuliert, der Inhalt blieb gleich.

Wie stark Melonis neues Haus im Süden Roms ihre Glaubwürdigkeit und Popularität als Underdog beeinträchtigen wird, bleibt abzuwarten. Dass Politikerinnen und Politiker ihre Herkunft, wenn sie einmal an den Hebeln der Macht sitzen, vergessen, ist nicht neu und kommt bei Linken gleichermaßen vor wie bei Rechten. Zumindest die Sympathie vieler Bürgergeldbezieherinnen und -bezieher hat Meloni aber offenbar verspielt – womöglich nachhaltig: In den sozialen Medien kursieren Drohungen gegen die Regierungschefin, und bei einem Besuch in einem Armenviertel in der Nähe von Neapel, das in diesen Tagen Schlagzeilen wegen einer Gruppenvergewaltigung gemacht hatte, wurde sie am Donnerstag mit Pfiffen empfangen. (Dominik Straub, 1.9.2023)