Er bleibt. In der bayerischen Landesregierung, im Bierzelt und im Wahlkampfmodus sowieso. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, darf trotz der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Schulzeit weiterhin mit Markus Söder regieren. Der hätte ihn rauswerfen können. Von selbst wäre Aiwanger nicht gegangen. Er ist keiner, der schnell aufgibt, er gilt als "zacher Hund", was in Bayern ja zu den Komplimenten zählt.

Hubert Aiwanger und ein Falke
Hubert Aiwanger übt sich als Falkner – politisch hätte ihm fast ein Absturz.
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"Hubsi" wird er dort genannt, oft anerkennend, häufig aber auch verächtlich – schon allein wegen seines niederbayerischen Dialekts, den viele hinterwäldlerisch finden. "Opflsoft" sagt er zum Apfelsaft, und er weiß, dass er mit dieser Bodenständigkeit punkten kann. Gemeinsam mit seinem Bruder Helmut und einer jüngeren Schwester wuchs Aiwanger in Niederbayern auf einem Bauernhof auf. Dort kommt heute noch die ganze Familie zusammen, die Familienbande sollen sehr eng sein. Wie sein Bruder, ein Büchsenmacher", ist Aiwanger Jäger, er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Kampf gegen die "Selbstherrlichkeit"

Eigentlich wäre er für eine CSU-Karriere prädestiniert gewesen. Aber ihn schreckte deren Selbstherrlichkeit ab. "Die Großen haben eine Lobby, die Kleinen nimmt keiner wahr", sagte er einmal. Nach seiner Ausbildung zum Diplomlandwirt wandte sich Aiwanger den Freien Wählern zu, die der CSU in vielem nicht unähnlich sind, aber durch Stärkung der Kommunen näher bei den Bürgerinnen und Bürgern sein wollen. 2006 wurde er zu ihrem Chef in Bayern gewählt, zwei Jahre später zog er in den Landtag ein.

Dort wurde es mit Aiwanger bunter, er redete als Fraktionschef oft wie im Bierzelt. Als "Staatsminister für Populismus" bezeichnete ihn die Süddeutsche Zeitung, als er dann ab 2018 mit der CSU koalierte.

Söder hätte nach der Wahl 2018 auch mit den Grünen zusammengehen können, er fand Aiwanger und dessen Freien Wähler einfacher zu handhaben und lag wenig später mit Impfskeptiker Aiwanger oft wegen der Corona-Politik im Clinch. Auch Vorschläge Aiwangers wie "jeder anständige Mann und jede anständige Frau" sollten "ein Messer in der Tasche" haben dürfen, sind vielen zu deftig.

Viel Kritik gab es für eine Rede Aiwangers im Juni bei einer Demo gegen das Heizungsgesetz der Regierung. Da forderte er – in AfD-Stil –, die Bürgerinnen und Bürger sollten sich die "Demokratie zurückholen". Jetzt rät ihm Söder zu mehr Demut. Ob das klappt, ist allerdings fraglich. (Birgit Baumann, 3.9.2023)