Sarajevo – Bosnische Serben haben am Freitagabend den Verkehr auf den Straßen zwischen den beiden Landesteilen von Bosnien-Herzegowina blockiert, um gegen eine Anklage des bosnischen Serbenführers Milorad Dodik zu protestieren. Dies sei "die letzte rote Linie", sagte die Vizepräsidentin des Parlaments der überwiegend von bosnischen Serben bewohnten Republika Srpska, Anja Ljubojevic, der Nachrichtenagentur AFP am Freitagabend auf einer Kundgebung in einem Vorort von Sarajevo.

"Wir werden unser Eigentum und unsere Institutionen schützen, denn wenn man sie uns wegnimmt, werden wir nicht mehr existieren", sagte sie. Die Republika Srpska sei "heilig und wir werden sie verteidigen", sagte sie.

Einige Demonstranten schwenkten ein Porträt von Dodik, einem Verbündeten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, andere trugen ein Bildnis des Kreml-Chefs. Weitere Protestteilnehmer trugen serbische und russische Flaggen, wie AFP-Journalisten berichteten. Unter dem Motto "Die Grenze existiert" fanden zeitgleich in den Regionen Tuzla und Doboj im Norden, Nevesinje im Südosten und Sarajevo Proteste statt, an denen nach Angaben serbischer Medien mehrere tausend Menschen teilnahmen.

Demonstration in Republika Srpska 
Protestteilnehmer schwenkten serbische und russische Flaggen.
AFP/ELVIS BARUKCIC

Missachtung des Hohen Repräsentanten

Bosnien-Herzegowina ist aufgeteilt in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republika Srpska und die kroatisch-muslimische Föderation Bosnien und Herzegowina. Die beiden halbautonomen Landesteile sind durch eine schwache Zentralregierung miteinander verbunden. Demonstrationen auf der weitgehend unkontrollierten Demarkationslinie zwischen beiden Landesteilen hatte es seit Ende des Krieges in den 90er Jahren nur selten gegeben.

Dodik wird vorgeworfen, Entscheidungen des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina missachtet zu haben - ein Vergehen, das mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage am 11. August angekündigt, sie muss noch vom Staatsgerichtshof zugelassen werden.

Serbenführer Milorad Dodik
Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik lehnt die Autorität des Hohen Repräsentanten ab.
REUTERS/ DADO RUVIC

Vorbehalte aus China und Russland

Dodik hatte im Juni das Parlament in der Republika Srpska aufgefordert, zwei Gesetzen zuzustimmen, denen zufolge sowohl die Entscheidungen des Verfassungsgerichts von Bosnien-Herzegowina als auch die des Hohen Repräsentanten nicht mehr anerkannt werden sollen.

Seit dem Dayton-Abkommen von 1995, mit dem der Bosnien-Krieg beendet worden war, ernennt die Uno einen Hohen Repräsentanten. Dieser hat das Recht, Gesetze durchzusetzen oder aufzuheben und gewählte Vertreter zu entlassen. Derzeit hat der Deutsche Christian Schmidt das Amt inne.

Der bosnische Serbenführer Dodik lehnt die Autorität von Schmidt ab. Schmidt war 2021 ins Amt gekommen, jedoch anders als seine Vorgänger aufgrund von Vorbehalten aus China und Russland ohne die Bestätigung des Uno-Sicherheitsrates. (APA, red, 1.9.2023)