Heumarkt, Neugestaltung, Plan, Wien
Die geplante Neugestaltung des Heumarkt-Areals (Bildmitte oben) sieht nun ein längliches Hochhaus vor.
APA/HELMUT FOHRINGER

Es wird ein heißer September für die rot-pinke Wiener Stadtregierung – und das ganz unabhängig von den zu erwartenden Temperaturen. Verantwortlich dafür ist die geplante Umgestaltung des zentralen Heumarkt-Areals, die die Stadt seit mittlerweile mehr als zehn Jahren intensiv beschäftigt. Das Bauvorhaben im dritten Bezirk zwischen Hotel Intercontinental und Konzerthaus umfasst auch ein Hochhaus inmitten der Unesco-Welterbezone: Der geplante Wohnturm hat dafür gesorgt, dass Wien im Jahr 2017 auf der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten gelandet ist. Sprich: Das Hochhaus bedroht das Wiener Weltkulturerbe. Bei einem Baubeginn wäre das Unesco-Prädikat wohl futsch.

Der Betreiber des Projekts ist die Wertinvest rund um den gut vernetzten Milliardär Michael Tojner. Diese hat zwar die Pläne für den Wohnturm mehrmals reduziert: von ursprünglich 74 auf 66,5 und zuletzt 56,5 Meter. Die Welterbehüter hat das aber nicht besänftigt: Die Unesco dürfte Wien bei ihrer jährlichen Sitzung ab 10. September in Riad in Saudi-Arabien erneut auf der Roten Liste belassen. Das sieht ein Entscheidungsentwurf der Unesco-Expertengremien vor. Entscheiden muss das unabhängige Unesco-Komitee, das sich zum Großteil aber an die sogenannten Draft Decisions hält. Das Thema Wien wird vom Komitee bereits am 12. oder 13. September behandelt.

Für die Unesco-Experten ist eine weitere Redimensionierung der auf dem Areal geplanten Bauten unabdingbar. Das ist keine Überraschung: Seit Jahren kommunizieren die Welterbehüter als Bauhöhe eine Obergrenze von rund 43 Metern – der Höhe des aktuellen Hotels Intercontinental.

Projekt Heumarkt, Rendering
Ein aktuelles Rendering des Umgestaltungsprojekts am Wiener Heumarkt. Zwischen Hotel Intercontinental und Konzerthaus soll nun ein Wohnturm mit einer Höhe von 56,5 Metern errichtet werden. Das Hotel selbst soll abgerissen und etwas höher neu gebaut werden.
Rendering: Wertinvest

Unesco-Verlust für Hanke "kein Beinbruch"

Nach jahrelangen Verhandlungen mit der Unesco über eine welterbeverträgliche Umgestaltung des Heumarkts dürfte der Wiener SPÖ nun langsam der Geduldsfaden reißen. Die Aberkennung des Unesco-Prädikats "wäre kein Beinbruch", sagte Tourismusstadtrat Peter Hanke (SPÖ) unlängst in der Presse – auch wenn er präzisierte, dass er eine Lösung mit Hochhaus und Bestehenbleiben des Welterbes priorisiere. Dass das Unesco-Prädikat aber nicht mehr die Maxime der Roten ist, kristallisierte sich in den vergangenen Monaten immer deutlicher heraus.

So wurde von der SPÖ versucht, noch vor der Unesco-Entscheidung über den Verbleib auf der Roten Liste das aktuelle Heumarkt-Projekt im Landtag durchzuwinken. So existierte bereits am 16. Mai die Vorlage eines Beschlusses der Landesregierung, wonach für das Vorhaben Heumarkt neu "keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist". Basis war ein Feststellungsverfahren der MA 22 (Umweltschutz), die beim Thema UVP-Pflicht zu dieser Erkenntnis gelangte.

Als Formalakt muss dies aber noch im Landtag bestätigt werden – womit ein Baustart für das aktuelle Heumarkt-Projekt näherrücken würde.

SPÖ wollte Beschluss schon im Mai

Die Neos blockierten im Mai aber den Entwurf zum schon vorliegenden rot-pinken Beschluss, womit dieser auch nicht auf die Tagesordnung für den Landtag kam. "Seither hat es die SPÖ mehrmals versucht", heißt es aus pinken Rathaus-Kreisen.

Zwischen der SPÖ und den Neos fliegen hinter den Kulissen jedenfalls die Fetzen. Denn die Pinken wollen sich weiter weigern, den Beschluss zu unterschreiben. Daraus macht Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr kein Hehl.

"Neos sind der Garant dafür, dass das Weltkulturerbe bleibt", sagte er dem STANDARD. Der Heumarkt müsse so gestaltet werden, "dass er ein attraktiver Platz ist, der den Kriterien der Unesco entspricht". Sollte Wien auf der Roten Liste bleiben, "stimmen wir dem Beschluss im Landtag in dieser Legislaturperiode nicht zu".

Wiederkehr fordert, dass das Projekt in seinem Volumen deutlich reduziert wird – wie es auch die Unesco verlangt. Das geht auch weit über das Thema Gebäudehöhe hinaus: So soll der Wohnturm nach aktuellen Plänen zwar auf 56,6 Meter schrumpfen, dafür aber deutlich in die Länge wachsen. Die neue Basislänge des Baus beträgt nun 45 Meter. Dazu kommt, dass der geplante Neubau des Hotels Intercontinental um rund fünf Meter höher als bisher ausfallen soll.

Wertinvest attackiert Rot-Pink

Wiederkehrs Nein zum Formalakt bringt ihm aber nicht nur vom roten Koalitionspartner heftige Kritik ein. Ungemach droht auch vom Projektbetreiber: Laut Wertinvest weigert sich die Landesregierung "rechtswidrig", den entsprechenden Beschluss zur UVP-Frage zu fassen, wie Rechtsanwalt Karl Liebenwein in einer Stellungnahme zum STANDARD sagte. "Es gibt keine rechtfertigenden Gründe für diese Verweigerung." Die Frage, ob die Wertinvest Säumnisbeschwerde einlegen wird oder das schon getan hat, wurde zunächst nicht beantwortet. Andererseits haben auch schon Umweltorganisationen Beschwerden angekündigt, falls die Stadtregierung tatsächlich feststellen sollte, dass keine UVP notwendig ist.

Heumarkt, Winter, Eislaufen
Im Winter wird auf dem Heumarkt Eis gelaufen. Auch die Flächen des Wiener Eislaufvereins (WEV) sind aber schon ordentlich in die Jahre gekommen. Der WEV unterstützt das Neugestaltungsprojekt.

Damit setzt sich die jahrelange Debatte über die Umgestaltung ohne Lösung fort. Währenddessen verfällt das Areal zusehends. Der Wiener Eislaufverein als Mieter der zentralen Fläche im Winter verzichtet angesichts der Pläne – wie das bestehende Hotel Intercontinental von Investor Tojner – schon länger auf größere Investitionen.

Das Umgestaltungsprojekt sieht nicht nur den Wohnturm sowie den Abriss und (vergrößerten) Neubau des Hotels vor: Die Eislaufflächen werden ebenfalls modernisiert, zudem ist eine unterirdische Eishalle für Eishockeyspieler vorgesehen. Im Sommer wird das zentrale Areal zwischen Hotel und Konzerthaus öffentlich zugänglich. Auch eine Art Stadtterrasse mit freiem Zugang ist geplant. Wertinvest will zudem das Konferenzzentrum neu errichten – mit Platz für 2000 Besucher. (David Krutzler, 4.9.2023)